Wenn Google die Regeln neu schreibt: DSGVO ist nicht gleich DSGVO
Mark Grether, 22. Mai 2018Es ist kein Geheimnis, dass Google den Großteil seines Umsatzes durch den Verkauf von Informationen seiner eingeloggten Nutzer erzielt: Die Fähigkeit, Inhalte mit den Konsumenten in Einklang zu bringen, ist der Schlüssel zum Erfolg von Google Search. Viele Verbraucher - auch ich selbst - genießen die kostenlosen Inhalte und Dienste, die Google anbietet und erst durch das werbefinanzierte Geschäftsmodell ermöglicht. Innerhalb weniger Jahre hat sich das Unternehmen von einem Start-Up für Internetsuche zu einem der aktuell dominantesten Player im Werbeökosystem gemausert - eine durchaus beeindruckende Leistung. Während viele Unternehmen im Onlinemarketingsektor heute mit der Umsetzung der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) hadern, schlägt Google einen Weg ein, der von allem einem hilft: Google.
Nun, da die Frist im Mai immer näher rückt, fragen sich viele Unternehmen, wie der Konzern aus Mountain View mit der Verantwortung umzugehen plant, die mit seiner unverhältnismäßig hohen Marktdurchdringung einhergeht. Grundsätzlich wären zwei Szenarios denkbar. Er könnte seine enorme Reichweite als globaler Publisher, führender Browser und führender Anbieter von Betriebssystemen nutzen, um Verbraucher aufzuklären und Zustimmung für die breite Palette an Drittanbietern einzuholen, deren Dienste den Rest der digitalen Welt unterstützen. Die Alternative hierzu wäre dementsprechend, dass Google seine Vormachtstellung dazu nutzt, die Entscheidungsvielfalt von Werbetreibenden so einzuschränken, dass diese nicht mehr problemlos auf die bevorzugten Publisher und Technologiepartner zugreifen können, sondern nur noch auf jene, die Google-zertifiziert sind.
Dystopisches Szenario oder bereits Realität?
Letzteres Szenario wäre insofern hochgradig problematisch, als dass Marketingverantwortliche darauf vertrauen, dass sie durch ein wettbewerbsfähiges Ökosystem von Adservern und Anbietern von Brand Safety-, Viewability- und Fraud Detection-Lösungen valide und einheitliche Insights über ihre Mediaausgaben bei unterschiedlichen Publishern erhalten. Wenn Google seine Dominanz unter dem Deckmantel der DSGVO ausüben würde, sähen sich die Agenturen mit zusätzlichen Kosten für die Nutzung der Dienste von Google belastet und die Publisher hätten weniger Auswahl bei ihren Partnern auf der Angebotsseite.
Google könnte die DSGVO-Gesetze als Vorwand nutzen, um Werbetreibende dazu zu zwingen, nur noch mit zertifizierten Anbietern zu arbeiten. Darüber hinaus könnte der Suchriese Publisher dazu drängen, nur von Google betriebene Lösungen zu verwenden, was letztlich den Wettbewerb im Keim ersticken würde. Warum all die Sorge und Schwarzmalerei? Ganz einfach, weil ein erster Schritt in diese Richtung bereits getan wurde. Vor kurzem hatte Google angekündigt, dass es die objektiven Messunternehmen auf den eigenen Websites einschränken würde. Als Reaktion auf einen allgemeinen Aufschrei von Vermarktern stimmte Google zu, einer begrenzten Anzahl von Anbietern zu erlauben, diese Third-Party Services für Käufer von Google-Inventar bereitzustellen. Wen man auf dieser Liste weiterhin vergeblich sucht, sind die Konkurrenten zu Googles eigenem Adserver.
Und das ist das eigentliche Problem. Google wählt im Wesentlichen Gewinner und Verlierer auf einem Spielfeld aus, das eigentlich ein Wettbewerbsmarkt sein sollte. Es wäre mit absoluter Sicherheit nachteilig für die gesamte Branche, wenn Google seine Marktposition dazu nutzt, darüber zu entscheiden, welche Inhalte in welcher Form präsent sein dürfen, welche Meinungen erwünscht oder unerwünscht sind und welche Geschäftsmodelle verifiziert und welche verboten werden. Das Internet hat viele Facetten der Unterhaltung, Kommunikation und des Handels grundlegend verändert, vorrangig auch wegen der konkurrierenden Startup-Landschaft - Facebook, Waze und Whatsapp waren alle noch vor kurzer Zeit neue Akteure.
Onlinemarketing - ein vielversprechender Wachstumsmarkt. Für alle oder für einen?
Die DMA und das IAB schätzen, dass allein in den USA jährlich mehr als 20 Milliarden Dollar für Third-Party Daten-gestützte Werbung ausgegeben werden. Ein sehr ertragreicher und gleichermaßen umkämpfter Markt, den Google hinsichtlich der DSGVO mit Sicherheit nicht kampflos aufgibt. Die Verordnung verlangt von Unternehmen eine rechtliche Grundlage für die Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten, einschließlich Cookies, mobiler Advertising-IDs und IP-Adressen. Die beiden wichtigsten Rechtsgrundlagen, auf die sich die meisten Werbeunternehmen verlassen, sind Zustimmung (Opt-In) und das berechtigte Interesse. Marketingzwecke werden als berechtigtes Interesse sogar explizit im Gesetzestext genannt.
Was wäre nun, wenn Google von allen Drittanbietern verlangen würde, nur dann zur Tat zu schreiten, wenn sie eine ausdrückliche Einwilligung (Opt-In) eingeholt haben, aber gleichzeitig verhindern würde, dass dieselben Anbieter überhaupt die Möglichkeit hätten, die Nutzer um ihre Einwilligung zu bitten? Was, wenn Google sogar noch weiter geht und Publishern empfiehlt, nicht mit Anbietern zusammenzuarbeiten, die nicht Google-verifiziert sind? Oder der absolute Worst Case: Den Publishern verbieten würde, mit nicht zertifizierten Anbietern zu arbeiten? In vielerlei Hinsicht deuten die jüngsten Aussagen und Bemühungen darauf hin, dass dies die Richtung ist, in die sie sich bewegen.
Unabhängigkeit und freier Wettbewerb als demokratisches Gut
Die gesamte Branche sollte die unterschiedlichen Meinungen unabhängiger Publisher sowie die freie Meinungsäußerung unterstützen, die große und stabile Demokratien benötigen. Wenn die neuen Richtlinien am Ende des Tages bedeuten, dass unabhängige Publisher sich an Google anpassen müssen, um überhaupt am Markt existieren zu können, dann ist in der Auslegung und Ausführung der DSGVO eindeutig etwas schiefgelaufen. Darüber hinaus scheint eine Politik, die personenbezogene Daten bei noch weniger Marktteilnehmern zentralisiert, den Grundprinzipien der Richtlinie deutlich zu widersprechen.
Im Idealfall würde Google seine Position nutzen, um Nutzer, Vermarkter und Publisher darüber aufzuklären, wie sie DSGVO-konform im Markt agieren können und damit dem gesamten Ökosystem auf den richtigen Weg verhelfen. Ich möchte nicht mehr auf die kostenlosen, werbefinanzierten Dienste von Google verzichten, aber genauso wenig möchte ich tatenlos zusehen, wenn die Stellung einzelner Akteure undemokratische Modelle forciert, die nicht der freien Marktwirtschaft entsprechen.
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