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Wie Amazon und Alibaba den Werbemarkt angreifen

Holger Schmidt, 5. Juni 2018
Bild: ddrigg - Adobe Stock / Bearb.: ADZINE

Verwunderlich ist nur, warum es so lange gedauert hat: Die großen Plattformen, deren Hauptgeschäfte eigentlich an anderen Stellen liegen, drängen mit Elan in die digitale Werbung. Alibaba und Amazon, ursprünglich einmal als Handelsplattformen gestartet, und Tencent, dessen wichtigste Umsatzsäule im Online-Gaming liegt, haben mit ihrem Wissen über die Kundenwünsche mächtige neue Umsatzsäulen aufgebaut: Etwa 22 Milliarden Dollar Werbeumsatz wird Alibaba in diesem Jahr voraussichtlich erzielen. Bei Amazon sind es (geschätzte) 9,5 Milliarden Dollar; die Vorhersage für Tencent liegt bei etwa 8 Milliarden Dollar.

"Werbung ist inzwischen ein Multi-Milliarden-Dollar-Geschäft und wächst sehr schnell”, sagte der Amazon-Finanzvorstand Brian Olsavsky in der Telefonkonferenz zu den jüngsten Quartalszahlen. Auf 70 Prozent wird das durchschnittliche jährliche Wachstum des Amazon-Werbegeschäfts zwischen 2015 und 2020 geschätzt. Die Analysten von BMO Capital Markets trauen Amazon zum Ende der Dekade schon 19 Milliarden Dollar Umsatz in dieser Sparte zu.

Für Tencent werden 40 Prozent jährlicher Zuwachs erwartet. Alibaba erreicht zwar „nur“ 30 Prozent, allerdings schon auf einem viel höheren Niveau. Zusammen vereinen die drei Seiteneinsteiger 18 Prozent des digitalen Werbeweltmarktes auf sich. 2020 – so die nicht allzu gewagte Prognose – könnten sie schon ein Viertel des Weltmarktes besetzen.

Zusammen mit den beiden Platzhirschen Google und Facebook bauen die drei Giganten die Dominanz der Plattformen im digitalen Werbegeschäft aus: Betrug der Anteil dieser Top 5 am Weltmarkt im Jahr 2015 noch 57 Prozent, waren es im vergangenen Jahr schon 69 Prozent. Zwar legen auch die übrigen Player in absoluten Zahlen noch zu, doch ihr Spielraum wird von Jahr zu Jahr um ein paar Prozentpunkte kleiner.

Zusammen mit den beiden Platzhirschen Google und Facebook bauen die drei Giganten die Dominanz der Plattformen im digitalen Werbegeschäft aus: Betrug der Anteil dieser Top 5 am Weltmarkt im Jahr 2015 noch 57 Prozent, waren es im vergangenen Jahr schon 69 Prozent. Zwar legen auch die übrigen Player in absoluten Zahlen noch zu, doch ihr Spielraum wird von Jahr zu Jahr um ein paar Prozentpunkte kleiner.

Thorsten Ahlers

Kleinere Handelsplattformen wie Ebay, die ebenfalls das Werbegeschäft für sich entdeckt haben, sind in diesen Werten für die Plattformen noch nicht enthalten. Otto und Zalando, die den Wandel vom Händler zur Plattform gerade erst vollzogen haben, haben „Retail Media“ ebenfalls als Geschäftsfeld für sich entdeckt. „Neben Search und Social wird Retail Media zur dritten großen Säule im digitalen Werbemarkt. Händler bekommen damit eine neue Chance, ihr Handelsgeschäft mit Werbeerlösen aufzuwerten. Ich bin mir sicher, dass einige Händler eines Tages mehr Marge mit Mediaeinnahmen als mit dem Verkauf von Waren erzielen“, sagt Torsten Ahlers, Chef der Otto Media Group.

Überraschen kann das niemanden, der das Geschäftsmodell der Plattformen verstanden hat. Denn Ausbrüche dieser Art in neue Märkte sind von Anfang an vorgesehen. Für Amazon, Alibaba, Ebay, Otto oder Zalando ermöglicht das Wissen über die Wünsche der Konsumenten und die Angebote der Händler ein vergleichsweise exaktes, hochgradig automatisiertes Ausspielen der Werbung an Nutzer, die ohnehin gerade im Shopping-Modus sind. Während Google und Facebook die Kundenwünsche aufwendig aus ihren Daten herauslesen müssen, werden sie den Handelsplattformen quasi frei Haus geliefert.

