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ECOMMERCE

Was will Adobe mit Magento?

Frederik Timm, 6. Juni 2018
Bild: Evan Dennis; CC0 - unsplash.com

Seit Ende Mai steht fest: Adobe steigt in das E-Commerce-Geschäft ein. Der Marketing-Cloud-Anbieter hat die Übernahme von Magento, einer der größten E-Commerce-Plattformen der Welt, bekanntgegeben, ein Milliardendeal. Für Adobe erschließen sich hier ein neuer Kundenkreis und viele Möglichkeiten der Marketingsynthese zu seinen Cloud-Lösungen. Wie nützlich die Integration am Ende für die Kunden sein wird und wie sie die neuen Full-Stack-Möglichkeiten annehmen, muss sich jedoch erst noch herausstellen.

Sicherlich ist die Übernahme von Magento keine große Überraschung. Adobe zieht durch den Kauf mit der Konkurrenz gleich. So hat SAP mit Hybris bereits eine E-Commerce-Lösung in seine Marketing-Cloud integriert und auch Salesforce und Oracle waren bereits umtriebig. Die Experience Cloud hat diese Erweiterung Berichten von Bloomberg zufolge auch nötig: Generell generiert dieser Teil von Adobes Geschäft weniger Umsatz und wächst langsamer als die Creative Cloud, in der sich Angebote wie Photoshop befinden.

Den Kundenstamm erweitern

Mit einer Akquisition bietet sich immer auch die Möglichkeit, neue Kunden für seine anderen Angebote zu motivieren und enger an das eigene Angebot zu binden.

Neben dem Aufschluss zur Konkurrenz dürfte der Kauf von Magento daher auch dadurch motiviert gewesen sein, beim Mittelstand einen Fuß in die Tür zu bekommen. Magento teilt seine Kunden nämlich in zwei Gruppen. Unter den kleinen und mittelständischen Unternehmen dürfte vor allem die Open-Source-Lösung beliebt sein. Hier arbeiten nach Aussage von Magento mehrere tausend Entwickler in einer Community.

Für große Unternehmenskunden gibt es die Premiumversion der Plattform. Hier kann Magento unter anderem Coca-Cola, Nestlé und die Warner Music Group zu seinen Kunden zählen. Diese Unternehmen finden sich auch in Adobes Kundenstamm. Adobe kann durch den Zukauf also darauf hoffen, ein stärkeres Argument für eine Full-Stack-Nutzung seiner Marketing-Cloud zu machen. Bei anderen großen Magento-Kunden, wie Nikon, Helly Hansen oder Paul Smith, wird Adobe dagegen wahrscheinlich auch vorstellig werden.

Kein Wandel über Nacht

Bild: Sitewards, Hartwig Göttlicher

Für Hartwig Göttlicher, Head of Business Development bei Sitewards, ist jedoch klar, dass nicht mit radikalen Änderungen zu rechnen ist: „Ab dem Stichtag der endgültigen Übernahme von Magento durch Adobe wird sich die Welt nicht sofort von links auf rechts drehen.“

So seien kleinere Unternehmen, die bisher nur die Open-Source-Lösung von Magento verwenden, wahrscheinlich überhaupt nicht an den Business-Intelligence-Lösungen interessiert, mit denen Adobe wirbt. Sie fallen eigentlich nicht in die für Adobe typische Zielgruppe.

Adobe erkennt natürlich, was die Konkurrenz, IBM, SAP usw., am Markt macht, und will sich selbst auch zu einer Full-Service-Plattform weiterentwickeln. Grundsätzlich ist dieser Framework-Gedanke nicht verkehrt. Wir wissen, dass die Digitalisierung ausgerufen ist und am Ende der im Markt gewinnen wird, der die Kundendaten hat.

(Hartwig Göttlicher, Sitewards)

Häufig wird erst noch getestet, ob das „digitale Ding“ überhaupt passt, erklärt Göttlicher. Es hinge viel von der Unternehmenskultur ab, wie offen man für neue Lösungen ist. Zudem seien meist bereits andere Schnittstellen im Einsatz. „Viele Unternehmen machen schon ein wenig digitales Marketing. Sie nutzen allerdings meist Insellösungen, die an das jeweilige Shop-System angeschlossen sind“, sagt Göttlicher.

Nach dem Zusammenschluss von Adobe und Magento stellt sich die Frage, wie tief diese Integrationen von vorhandenen Tools sind und ob diese tatsächlich abgelöst werden können. Für manche Unternehmen mag es gar keinen Sinn machen, sich umzustellen, um auf den Full Stack zuzugreifen, den Adobe anbietet. Über gute Schnittstellen lassen sich alle wichtigen Tools schließlich ohnehin integrieren.

Viele nutzen den „Best of Breed“-Ansatz

Viele mittelständische Unternehmen verfolgen diese Strategie. Sie suchen sich im „Best of Breed“-Ansatz für jede Lösung den passenden Spezialisten aus und stellen über Schnittstellenexperten die Kommunikation der Systeme untereinander sicher.

Bild: Webtrekk

Christian Sauer, Gründer und CEO von Webtrekk, warnt zudem: „Aus Sicht der potenziellen Kunden müssen Full-Stack-Angebote wie die Advertising Cloud mit Bedacht gewählt werden. Daraus ergeben sich schnell Lock-in-Effekte, da nur Schnittstellen zu den Komponenten innerhalb der Cloud bestehen.“

Die Anbindung und Nutzung von Drittsystemen sei dagegen oft mit einigem technischen Aufwand sowie zusätzlichen Kosten verbunden. „Best-of-Breed-Lösungen sorgen dagegen für Top-Ergebnisse im jeweiligen Segment. Durch die Ausrichtung auf die individuellen Bedürfnisse sowie die maximale Flexibilität im Zusammenspiel mit Drittsystemen lassen solche Lösungen meist keine Wünsche offen.“ Zudem seien bei Best-of-Breed die Kosten geringer, da besonders wirtschaftliche und effektive Lösungen in den verschiedenen Segmenten eingesetzt werden können.

Wenn Unternehmen jedoch grundsätzlich nach dem Ansatz vorgehen, ihre komplette Struktur in Frage zu stellen und einen kompletten Relaunch zu planen, dann kann Adobe von der Übernahme von Magento profitieren. Hier würden Shop-Betreiber Schnittstellen und mögliche SAP-Lizenzdiskussionen vermeiden und ein voll vernetztes System aus einem Guss haben.

Mehr Innovation dank Übernahme?

Das Adtech-Geschäft ist schnelllebig. Die Innovationszyklen werden immer kürzer. Um am Markt bestehen zu können, müssen Tech-Anbieter immer agiler und flexibler werden. „Hier müssen die großen Anbieter wie Adobe oder SAP erst mal beweisen, dass sie diese Zyklen mitgehen können“, meint Hartwig Göttlicher. „Ich will den großen Anbietern die Innovation nicht absprechen, jedoch könnte es sein, dass ein kleineres Unternehmen Neuerungen einfach schneller umsetzen kann, indem es sich beispielsweise auf bestimmte Bereiche spezialisiert.“

Göttlicher erwartet mit Interesse, wie die Konkurrenz die Übernahme aufnimmt. „Die Tech-Anbieter werden Adobe das Feld nicht kampflos überlassen. Idealerweise wird dadurch die Innovationskraft weiter erhöht. Das tut sicherlich dem Markt sehr sehr gut.“

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