Macht Künstliche Intelligenz (KI) menschliche Marketer überflüssig? Dieses Schreckgespenst schwebt seit Anfang des Jahres, als Zalando bis zu 250 Stellen im Marketing strich, durch die Branche. Die Potentiale von KI sind tatsächlich atemberaubend. Im Bereich der Suchmaschinenwerbung bietet Google bereits zahlreiche Funktionen, die Automatisierung und Machine Learning beinhalten. Doch wie stark verändert KI das Marketing wirklich? Meine Prognose für den Bereich der Suchmaschinenwerbung: Künstliche Intelligenz macht die Ergebnisse besser, menschliche Account-Manager aber keinesfalls überflüssig.
Der Traum von maßgeschneiderter Werbung
Der Siegeszug von intelligenten Systemen ist nicht aufzuhalten und verspricht Szenarien, von denen Marketer bislang kaum zu träumen wagten: Eine maßgeschneiderte und somit perfekte Kundenansprache, die auf einer Unmenge an Informationen beruht. Zu diesen Daten gehören soziodemografische Angaben wie Geschlecht oder Alter, Interessen, Wochentag und Tageszeit, das Verhalten auf einer Website, Browser- und Geräteinformationen sowie geografische Hinweise. All diese Informationen werden in anonymisierter Form herangezogen, um die Erfolgswahrscheinlichkeit von Werbung zu berechnen. Diese Entwicklung hin zu userzentriertem Marketing ist einerseits getrieben durch die Tatsache, dass immer mehr Daten durch den Äther schwirren, die zur Verarbeitung zur Verfügung stehen. Gleichzeitig sorgen die Fortschritte im Bereich der künstlichen Intelligenz dafür, dass Maschinen diese Daten besser aufbereiten und anwenden können, als es jemals der Fall war. Data Driven Marketing verspricht einerseits die Optimierung des Timings einer Werbeausspielung, andererseits können Algorithmen Inhalte generieren, die passgenau auf die jeweilige Zielperson zugeschnitten sind. Der datenbasierte Marketing-Traum handelt davon, die richtige Person zum richtigen Moment mit der richtigen Anzeige zu konfrontieren.
Daten: Das Gold der digitalen Welt
Ausgangspunkt ist der Besitz von Nutzerinformationen, er hat sich zu einem zentralen Asset der digitalen Werbung entwickelt. Google ist einer der Player, der davon profitiert, denn der Suchmaschinengigant verfügt über so viele Userinformationen wie kaum ein anderer Mitspieler auf dem Markt. Zur Optimierung der Werbeausspielung berücksichtigt Google „exklusive Signale“ wie Angaben über das Betriebssystem des Users, seinen Browser, die Spracheinstellung und natürlich die Suchanfrage selbst. Menschen sind nicht länger in der Lage, die riesigen Datenmengen aufzubereiten. Und schon gar nicht, für jede Zielperson auf Basis der Informationen händisch eine individuelle Anzeige zu kreieren. Um Big Data nicht nur zu sammeln, sondern auch gewinnbringend aufbereiten und einsetzen zu können, investiert Google kräftig in den Bereichen Automatisierung und Machine Learning.
Machine Learning in Google Ads
In seinem Kerngeschäftsfeld, der Suchmaschinenwerbung, bietet Google über seine kürzlich umbenannte Plattform Google Ads (früher AdWords) bereits mehrere Technologien an, die maschinelles Lernen nutzen. Eine ist das „Smart Bidding“. Hier optimiert Google eine Kampagne hinsichtlich vorgegebener Ziele wie zum Beispiel Conversions, indem die Gebote automatisch variiert werden. Laut Google werden Millionen von Signalen zum Kontext eines Nutzers in einer bestimmten Auktion berücksichtigt. So werden beispielsweise das Endgerät, der Browser oder der Wochentag im Moment einer Suchanfrage herangezogen, um die Kaufwahrscheinlichkeit eines bestimmten Users zu berechnen. Wird die Conversion-Wahrscheinlichkeit aufgrund der Kontextsignale als hoch eingeschätzt, werden die Gebote automatisch angehoben, bei einer geringen Wahrscheinlichkeit wiederum gesenkt.
Automatisierte Erstellung von Content
Während Smart Bidding die Ausspielung von Werbung steuert, widmen sich einige Funktionen der automatisierten Kreation von Werbemitteln. Zur Erstellung sogenannter Dynamic Search Ads (DSA) crawlt Google Websites im Moment einer Suchanfrage und erstellt auf Basis einer hinterlegten Dummy-Anzeige den passende Anzeigentitel. Als Ergänzung zu den bestehenden Produktkampagnen sind Dynamic Search Ads durchaus sinnvoll, vor allem bei Resellern mit einer großen Masse an Produkten. Wenn sich das Sortiment schnell verändert, kann mit Hilfe von DSA sichergestellt werden, dass alle Produkte in der Kampagne abgebildet sind. Zur Content-Kreation bietet Google seit Kurzem auch Ad Suggestions an. Dieser Kampagnentyp nutzt vom Account-Manager hinterlegte Texte, um weitere Anzeigen zu generieren. Die verschiedenen Anzeigen treten gegeneinander an. Je nach Zielvorgabe durch den Account-Manager selektiert Google die erfolgreichsten, quasi als Krone der Werbemittelschöpfung. Bei einigen Kampagnentypen übernimmt Google sogar den kompletten Prozess, von der Kreation der Anzeige über die Gebotserstellung bis zum Targeting und Zeitpunkt der Ausspielung.
Menschliche Aufgaben verschieben sich
Intelligente Technologien und Kampagnentypen übernehmen also operative Tätigkeiten, die bisher von Account-Managern ausgeführt wurden? Teilweise stimmt das. Jedoch ergeben sich durch den Einsatz von KI und Automatisierungen neue Aufgaben, die weiterhin von Menschen bearbeitet werden müssen. Die strategischen Entscheidungen, die einer Werbekampagne zu Grunde liegen, werden immer komplexer. Die Masse an Kampagnentypen und Funktionen in der Google-Welt ist in den vergangenen Jahren förmlich explodiert. Wann macht welcher Kampagnentyp Sinn, welche Ziele gebe ich vor, wie reagiere ich auf besondere Vorkommnisse und auftretende Probleme? Nur wer die richtige Technologie an der richtigen Stelle einsetzt, kann die Kraft von KI entfesseln. Die operative SEA-Handwerkskunst wird nicht obsolet. Nach einem klugen Setup müssen automatisierte Kampagnen überwacht und mit viel Fingerspitzengefühl betreut werden. Das Knowhow rund um neue Technologien und die operative Erfahrung und Expertise verschmelzen zum Marketingskill der Zukunft. Wenn KI richtig eingesetzt wird, macht sie die Suchmaschinenwerbung in Zukunft definitiv besser.
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