Vor etwa zwei Jahren hat Facebook mit der Integration von Chatbots in den Messenger den Weg bereitet, den viele Marketer jetzt gehen. Mittlerweile haben zig Unternehmen einen Bot erstellt, der anstelle von Mitarbeitern vollautomatisiert und in Echtzeit mit den Kunden in Kontakt tritt. Doch wie entwickelt sich das Bot-Geschäft und welche Rolle werden Sprachassistenten dabei spielen?
Den Durchbruch im Marketing schafften Chatbots 2016, als Facebook den „Messenger Bot Store” vorstellte und gleichzeitig verkündete, dass die Messenger-Plattform eine Schnittstelle für die Bot-Integration eröffnen wird. Im Oktober 2016 wurden bereits 30.000 Chatbots integriert und auf der darauffolgenden Facebook-Konferenz im April 2017 gab Facebook bekannt, dass bereits über 100.000 Chatbots in die Messenger-Plattform integriert wurden.
Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Eintrittshürden verschwindend gering geworden sind. Natural-Language-Processing-(NLP-) und Machine-Learning-Plattformen sind durch Angebote von Google, IBM etc. nicht mehr einem kleinen Kreis vorbehalten. Mit vergleichsweise geringem Aufwand können so Bots erstellt werden, die durch künstliche Intelligenz Synonyme verstehen, Tippfehler abfangen und den Kontext von Anfragen erkennen können.
Messenger, Website oder Smartspeaker?
Der Einsatz von Chatbots beschränkt sich jedoch nicht nur auf Messenger wie den von Facebook. Tatsächlich nutzen Firmen auch auf ihren Webseiten die Bots, um Kundenanfragen aufzufangen und erste Hilfestellungen zu geben, bevor ein menschlicher Mitarbeiter bei komplexeren Fragen übernimmt.
Michelle Skodowski, Co-Founder vom Softwareentwickler für Conversational Interfaces Botfriends, sieht jedoch für das Marketing die Zukunft eher im Messenger-Bereich: „Bei vielen Unternehmen wird der Einsatz von Chatbots auf der Webseite zunächst präferiert. Allerdings verbringen Nutzer 90% ihrer Zeit auf Smartphones auf E-Mail- und Messaging-Plattformen. Zudem haben Plattformen wie Facebook Messenger 1,3 Milliarden Nutzer und WeChat über 900 Millionen. Dementsprechend macht es Sinn, dort als Unternehmen aktiv zu sein, wo die Nutzer die meiste Zeit verbringen.“
Bahar Jawadi Arjomand, CIO der Digitalagentur INTEGR8, sieht die Vorteile von Chatbots auf Webseiten vor allem als ergänzenden Service. Im Messenger würde sich dagegen ein komplett neuer Marketingkanal öffnen: „Jede Plattform hat ihre Vor- und Nachteile. Auf einer Website hat man viel mehr visuelle Möglichkeiten – man kann den Bot gemäß der eigenen CI gestalten und nahtlos im Websitedesign einbetten. Man kann User gezielt erreichen und die Website sinnvoll und effizient ergänzen. Auf Facebook wiederum kann man eine langfristige Beziehung aufbauen. Sobald der User einmal mit dem Bot kommuniziert hat, kann man ihn – unter Auflagen – erneut kontaktieren. Man kann den Bot also als völlig neuen Kommunikationskanal nutzen.“
Sprachaktivierte Bots wären dagegen mehr für alltägliche Dinge geeignet, wie Musik abspielen, das Licht anmachen oder schnell ein Taxi bestellen. Komplexere Prozesse wie die Abwicklung von Bewerbungen oder den Einkauf sind derzeit dagegen noch sehr aufwendig und zeitintensiv oder schlichtweg noch nicht möglich.
Alternative Einsatzszenarien
Chatbots können das Buchen von Angeboten wie Taxis, Flügen oder Hotelzimmern erleichtern oder einfach bei der Suche auf einer Webseite behilflich sein. Und tatsächlich werden in Asien alltägliche Dinge wie die Vereinbarung von Arzt- bzw. Friseurterminen oder das Bezahlen in Läden über die Messenger-Plattform WeChat abgewickelt.
