Mit Connected TV, Addressable TV und HbbTV steht das TV-Werbebusiness vor einem gewaltigen Umbruch. Anlässlich der Screenforce Days, dem wohl größten Gattungs-Event in Deutschland rundum TV-Werbung, sprachen wir dazu mit Rouven Dankert, Gründer und Geschäftsführer vom inhabergeführten Media- Audit-Berater IMEDIAG (Independent Media Guides). IMEDIAG überprüft im Auftrag der Werbekunden die Kampagnenschaltungen der Mediaagenturen mit dem Ziel den Media-ROI zu optimieren.
Rouven Dankert gilt als einer der prägenden Köpfe im deutschen Media-Auditing-Business. Er blickt zurück auf mehr als zwanzig Jahre Erfahrung als Manager und Berater im Mediageschäft. Seit 2002 hat er kontinuierlich die Marktstandards im Media Auditing bei Unternehmen wie Media Audits, Accenture und Ebiquity (ehemals Billetts) bestimmt und weiterentwickelt. Seit Juni arbeitet Rouven auf eigene Rechnung. Mit den Mitgesellschaftern Demet Dankert, Oliver Migge (CDO) und Ronny Becker hat er in Hamburg die unabhängige Beratungsfirma IMEDIAG gegründet.
ADZINE: Herr Dankert, mit Addressable TV (ATV) werden TV-Werbekampagnen rückkanalfähig. Inwieweit lassen sich die positiven Effekte wirklich nachvollziehen, haben Sie bereits solche Kampagnen Ihrer Kunden auditiert? Und wenn ja, welche typischen Fallstricke lassen sich bei ATV-Kampagnen erkennen?
Rouven Dankert: Für ATV und den Ansatz eine datengetriebene Aussteuerung in das Medium TV zu bringen gibt es leider nicht DEN einen über Konventionen definierten Marktstandard sondern nur agenturindividuelle Lösungsansätze, die zumindest bezogen auf den Leistungsbeitrag bisher noch nicht belastbar auditierbar sind.
” (Rouven Dankert, IMEDIAG)Was wir beobachten, ist, dass ATV mittlerweile in nahezu jedem Mediaagenturpitch eine Rolle spielt, dabei allerdings zum jetzigen Zeitpunkt bzgl. der Relevanz und des Mehrwerts sehr unterschiedlich von den Agenturen bewertet wird. Es gibt einzelne erfolgreiche Studien, aber erst mit dem „proof of concept“ in der Breite wird sich dieser Top-of-Mind-Kanal auch in netto(!)-budgetrelevanten Größenordnungen bewegen.
ADZINE: Die OWM hat anlässlich der Screenforce Days mal wieder zum TV-Bashing ausgeholt und fordert u.a. eine "konsistente Leistungsbewertung auf Spotbasis über alle Kanäle hinweg" - also eine Leistungsbetrachtung, weg von der Werbeinsel, hin zum Einzelspot auf GRP-Basis. Wie realitätsnah sehen Sie diese Forderung? Vor allem in Bezug auf "über alle Kanäle hinweg". Und was halten Sie insgesamt von dem Forderungskatalog der OWM?
Dankert: Die Forderung einer „konsistenten Leistungsbewertung auf Spotbasis über alle Kanäle hinweg“ ist erstmal ein aus Werbungtreibendensicht absolut nachvollziehbares aber eben auch sehr hehres Ziel. Aus unserer Sicht muss bei der Frage nach der Realitätsnähe differenziert werden zwischen den technischen Möglichkeiten und dem „politischen“ Willen. Zudem müssten dann fairerweise auch sehr relevante KPIs wie Kontaktqualität und Wirkungsbeitrag berücksichtigt werden. Denn Leistung ist ungleich Wirkung. Den Forderungskatalog kann ich wie gesagt sehr gut nachvollziehen, aber auch hier gilt es zu differenzieren und zu relativieren, da jedes Medium sein „Päckchen“ zu tragen hat: Ja, TV kämpft z.B. mit einbrechenden Reichweiten, dafür hat sich die Screengröße und die Auflösung für die Platzierung der Werbebotschaften in den letzten Jahren signifikant erhöht (Stichwort Wirkung). Digital trägt nach wie vor das Päckchen „Sichtbarkeit, Fraud und Brand Safety“. Die einzelnen Punkte des Forderungskatalogs sind ja nicht neu und haben sich zum Teil über Jahre aufgebaut. Gattungsschelte zum Wachrütteln ist daher erst mal in Ordnung, die Lösung kann und muss dann im konstruktiven Miteinander erfolgen und dabei muss jeder Marktpartner Verantwortung übernehmen. Aus meiner Sicht ist ein besonders wichtiger Punkt, die Inflation in den Griff zu bekommen, da steigende Preise bei sich gleichzeitig reduzierender Leistung aus meiner Sicht auf Dauer der Gattung schaden. Aktuell kommt man allerdings aus Reichweitengesichtspunkten in breiten Zielgruppen trotz Reichweiteneinbrüchen nicht um das Medium TV herum.
ADZINE: Programmatic TV, Connected TV und ATV: Wird auch das Media Auditing wegen TV bald zur Wissenschaft? Wie sollten sich die Werbetreibenden auf diese neue Werbeära im Fernsehen jetzt einstellen und: ist dies nicht gerade eine besondere Chance und Aufgabe für Unternehmen wie IMEDIAG sich profilieren zu können?
Dankert: Auditing wird ja leider viel zu oft auf ein reines Konditionenbenchmarking reduziert und hat doch – wenn ernsthaft durchgeführt - so viel mehr Insights in diesem komplexer werdenden Markt zu bieten. Der einzigartige Marktüberblick den wir aus der Zusammenarbeit mit allen Agenturen – sowohl inhabergeführten als auch Netzwerkagenturen – bekommen, gibt uns die Möglichkeit agenturindividuelle Technologien, Ansätze und Strategien im ersten Schritt zu verstehen, um sie dann im zweiten Schritt auch bewerten zu können. Daher sehe ich uns auch vielmehr als neutrale und objektive Aufklärer. Und ja, diese Entwicklung ist absolut eine besondere Chance für uns als unabhängige Berater, die weder einen Ansatz, ein Tool oder gar Werbefläche verkaufen müssen. Diese privilegierte Position ist aus meiner Sicht nicht nur Recht sondern zugleich Verpflichtung, Relevantes von Irrelevantem zu trennen, Dinge zu „entkomplizieren“ und gemeinsam mit Agenturen als Sparringspartner und Challenger im Dienste der Werbungtreibenden die kundenindividuellen richtigen Lösungen aufzuzeigen. Werbungtreibende sollten noch konsequenter Mechanismen und Wirkungszusammenhänge hinterfragen, sich nicht von Buzz Words blenden lassen und wieder bewusster Entscheidungen im Sinne der Markenkommunikation treffen. Es werden viele Säue durch das Dorf getrieben. Die Kunst ist es, den Mut zu haben, nicht auf jede drauf zu springen, nur aus Angst etwas zu verpassen, obwohl sehr häufig keiner sagen kann was genau man denn verpasst.
ADZINE: Herr Dankert, Vielen Dank für das Gespräch.
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