Die knapp 350 Gäste auf dem Mobile Ad Summit waren wohl die Ersten, die mit einer Hiobsbotschaft aus Düsseldorf konfrontiert wurden. Angeblich plant der Düsseldorfer Kreis (DSK), also das Gremium der 16 Datenschutzbehörden der Bundesländer, eine verschärfte Interpretation der neuen Datenschutzgrundverordnung. Und auch sonst war der Umgang mit dem neuen europäischen Datenschutzrecht ein großes Thema auf der Leitkonferenz im Mobile Advertising.
Eigentlich ist die DSGVO thematisch schon durch, so dachte man, und es ist eher die noch ausstehende E-Privacy-Verordnung, die der Branche zu schaffen macht. Weit gefehlt, wer am Training Day und dem Konferenztag des Mobile Ad Summits teilgenommen hatte, wurde eines Besseren belehrt. Es brodelt überall.
Das Interesse um die neue DSGVO-Rechtslage war schon am Training Day des Mobile Ad Summits riesig. Die neuen Bestimmungen des europäischen Datenschutzrechts treten bekanntlich am 25. Mai in Kraft. Viele Unternehmen befinden sich diesbezüglich im Endspurt, ohne dabei wirklich alles schon entsprechend der kommenden Gesetzeslage umgestellt zu haben. Das DSGVO-Seminar von Rechtanwältin Marlene Schreiber von der Kanzlei HÄRTING Rechtsanwälte musste aufgrund der hohen Nachfrage kurzerhand ins Foyer der Berliner Kulturbrauerei verlegt werden. Die Rechtsanwältin zeigte dezidiert auf, wann nun eine Einwilligung vorliegen muss und wann beim Werbetracking und der Verarbeitung personenbezogener Nutzerdaten ein berechtigtes Interesse ausreicht, also keine Einwilligung vorliegen muss. Nach Rechtsauffassung der Anwältin bedarf es beim so wichtigen Cross-Channel-Tracking immer einer Einwilligung des Nutzers.
Das erklärt auch, warum sich im Moment so viele US-amerikanische Cross-Channel-Spezialanbieter aus Europa zurückziehen. Denn gerade sie werden diese Bestimmungen nicht erfüllen können, da sie selbst keine Einwilligung vom Nutzer einholen können. Und es erklärt auch, warum in den letzten Wochen so viele Single-Sign-on-Anbieter ihre Geschäftsbedingungen geändert haben, damit ihnen bis zum 25. Mai eine entsprechende Einwilligung vorliegt.
Der Themenkreis „Einwilligung und berechtigtes Interesse“ im Sinne des Art. 6 DSGVO war auch Schwerpunkt des BVDW-Justiziars Michael Neuber am Konferenztag. Im Kern ging es um das Geolocation Targeting im Licht der DSGVO. Allerdings musste Neuber von einer neuen Entwicklung berichten. Denn der Düsseldorfer Kreis hatte offenbar seit Montag, dem 23. April getagt. Nunmehr steht generell der Ausnahmetatbestand „berechtigtes Interesse“ auf der Kippe. Die obersten deutschen Datenschutzhüter der Bundesländer planen offenbar, dass beim Werbetracking immer eine Einwilligung vorliegen muss und ein berechtigtes Interesse wie im letzten Satz des Erwägungsgrundes 47 DSGVO keine zwingende Legitimation für eine Datenverarbeitung ist. Dort steht eigentlich: „Die Verarbeitung personenbezogener Daten zum Zwecke der Direktwerbung kann als eine einem berechtigten Interesse dienende Verarbeitung betrachtet werden.” Wird dies nun also durch die Datenschützer gekippt? Die Frage bleibt noch unbeantwortet. Denn derzeit ist noch gar nicht klar, wie weit der DSK mit diesem Beschluss ist, was wiederum die Verunsicherung in der Branche nicht gerade mindert.
Und diese Verunsicherung war vor allem bei den Publishern schon zu Beginn der Konferenz auf einem Höhepunkt. Der Grund dafür ist Google und ein Call von Google DoubleClick, der vor einer Woche mit knapp 60 deutschen Publishern stattgefunden haben soll. Google will offenbar alle Publisher aus der Vermarktung nehmen, die nicht bis zum 25. Mai eine Einwilligung (Consent) der Nutzer vorweisen können. Entweder wusste man bei Google schon mehr oder der Werbegigant will aufgrund der hohen Strafen, die aus der DSGVO resultieren können, auf der ganz sicheren rechtlichen Seite stehen. Für die Publisher und ihre Vermarkter wird es also nun darum gehen, schleunigst eine Einwilligung der Nutzer einzuholen.
Eigentlich gar nicht geplant, wurde so die DSGVO und das Verhalten von Google auch Kernthema des Mediapanels mit Bastian Schwärmer von Initiative, Martin Michel von SKY Media, Arndt Groth von Smaato und Berater Oliver von Wersch. Oliver von Wersch äußerte darin seine größten Bedenken, wie die Publisher sich zukünftig noch über Werbung monetarisieren können. Arndt Groth beschwichtigte und stellte klar, dass auf der Smaato-Plattform die Einwilligung über eine SDK sowieso eingeholt werden würde. Die zuweilen hitzig geführte Diskussion spiegelte die generelle Verunsicherung in der Branche wider an der auch Google einen Anteil hat. Oliver von Wersch resümierte nach dem Panel: „Google hat mit seinem Vorstoß, dass für personalisierte Werbung Zustimmung eingeholt werden muss, seine B2B-Partner in Europa komplett überfahren. Dabei geht es weniger um die Rechtsauffassung, die man durchaus kontrovers debattieren kann und bei der zukünftige Guidance vom Gesetzgeber und Datenschutzbehörden erforderlich sein wird, sondern vielmehr um ein Geschäftsgebaren, in dem mit kurzen Vorlaufzeiten Marktmacht demonstriert werden soll, weil kaum ein Publisher in so kurzer Zeit den erforderlichen Consent einholen kann. Der Effekt könnte einer der größten Umbrüche in der Adtech-Landschaft der letzten Jahre sein - und ein Rückfall von Google zum bad guy image bedeuten."
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