Bereits in den vergangenen Jahren wurde auf der Adtrader Conference viel über die Rolle von Walled Gardens in der digitalen Werbelandschaft diskutiert. In diesem Jahr bilden Plattformmodelle einen Fokus der Konferenz. Welche Chancen und welche Herausforderungen bringen große Plattformen wie Alibaba, Amazon aber auch kooperative Modelle wie Verimi und die NetID?
Holger Schmidt, der Netzökonom, eröffnet die Veranstaltung mit seinen eigenen Beobachtungen großer Plattform-Player: Mittlerweile beruhen sieben von zehn der wertvollsten Unternehmen der Welt auf Plattformmodellen. Gemessen an dem Welt-GDP machen sie insgesamt zehn Prozent aus. Nach Schätzungen des Massachusetts Institute of Technology (MIT) soll sich dieser Anteil in den kommenden Jahren auf 30 bis 40 Prozent erhöhen.
Europa im Hintertreffen
Der Löwenanteil der Plattformumsätze (66 Prozent) wird dabei in den USA generiert. Zusammen mit Asien (30 Prozent) findet hier auch das größte Wachstum statt. Europa macht dagegen gerade mal drei Prozent aus. Holger Schmidt spricht von einer Unwucht der Plattform-Ökonomie.
Den Grund für das starke Wachstum sieht Schmidt im Geschäftsmodell von Plattformen. Im Gegensatz zu anderen Geschäften, deren Wachstumskurve linear verläuft, generieren Plattformen Wachstum durch den Anschluss von mehr Partnern, die jeweils neue Kunden mitbringen und damit mehr Umsatz und wiederum mehr Partner generieren.
Dieses Geschäftsmodell ist jedoch in den ersten zwei bis drei Jahren nicht sehr gewinnträchtig, wächst allerdings danach stark an. In Deutschland hätten Unternehmen bisher zu wenig Geduld für dieses Modell mitgebracht, meint Schmidt. Sie würden zu früh den Stecker ziehen.
Alibaba langfristig größer als Amazon?
Amazon ist derzeit auf Platz vier der wertvollsten Unternehmen der Welt. Alibaba steht auf Platz acht. Beide Plattformen erwirtschaften ihre Umsätze hauptsächlich durch Daten, die sie durch ihr E-Commerce-Geschäft beziehen.
Holger Schmidt erklärt Alibaba zu der Plattform mit dem ausgereifteren Modell und bezieht sich damit auf die Einschätzung des MIT. Das Technologieinstitut sieht das chinesische Unternehmen auf Dauer vor seinem US-amerikanischen Konkurrenten. Das komplexe Verkaufssystem dient als Grundlage für die Datengeschäfte der Chinesen. Mittlerweile macht Werbung auf dem Marktplatz von Alibaba – ein Teil des Datengeschäfts – etwa 21 Milliarden US-Dollar aus.
Was macht Europa?
Und wo bleibt der europäische und insbesondere deutsche Markt im Kampf der Giganten? Holger Schmidt beschreibt die derzeitige Lage als „Europas letzte Chance im Konsumentenmarkt“. Wenn sich jetzt nicht ernsthaft und mit Nachdruck mit Plattformmodellen auseinandergesetzt wird, sieht Holger Schmidt für den europäischen Markt keine Chance mehr für den europäischen Markt, eine starke alternative zu den Big Playern aus Asien und den USA zu etablieren. Die Net ID und Verimi seien hier gute und wichtige Ansätze.
Kooperative Marktmodelle
Ähnlich wie Holger Schmidt, sieht es auch Jan Oetjen, Vorstand von United Internet (UI). Er erklärt in der ersten Panel-Diskussion des Tages die Vermarkter-Perspektive: „Wenn wir den Blutkreislauf der großen US-Player nutzen, um zu wirtschaften, geraten wir auf Dauer aufs Abstellgleis.“ Oetjen wirbt damit auch für die Login-Allianz Net ID, der UI angehört.
Aus Sicht der Werbetreibenden kommentiert Michael Busch, Chief Development Officer bei Carat Deutschland: „Werbetreibende wollen nicht auf Inseln arbeiten.“ Kooperative Marktmodelle seien hier wichtig und begrüßenswert.
” (Stephan Jäckel, Head of Business Development & Strategy, Emetriq)Advertising darf nicht zum Diktat durch Plattformen verkommen.
Der Wille für mehr Kooperation sei da, meint Oliver Vesper, Managing Director von Smartclip und SpotX. Aus seiner Sicht sei das auch bitter nötig, schließlich rechnet Vesper damit, dass sich in den nächsten Jahren etwa fünf große Ad Stacks etablieren werden.
Im Bereich Video-Vermarktung sieht Vesper noch Chancen für europäische Marktmodelle. Hier würden andere Anbieter als GAFA (Google Amazon Facebook Apple) immerhin 30 bis 40 Prozent ausmachen. Anders sähe es hingehen in anderen Märkten wie beispielsweise Südamerika aus, wo etwa 95 Prozent des Videomarktes durch die Big Player beherrscht würde.
Um gegen diese Größen im Advertising Business bestehen zu können, kann ein kooperatives Modell für Michael Busch nicht groß genug sein. Er sieht drei wichtige Vorteile gegenüber Walled Gardens:
- Content + Umfelder: Die großen Plattformen haben seither Probleme, hochwertige Inhalte und Umfelder zu bieten, wie es lokale Publisher und Vermarkter beherrschen.
- Mehr Transparenz: Es soll kein WalledGarden 2.0 entstehen.
- Tech-Agnostik: die neuen Modelle sollten offen sein und auch die Prüfng durch Dritte zulassen
Aktuelles Modellbeispiel: Net ID
Im Panel spricht Jan Oetjen die Net ID als kooperatives Marktmodell an. Klar, schließlich ist United Internet zusammen mit unteranderem SevenOneMedia und der RTL Mediengruppe teil der Allianz. Im Gegensatz zur anderen deutschen Login-Allianz, Verimi, soll jedoch die NetID keinen Gewinn durch Datenmodelle abwerfen und sich lediglich selbst tragen. Die Datenmodelle bleiben jeweils bei den teilnehmenden Publishern und Vermarktern.
Mit dem gemeinschaftlichen Ansatz möchte man den von Schmidt erwähnten Plattformeffekt verstärken und so möglichst schnell die erste Anfangsphase überwinden.
Oetjen erhofft sich durch die bereits große Basis an Login-Daten von Nutzern durch GMX, Web.de und Weiteren eine möglichst geringe Eintrittshürde für Nutzer.
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