Während die meisten Anbieter noch am Anfang stehen, hat Alibaba schon ein ganzes Jahrzehnt Erfahrung in diesem Business. Als reinrassige Plattform erzielten die Chinesen den größten Teil ihres Umsatzes mit Werbung. Beim Nachzügler Amazon sind es erst 3 bis 4 Prozent. Ganz genau lässt sich der Wert nicht berechnen, da Amazon die Werbeumsätze noch als Teil der Rubrik „Andere“ ausweist. Aber der Großteil der 2 Milliarden Dollar, die im ersten Quartal in dieser Rubrik als Umsatz angegeben wurden, entfällt auf die Online-Werbung.

Das hochmargige Werbegeschäft trägt schon wesentlich zum Gewinn des US-Konzerns bei. Genaue Zahlen weist Amazon auch hierfür nicht aus. Aber der stetige Anstieg des Bruttogewinns auf zuletzt 40 Prozent des Umsatzes ist wesentlich auf die wachsenden Anteile lukrativer Geschäftsfelder wie Amazon Web Services, die Vermittlungsprovisionen der etwa 2 Millionen Dritthändler auf den Marktplätzen und eben jüngst das Werbegeschäft zurückzuführen. Die notorisch geringe Marge im traditionellen Handel spielt in der Gewinn- und Verlustrechnung eine immer geringere Rolle.

Dabei hat Amazon das Geschäftsfeld bisher nur in Ansätzen ausgerollt. Der Großteil der Werbeeinnahmen stammt aus den „Sponsored Products“ in den Suchergebnissen. Da etwa die Hälfte der Online-Shopper in wichtigen Märkten wie den USA oder Deutschland ihre Suche nach Produkten inzwischen direkt bei Amazon beginnt, hat das Unternehmen Ende April seine Werbung in der Google-Produktsuchmaschine Shopping eingestellt und damit die Spekulation angeheizt, einen ähnlichen Weg wie Alibaba zu gehen. Der chinesische Online-Riese hat 2009 die führende chinesische Suchmaschine Baidu ausgesperrt, um Produktsuchende ohne Umweg direkt auf seine Seiten zu locken. Amazon könnte auf diese Weise auch mehr Nutzer zur direkten Produktrecherche in seiner Suchmaschine animieren. Leittragender des Amazon-Aufstiegs in das Werbegeschäft wäre dann vor allem Google, was der ehemalige Google-Chef Eric Schmidt im Jahr 2014 exakt vorhergesagt hatte. „Viele denken, unsere größten Wettbewerber seien Yahoo oder Bing. Aber unser größter Konkurrent im Suchmaschinenbereich ist tatsächlich Amazon." Wer etwas kaufen wolle, schaue meist bei Amazon nach. "Im Grunde antworten sie auf Anfragen und Suchen der Nutzer genauso, wie wir es tun", sagte Schmidt damals in Berlin.

Brian Olsavsky Brian Olsavsky

Doch das Bedrohungsszenario geht über den offensichtlichen Suchmarkt hinaus. Denn die drei Plattformriesen sind auch in den digitalen Medien präsent. Alibaba mit seiner börsennotierten Tochtergesellschaft Alibaba Pictures Group, der größten Filmfirma Chinas; Amazon mit seinen Prime-Kategorien Video und Music oder dem Lesegerät Kindle. „Wir sehen Möglichkeiten für Videowerbung, aber im Moment planen wir nicht, in diesen Markt einzutreten“, sagte Amazon-CFO Olsavsky. Doch bei dem Tempo, das Amazon im Werbegeschäft an den Tag legt, wird diese Entwicklung nur eine Frage der Zeit sein. Gerade testet Amazon ein Retargeting-Tool für Display-Werbung, das Amazon-Händlern erlaubt, ihren Kunden die passende Werbung auch außerhalb der Amazon-Seiten zu zeigen, um sie für den Kauf zurück auf Amazon zu lotsen. Amazon würde dann doppelt verdienen: an der Werbung und den Transaktionsgebühren beim Kauf.

Als ob Amazon oder Alibaba als neue Player auf dem Werbemarkt noch nicht ausreichten, drängt nun auch noch Apple mit einem neuen Ansatz zurück ins Geschäft: Wer die Suchmaschine eines Apple-Partners wie Snap oder Pinterest nutzt, erhält dort App-Werbung, die von Apple ausgespielt wird. Den Erlös teilen sich Apple und das jeweilige Unternehmen, meldet das Wall Street Journal. Apples Werbegeschäft ist mit 1 Milliarde Dollar Umsatz im vergangenen Jahr vergleichsweise klein für die Größe der Plattform. Die attraktive Marge hätte aber das Interesse von Konzernchef Tim Cook geweckt, der das Geschäft nun ausbauen wolle, berichtet die Zeitung.

Bild Foto: Holger Schmidt Über den Autor/die Autorin:

Dr. Holger Schmidt beschäftigt sich seit zwei Jahrzehnten intensiv mit der digitalen Ökonomie. Heute ist er Dozent an der TU Darmstadt, Kolumnist beim Handelsblatt und Buchautor.

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