Die Einsatzszenarien sind jedoch nicht auf das Buchen von Angeboten beschränkt. So hat erst kürzlich der IT-Dienstleister Adesso für Mercedes einen Bot entwickelt, der quasi als Anleitung für das neue Auto dient. So kann der Autofahrer mit dem Chatbot „Mercedes“ via Smartphone-App kommunizieren und ihm Fragen rund um die Nutzung seines Wagens stellen: Was ist das für eine Taste in der Mittelkonsole? Wie kann ich mein Handy mit dem Fahrzeug koppeln? Was heißt „Sport+“?
Der Bot reagiert dabei nicht nur auf Sprache, sondern auch auf Bilder. Der Fahrer kann so den Innenraum mit der Kamera des Smartphones scannen und erhält zusätzlich zum Kamerabild computergenerierte Erklärungen rund um Ausstattung, Bedienung und Funktionalität seines neuen Wagens. Das Ganze multimedial angereichert mit Text, Bild, Video oder Link zu Webinhalten und YouTube-Videos.
Ersetzt Sprache Schrift?
Auch wenn die Integration von Chatbots mit Hilfe von Sprachassistenten gerade durch die Popularität von Smartspeakern in aller Munde ist, erwartet Michelle Skodowski, dass auch Messenger-Bots ihre Daseinsberechtigung behalten werden: „Wir denken schon, dass sich Messenger-Chatbots langfristig etablieren können, da es viele Anwendungsfälle gibt, in denen sich Messenger-Bots besser eignen als sprachaktivierte Chatbots. Das trifft vor allem auf jene zu, die unterwegs sind. Wer möchte schon laut in der U-Bahn mit seinem Handy sprechen?“ Für das häusliche Umfeld eigneten sich sprachaktivierte Bots dagegen besser.
Ob sich allerdings alle Use Cases auch mit Sprachbots umsetzen lassen und sie dadurch Chatbots ersetzen können, sei fragwürdig, meint Skodowski. Man könne nicht so einfach einen Chatbot auf Voice ummünzen. „Die Inhalte sollten stets reflektiert werden, um die User Experience sicherzustellen. Im Grunde gibt es viele Conversational-Design- & User-Experience-Kriterien, die bei Voice anders sind als beim Messenger.“
Auch aus technischer Sicht gibt es aktuell keine Lösung auf dem Markt, bei der man alle Sprachassistenten gleichzeitig integrieren kann. Wer auf Googles NLP-Plattform arbeitet, kann seinen Bot nicht so einfach auf Amazons NLP-Plattform Lex übertragen. Innerhalb der jeweiligen Plattformen lassen sich Chatbots jedoch mit wenig Aufwand auf Voice umbauen – solange die User Experience danach noch stimmt.
Was bringt die Zukunft?
„Viele Teile des Kundenservice werden von Bots übernommen werden, ohne dass das den Usern besonders auffallen wird“, ist sich Bahar Jawadi Arjomand sicher. „Vor allem Prozesse, die sich automatisieren lassen, werden hiervon betroffen sein. Das Ergebnis wird ein besserer Kundenservice und eine Entlastung von Unternehmen in dieser Hinsicht sein.“
Und die nächste Weiterentwicklung von Chatbots steht schon in den Startlöchern. So könnten Rich Communication Services (RCS), eine Art Erweiterung der SMS, den nächsten Schritt nach vorne ermöglichen. Skodowski berichtet: „Google arbeitet zum Beispiel eng mit Mobilfunkanbietern und Originalherstellern von Mobilgeräten zusammen, um einen nativen Messaging Client für Android-Nachrichten anzubieten. Das heißt Unternehmen können jetzt auch mit ihren Kunden ohne Zugang zu Facebook oder anderen Messaging-Plattformen automatisiert kommunizieren, indem sie Chatbots in das 'SMS Interface' integrieren.“
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