VDZ gegen ePrivacy und DSGVO: Unternehmen statt verwalten
Frank Puscher, 30. Mai 2018„Zersplittert und zerstritten haben wir keine Chance gegen die Internetgiganten Facebook und Google.“ Julia Becker, die seit Januar den Vorsitz des Aufsichtsrats bei der Funke Medien Gruppe führt, forderte im November des letzten Jahres ihre versammelten Kollegen nachdrücklich dazu auf, zumindest auf unternehmerischer Ebene die Intensivierung der Zusammenarbeit zu suchen. Wohlgemerkt nicht auf redaktioneller Ebene.
Der Aufschrei der Zeitschriftenverleger in Sachen DSGVO und ePrivacy wird immer lauter, in Brüssel geben sich die Lobbyisten der Verbände die Klinke in die Hand. Nur scheint der Effekt der politischen Agitation weitgehend auszubleiben. Im Gegenteil: Man bekommt das Gefühl, dass je lauter die werbungvermarktende Wirtschaft schreit, umso hartherziger werden die EU-Politiker.
Das mag auch damit zu tun haben, dass die Publisher immer nur eine Argumentationsrichtung kennen und die lautet: Datenschutz ist Freiheitsberaubung, zumindest hinsichtlich der möglichen Vermarktungsmodelle. Dabei zeigt gerade die soeben in Kraft getretene DSGVO, dass es höchste Zeit war, dass einige Publisher mal ihren Laden gründlich durchkehren, was die Tracking-Pixel und ausgespielten Cookies angeht. „Wir haben insgesamt 60 Tracking-Pixel und Cookies identifiziert, bei 20 von ihnen wissen wir gar nicht, wofür wir sie eingebaut haben“, bekennt ein Digitalmarketer hinter den Kulissen. Landauf, landab beschwören die Verleger, dass nur redaktionelle Qualität das Überleben langfristig sichern kann. Von der operationalen Qualität sprechen nur wenige.
Fakt ist: Wer saubere Opt-ins nach dem Bundesdatenschutzgesetz eingeholt hat, für den war DSGVO-Compliance gar nicht so schwer. Ein klares Newsletter-Opt-in bleibt erhalten und nutzbar, nur hat sich in vielen Verlagshäusern die Praxis eingeschlichen, in den Abonnentenkreis der Nachrichten-Newsletter-Empfänger auch reine Werbenewsletter für Drittfirmen einzustreuen. Diese als „Business-Informationen“ gekennzeichneten trojanischen E-Mails stehen zu Recht am Pranger.
Aber natürlich haben die Verleger Recht. Da hat man Jahre lang gebraucht, um zu verstehen, dass Datenmarketing eine spannende Erlösquelle sein kann, und nun fordert der Gesetzgeber, man möge doch beim Leser um Erlaubnis bitten, das tun zu dürfen.
„Targeted Advertising, lesergerechtes Ausspielen von Inhalten ist ohne Cookies nicht möglich“, meint Stephan Scherzer, der Hauptgeschäftsführer des VDZ, gegenüber im aktuellen Adzine Weekly Interview. Und damit liegt er natürlich falsch. Umfeld-Targeting, anonymes Behavioral Targeting oder redaktionelles Native Advertising sind natürlich möglich. Und faktisch existiert kein Cookie-Verbot.
Vielleicht ist es gerade diese holzschnittartige Form der Argumentation, die eine differenzierte Diskussion über den „richtigen“ Datenschutz verhindert. Nicht wenige Marketer haben derzeit ihre Datenexperimente auf „Halten“ gestellt, bis sich der erste DSGVO-Sturm gelegt hat. Da aber dennoch Werbegelder ausgegeben werden wollen, wären doch thematisch sauber abgegrenzte Umfelder mit klar identifizierbaren Zielgruppen ein vermarktbares Gut. Scherzer analysiert nämlich auch: „Die Reichweiten und die Nutzung der Inhalte sind ausgesprochen gut. Die Redaktionen binden die Leser durch nutzwertige und zielgruppengerechte Inhalte.“
Und das stimmt, zumindest wenn man die aktuellen Zahlen des VDZ liest. Analog geht weiter zurück, aber nicht mehr so schnell. Digital wächst. Die Medien haben ihre Hausaufgaben gemacht. Die aktuelle Cookie-Einwilligung des Hamburger Abendblatts (Funke Medien) unterscheidet sich unwesentlich von früher und führt explizit „personalisierte Werbung“ als Einwilligungsgegenstand. Wenn der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger tatsächlich der Meinung ist, dass dieses Erfordernis zu signifikantem Reichweitensterben führt, ist es mit dem Vertrauen in die redaktionelle Qualität und deren Attraktivität für die Leser nicht weit her.
Natürlich stärken DSGVO und ePrivacy die Login-Giganten. Und dagegen darf politisch opponiert werden. Aber die DSGVO ist seit zwei Jahren Gesetz. Wo sind die ausdifferenzierten Subscription-Center, mit denen sich die Publisher qualitativ wertvolle Daten holen könnten? Selbst die Login-Allianzen Verime und NetID scheint der VDZ eher aus der Ferne zu beobachten: „Es sind zwei unterschiedliche Ansätze, die sich beide am freien Markt beweisen müssen. Wie so oft: Der Kunde wird entscheiden, ob Nutzwert und Sicherheit für ihn im Einklang sind.“
Scherzer fordert von den Allianzen, sie sollen „Transparenz herstellen, wie mit den Daten umgegangen wird, welchen Nutzen der Kunde hat und welche Vorteile daraus entstehen“. Eine ziemlich generische Forderung, wenn man bedenkt, dass die Zeit drängt. Außerdem will ja NetID gar keine Daten speichern, sondern überlässt das den Publishern.
Genau jetzt wäre der richtige Zeitpunkt, um die Verlagshäuser auf eine potentiell scharfe ePrivacy-Regulierung vorzubereiten. Branchenverbände tun derzeit gut daran, sich vor allem gegenüber kleineren Mitgliedern als kompetenter Berater in Sachen digitalem Wandel zu positionieren. Das können die Kleinen selbst kaum leisten und das wäre ein Schritt in Richtung der von Julia Becker gewünschten unverzichtbaren Kooperation.
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