Endlich mehr Value durch Programmatic für die Advertiser?
Jens von Rauchhaupt, 28. Juni 2018Lange Zeit galten die Werbetreibenden als Verlierer im Programmatic Advertising, während die Adtech-Anbieter und die Mediaagenturen vom Boom des automatisierten Mediahandels zuerst profitieren konnten. Kostentransparenz, Ad Fraud, fehlende Sichtbarkeit, Brand Safety sind die bekannten Kritikpunkte. Eine bessere Datenqualität, neue Tools und Initiativen sollten allerdings hier bereits für Verbesserungen gesorgt haben. Ist das wirklich so? Diese Fragestellung ist Gegenstand hitziger Diskussionen, so auch auf der diesjährigen ADTRADER.
Im Advertiser-Panel der Adtrader 2018 ging es zur Sache. Der Berater Christian Bachem vom Markendienst Berlin kritisierte in der Gesprächsrunde mit Oliver Gertz (Mediacom), Jenny Görlich (OWM), Rosa Markarian (Schwabe Group) und Sacha Berlik (The Trade Desk) scharf den programmatischen Mediahandel. Auch Jenny Görlich sieht weiterhin deutlichen Handlungsbedarf in Sachen Transparenz, Brand Safety und der Überprüfung der Datenqualität.
Reselling verhindern
Eigentlich fing der Advertiser-Block auf der Adtrader für die Programmatic-Branche gut an. Oliver Gertz konnte sehr überzeugend vortragen, wie die Marktteilnehmer bereits einen gewaltigen Schritt in Richtung Transparenz gemacht haben. Gertz widerlegte in seinem Impulsvortrag (Hier geht’s zum Vortrag) die alten Vorurteile, dass Programmatic die Kostentransparenz verdunkle, und zeigte ein idealtypisches Setup der Value Chain auf.
Allerdings kritisierte der EMEA-Chef der Mediacom die Publisher. Für ihn stellt vor allem das Reselling ein Riesenproblem dar. Das Reselling sei eine Hauptursache für versteckte Fees. Gertz glaubt aber, dass der Markt die Kostentransparenz in den Griff bekommen werde. „Viele fordern bei Programmatic gerne eine Simplifizierung. Aber genau das geht beim Thema Transparenz nicht.“ Er fordert daher eine bessere Verbreitung des IAB-Ads.txt-Skriptes auch außerhalb der Premiumumfelder. „Dann können wir uns bei der Transparenzdiskussion wirklich nur um Themen wie Ad Fraud und Brand Safety kümmern.“
Mangelndes Interesse der Werbetreibenden an Programmatic
Werbetreibende seien laut Gertz gut beraten, den Einsatz von Ad Verification endlich ernst zu nehmen, und ganz wichtig: Advertiser sollten weniger auf einen günstigen Mediapreis und mehr auf Qualität setzen. „Wenn Sichtbarkeit ernst genommen wird, sind Infeed-Umfelder tot. Wenn Brand Safety ernst genommen wird, muss auf User-generated Content verzichtet werden. Ein Quality-CPM ist nun einmal um das Vierfache höher. Das hat massive Verwerfungen in den Mediaplänen zur Folge und das muss erst einmal in den Köpfen der Stakeholder ankommen.“
Rosa Markarian von der Schwabe Group berichtete über den Status quo von Programmatic Buying im eigenen Unternehmen. Der Hersteller für pflanzliche Heilmittel sei noch weit davon entfernt, den Mediaeinkauf voll programmatisch umzusetzen. Das läge aber vor allem auch daran, dass der Arzneihersteller verhältnismäßig spät auf digital umgestellt habe und bisher eher in Umfeldern wie Gesundheitsportalen direkt Werbung einbucht. „Bei bedarfsorientierten Produkten wie Arzneimittel kommt es vor allem auf das Ranking in den Suchmaschinen an und somit auf die Special Interest Sites. Hier wird es erst noch interessant, welche Rolle Programmatic dort spielen kann.“ In den USA habe die Schwabe Group mit der Zuhilfenahme externer Audience-Daten positive Einflüsse in der Werbewirkung der Kampagnen feststellen können.
Schlechterer Wirkungsbeitrag durch Programmatic?
Die OWM, die in Deutschland die Interessen von über 100 Marken vertritt, fordert schon seit längerer Zeit auch im programmatischen Handel „sichtbare Reichweite mit Potenzial für die Werbewirkung“. Und hier sieht Jenny Görlich, Leiterin Digital bei der OWM, die Ampel noch immer auf „rot“, gegebenenfalls mit leichten Verbesserungen im Desktop-Bereich, wobei Ad Fraud und Brand Safety vor allem bei Mobile und Video weiterhin die Sorgenkinder sind.
Eine klare Ansage kam indes von Christian Bachem, Mitbegründer der Beratungsfirma Markendienst Berlin: „Die versprochenen Effizienzvorteile von Programmatic werden weiterhin durch die schlechte Werbewirkung aufgefressen – der Aufwand für die Risikobegrenzung ist einfach zu hoch. Programmatisch eingebuchte Kampagnen performen in der Werbewirkung (Brandlift) schlechter als I/O-Kampagnen.“
In seiner Replik kritisierte Gertz den Berater Bachem für diese Aussage scharf. Schließlich habe der Weg des Mediaeinkaufs, sei er über I/O oder plattformbasiert, nichts mit der Werbewirkung zu tun. „Wir müssen weg von der Inputdiskussion hin zur Outputdiskussion, also der Frage, wie man bei programmatischen Kampagnen die Werbewirkung richtig misst und dabei helfen uns die richtigen Technologien“, sagte Gertz. Berlik wollte sein Entsetzen über Bachems Aussage erst überhaupt nicht verbergen. Er machte darauf aufmerksam, dass viele der großen Brand Advertiser wie bspw. P&G oder Unilever bis zu 80% ihrer digitalen Mediaspendings auf Programmatic umgestellt hätten und das klassische I/O-Geschäft nun über Private Marketplaces abgebildet werde. An Christian Bachem gerichtet: „Was erzählen Sie ihnen, dass sie alle doof sind? Die machen doch nichts anderes als die Werbewirkung zu überprüfen.“ Die Problematik von Ad Fraud und Brand Safety sei daher vor allem in den Open Markets zu finden. Jenny Görlich von der OWM findet eine Erklärung für die schlechtere Werbewirkung in der Datenqualität. „Programmatic arbeitet mit Daten, aber wer stellt nun sicher, dass mit passenden Daten in der richtigen Qualität gearbeitet wurde? Wir haben Mitglieder, bei denen geht die Werbewirkung durch die Decke, weil sie mit guten Daten arbeiten. In Wirklichkeit hat Programmatic eine Datendebatte und wir müssen alles dafür tun, dass die Werbetreibenden die Qualität der Datenpools überprüfen können.“
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