Anwendungsszenarien für Machine Learning im programmatischen Mediahandel
Jens von Rauchhaupt, 2. Mai 2018Die rasante Entwicklung des Machine Learnings und der Künstlichen Intelligenz (KI) ergreift zunehmend die programmatischen Handel. Das geht inzwischen soweit, dass der Berufsstand der Mediaeinkäufer im Programmatic Buying (Trader) befürchten muss, früher oder später durch pfiffige Algorithmen und somit durch Maschinen ersetzt zu werden. Ganz so weit ist es noch nicht. Es gibt jedoch die ersten Anwendungsszenarien von Maschine Learning, die eine tiefgreifende Veränderung im Mediahandel erahnen lassen.
Der Plattformanbieter AppNexus aus New York hat sich dem Thema KI und Maschine Learning in einem neuen Trendpapier gewidmet und sich darüber Gedanken gemacht, wie die Zukunft des Anzeigenhandels mit KI und Machine Learning aussehen kann und wie sich damit die Aufgabenverteilung zwischen Mensch und Maschine verändern wird.
AppNexus versteht den Einsatz dieser Technologien als nächste Evolutionsstufe im automatisierten Mediaeinkauf, wo Mensch und Maschine jeweils ihre Stärken ausspielen sollen. „Dafür muss es für die Anwender programmatischer Systeme viel einfacher gemacht werden, die wirklich wichtigen Ziele und Stellschrauben zu definieren, damit Algorithmen dann effektiv die Mikroentscheidungen übernehmen können“, sagt Marius Rausch, VP & Managing Director Central Europe bei AppNexus.
Die New Yorker glauben, dass Machine Learning vor allem bei der Kampagnenoptimierung eine zunehmend wichtigere Rolle spielen wird, während Intuition und Erfahrung der Mediaeinkäufer nach wie vor im Zentrum der Kampagnenplanung stehen. „Wir sind der Überzeugung, dass Machine Learning die Basis zukünftiger DSPs bilden wird. Entscheidend für diesen Wandel wird die Unterscheidung sein, an welcher Stelle eine Maschine besser geeignet und wo Menschenkenntnis und Ideenreichtum erforderlich ist.“ subsumiert AppNexus in seinem Trendpapier „The Future of Trading“.
Vier Bereiche hat AppNexus ausgemacht, wo zukünftig Algorithmen und Machine Learning im automatisierten Mediaeinkauf Einzug halten werden:
1. Pacing
Werbetreibende erwarten Ergebnisse. Diese allerdings am besten gleichmäßig verteilt über die Kampagnenlaufzeit. Machine Learning kann eine effiziente, gleichmäßige Zielerreichung gewährleisten, die Zeitzonen, Marktbedingungen für verschiedene Arten von Inventar und viele weitere Trends und Parameter berücksichtigt. Eine manuelle Optimierung nach unzähligen einzelnen Parametern, eine darauffolgende Analyse und schließlich die Anpassung der einzelnen Kampagnenbausteine kostet Trader immer noch zu viel Zeit.
2. Discovery
Bereits vom ersten Moment einer Kampagne an kann Machine Learning das perfekte Gleichgewicht zwischen Ausgaben für die Auslieferung auf Inventar mit nachgewiesen guter Leistung und der Allokation von Budget für die Erkundung neuer Domains finden. Dies ist besonders zu Beginn von Kampagnen hilfreich, wenn die Performance in der Regel noch zu wünschen übriglässt, während Trader mit begrenzten Informationen ihre Strategie entwickeln.
3. Supply-Path-Optimierung
Ein großes Problem, das sich in den letzten Jahren durch Header-Bidding ergeben hat, ist eine Überschwemmung des Marktes mit doppelten Impressions. Einzelne Werbeplätze werden jetzt von unterschiedlichen SSPs gleichzeitig angeboten. Dadurch wird es deutlich schwerer, den optimalen Pfad zur gewünschten Impression ausfindig zu machen. Selbst wenn ein Trader die Zeit hätte, die einzelnen Impressions jeweils manuell zu prüfen, würde es unmöglich sein, herauszufinden, welcher Anbieter letztlich der beste ist. Machine Learning kann hier den effizientesten Weg zu einem bestimmten Inventar ermitteln und berücksichtigt dabei außerdem Kosten für 3rd Parties sowie die Qualität des Inventars.
4. Bid-Price-Optimierung
Komplexität in der Gebotsstrategie gesteigert. Algorithmen können für jede Impression die optimale Strategie umsetzen und dabei dynamisch auf die unterschiedlichen Auktionstypen reagieren.
AppNexus beschwichtigt in seinem Trendpapier die Gemüter. Der US amerikanische Adtech Anbieter glaubt nicht an ein Wegrationalisieren des Mediaeinkäufers an den Einkaufsplattformen. Vielmehr würden diese mit Unterstützung der neuen Technologien, mehr Zeit für eine übergeordnete Strategie-Entwicklung und die Anpassung ihrer Kampagnen an die individuellen Geschäftsbedürfnisse jeder Marke haben.
Bei Iotec, einer DSP aus Großbritannien, geht man allerdings schon etwas weiter. Hier werden Machine Learning- und insbesondere Deep Learning-Algorithmen bereits als strategisches Mittel verstanden, um eigenständig Muster in Rohdaten zu identifizieren. Wie AppNexus verspricht sich Iotec davon vor allem mehr Effizienz. „Im Programmatic Advertising kann eine solche Technologie dabei helfen aus den rohen Daten zu Rezipienten- und Konsumentenverhalten, Werbemittelplatzierungen, historischer Kundendaten und Umfeldern, Charakteristika einer gesuchten Zielgruppe zu identifizieren“, erläutert David von Hilchen, DACH-Chef von Iotec in einem ADZINE Interview.
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