Datenvermarkter Q division zur DSGVO: „Wir werden Datenverluste hinnehmen müssen.“
16. Mai 2018Q division ist seit Januar 2016 am Markt und vermarktet sogenannte Intentdaten, also Kaufabsichten, die Q division aus Kooperationen mit Online-Shops aggregiert und über eine DMP Werbetreibenden für den programmatischen Einkauf anbietet. Doch welche Zukunft hat ein Datenvermarkter ab dem 25. Mai, wenn die DSGVO in Kraft tritt? Dazu sprachen wir mit der Q division Geschäftsführerin Melanie Vogelbacher.
ADZINE: Frau Vogelbacher, Q divisons Kerngeschäft ist der Handel mit Intentdaten ihrer E-Commerce-Partner. Wie haben Sie sich bei Q division auf die DSGVO vorbereitet? Kann Q division sein Geschäft ab dem 25.05. ohne größere Probleme fortführen? Haben Sie dann überhaupt noch genug Daten?
Melanie Vogelbacher: Die DSGVO ist für uns herausfordernd, da wir Teil einer sehr komplexen Wertschöpfungskette sind, was der Gesetzgeber womöglich nicht bedacht hat. Das Angebot ist ein Zusammenspiel vieler Dienstleister, die teilweise sehr unterschiedliche Anforderungen formulieren und unterschiedliche Auffassungen vertreten. Wir müssen daraus einen Konsens zwischen unseren Datenpartnern, deren Nutzern, uns und unseren Partnern im Programmatic Advertising finden.
Wir sind mit der Umsetzung in den finalen Zügen. Datenschutzerklärungen sind überarbeitet und dem Nutzer bieten wir leicht zugängliche Möglichkeiten, seine Einwilligung zu geben oder zu widersprechen. Beim Großteil der Datenpartner ist die Umsetzung vor allem Fleißarbeit und zeitintensiv, einige Datenpartner verlieren wir, da die Datenerhebung entweder zu riskant ist oder der Aufwand in keinem Kosten-Nutzen-Verhältnis steht. Wir werden Datenverluste hinnehmen müssen, aber immer noch über genug Volumen verfügen, um unser Geschäft weiter voranzutreiben.
ADZINE: Verfolgen Sie auch das, was die obersten Datenschützer in Deutschland von sich geben? Der DSK hat sich ja unlängst per Positionspapier festgelegt und dem „berechtigten Interesse“ als Rechtfertigungsnorm einen Korb gegeben, arbeiten denn alle Ihre Partner bereits mit Einwilligungen, auch in Bezug auf die Weitergabe ihrer Profildaten?
Vogelbacher: Ja, ich verfolge die Entwicklungen sehr genau – leider mit Entsetzen. Es ist kein gutes Zeichen für ein neues Gesetz, wenn die Verantwortlichen, die die Einführung begleiten und überwachen, selbst Unsicherheiten in der Auslegung zeigen und damit untermauern, dass die Gesetzgebung der Komplexität unserer Branche nicht gewachsen ist. Vor allem der Zeitpunkt der Veröffentlichung ist mehr als unpassend. Der Düsseldorfer Kreis ist jedoch nicht die Legislative, die durch Rechtsprechung den Gesetzestext übersetzen muss. Wir werden erst in den kommenden Monaten und Jahren wissen, auf welcher Rechtsgrundlage aus TMG, TKG und DSGVO wir in Deutschland arbeiten können. Bis dahin bieten wir unseren Datenpartnern die Option, sich zwischen der Rechtsgrundlage basierend auf berechtigten Interessen und Einwilligung zu entscheiden. Wir unterstützen Sie inhaltlich und technisch mit einer eigens entwickelten Consent Management Platform, damit alle Vorgaben des Gesetzgebers erfüllt werden, sowohl für Opt-in als auch für Opt-outs. Einige Datenpartner müssen wir jedoch strenger handhaben, je nach Art der erhobenen Daten ist nur noch mit Einwilligung zu arbeiten. In jedem Fall sind alle von uns erhobenen Daten pseudonymisiert, was den Nutzer schützt und seine Identität wahrt. Arbeiten wir auf Basis berechtigter Interessen, verzichten wir zudem auf einige Prozesse und Vermarktungsansätze, die die Argumentation gefährden könnten. Wir nehmen das Thema sehr ernst.
ADZINE: Wie sehen Sie in diesem Zusammenhang das Verhalten von Google, das ja schon jetzt von allen Partnern eine Einwilligung verlangt und sich zudem auf zwölf Adtech-Anbieter beschränken will. Hat das auch Einfluss auf Ihr Business?
Vogelbacher: Es ist eine absolute Katastrophe. Und das aus zwei Blickwinkeln. Erstens zeigt sich hier die Dominanz der Marktmacht, denn Google dominiert mit seinen Diensten nicht nur an vorderster Front das Angebot an die Nutzer, sondern auch die Technologiedienste im Hintergrund vieler deutscher Player. Das betrifft Analysedienste ebenso wie Adserver, den programmatischen Werbemitteleinkauf. Google entscheidet nun, welcher Dienst überleben wird und welcher nicht. Das ist das Todesurteil für viele.
Wir selbst können, sollte die Ankündigung wahr werden, auf Google-Dienste in unserer Wertschöpfungskette verzichten und würden das auch tun.
Die zweite Perspektive ist die der User. Arbeiten Dienste einwilligungslos, auf Basis berechtigter Interessen, so gibt es einen klaren gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich bewegen können. Gibt der Nutzer seine aktive Zustimmung, ist es naheliegend, dem Nutzer mehr abzuverlangen, als der einwilligungslose Rahmen ermöglicht. Wenn Google auf jeder Seite, die Google-Dienste nutzt, Einwilligungen einholt, die Information an die Identität des Nutzers koppelt, dann gibt es ein privates Unternehmen auf der Welt, dass nun auch restlos alles über jeden einzelnen Internetnutzer dieses Planeten weiß. Und das mit Zustimmung des Nutzers, der letztlich keine echte Wahl hat. Die Tatsache bereitet mir, die beruflich mit datenbasierten Geschäftsmodellen arbeitet, Sorge. Vor 30 Jahren ist die Generation vor uns wegen ganz anderer – und im Vergleich dazu – nichtigerer Themen auf die Straße gegangen und hat protestiert. Und was machen wir? Sind gleichermaßen ohnmächtig wie gleichgültig.
ADZINE: Beim Datenhandel im Programmatic Advertising hört man immer wieder, dass es mit der Datenqualität nicht zum Besten stünde. Wie überprüfen Sie bei Q division die Datenqualität. Bekommen Ihre Kunden immer das, was sie einkaufen, und welchen Einfluss könnte hier die GDPR haben?
Vogelbacher: Datenqualität ist gerade bei Buying Intent wichtig. Wir beziehen unsere Daten aus erster Hand und können daher sicherstellen, dass wir das Targeting so spitz halten, wie der Kunde möchte. Da wir die Datenquellen offenlegen, können unsere Werbekunden selbst nachvollziehen, woher die Daten kommen. Und da wir nicht hochrechnen und Algorithmen anwenden, handelt es sich immer um harte, echte Daten. Die DSGVO hat darauf keinen Einfluss.
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