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MARKETING ENTSCHEIDER

Im Portrait: Ronny Neumann, Consumer Channel & Digital Marketing, Goodyear Germany

Sandra Goetz, 14. März 2018
Foto: Ronny Neumann / Goodyear Dunloop Tires

Sieht so die Zukunft von Autoreifen aus? Der Reifenhersteller Goodyear hat auf dem 88. Genfer Autosalon einen neuen Konzeptreifen namens „Oxygene“ vorgestellt, der u. a. während des Fahrens die Umgebungsluft reinigen soll – und schon wird der Moos-Reifen über die Fachpresse hinaus als Alleskönner gefeiert. Ein Autoreifen? Ja. Denn um das Produkt „Reifen“ in die Zielgruppe zu bringen, muss man sich in vielerlei Hinsicht etwas einfallen lassen. „Reifen ist nicht so ein viel geliebtes Produkt wie ein iPhone, ein Samsung oder ein Pullover“, sagt Ronny Neumann, der das digitale Marketing von Goodyear Dunlop in der DACH-Region betreut. Und Spaß daran hat, ein noch vergleichsweise altbackenes Marketingverständnis im B2C-Geschäft aufzubrechen.

Nach dem Abitur absolvierte der Frankfurter ein duales Wirtschaftsstudium bei der Continental AG in Hannover. Zuerst machte er seinen BA in Business Administration, dann setzte Neumann einen Master in International Management obendrauf. Semesterferien hat Ronny Neumann nie kennengelernt. „30 Tage Urlaub im Jahr, das war’s“, sagt der Reifenexperte. Von Continental, der nach Bosch der größte Autozulieferer der Welt ist, ging es zur DACH-Dependance von Goodyear, dem weltweit drittgrößten Reifenhersteller. Rund 7.400 Mitarbeiter produzieren an sechs Standorten in Deutschland etwa 30 Millionen Reifen pro Jahr. Bei Goodyear ist Ronny Neumann für das Marketing im Sell Out Channel verantwortlich. Hierunter fallen B2C-Kunden, somit Reifenhändler, Autohäuser, B2C-Onlineplayer und das digitale Marketing.

Was ist das Spannende am digitalen Marketing?

„Ich bin einer der letzten, die nicht von der Wiege an mit Smartphone und Computer aufgewachsen sind“, lacht der 31-Jährige. „Mich faszinieren die Möglichkeiten, die das digitale Marketing bietet. Bei Continental war ich im Bereich CRM unterwegs; hier, bei Goodyear, kann ich mein Know-how wunderbar mit dem digitalen Marketing verbinden. Mittlerweile gibt es unzählige Möglichkeiten, im Bereich Targeting unterschiedliche Daten zu nutzen. Seit 2015 arbeiten wir mit den Datenexperten von Q Division zusammen, und es ist immer wieder spannend zu sehen, was für Möglichkeiten unser Dienstleister entdeckt, um neue Datentöpfe anzuzapfen. Darüber hinaus finde ich die gesamte Messung total interessant. Hat die Kampagne funktioniert? Wie viele Leute haben geklickt? Wie viele Conversions haben wir? Et cetera.“

Was sind die Herausforderungen für Goodyear Dunlop?

„Es gibt viele. 60 Prozent der Autofahrer wissen nicht, mit welcher Reifenmarke sie fahren. Deswegen ist es extrem wichtig für uns, den Reifenhändler genau zu kennen, denn dieser hat einen großen Einfluss auf die Kaufentscheidung“, sagt Ronny Neumann.

Zweitens weist der Autoreifenmarkt laut Neumann generell Besonderheiten auf, die andere Branchen so nicht kennen: Der Bedarf an neuen Autoreifen entsteht nach einer Neuwagenanschaffung erstmals nach vier Jahren und danach zyklisch. Zwar gäbe es Hochphasen im März und April sowie im Oktober und November, aber immer mehr Konsumenten kaufen antizyklisch zu geringeren Kosten. Von rund 24 Millionen privat gefahrenen Pkw suchen jährlich etwa fünf Millionen Privatpersonen nach neuen Autoreifen – in einer Kaufentscheidungsphase von gerade einmal fünf bis 14 Tagen.

„56 Prozent der Käufer informieren sich zuvor online über Angebot, Qualität und Preislage, zum Beispiel in Reifenwebshops, auf Ratgeber- und Preisvergleichsseiten“, weiß Experte Neumann. Ein Grund, weshalb Goodyear sich im letzten Jahr entschlossen hatte, eine via Q Division programmatisch ausgelieferte Online-Display-Kampagne auf Desktop-PCs und mobilen Endgeräten für Sommer- und Ganzjahresreifen auszuspielen. Zeitrahmen war Anfang April bis Mitte Mai 2017.

„Die Zielsetzung war, dem verringerten Produktinteresse und dem langen und individuellen Kaufzyklus mit einer Fokussierung auf die aktive Kaufentscheidungsphase zu begegnen“, sagt Neumann. Die Kampagne? Ein Erfolg! „Die Conversion Rate war doppelt so hoch wie bei einer vorangegangenen Kampagne im Herbst. Auch der ROI verbesserte sich im Vergleich zu diesem Flight um 188 Prozent“, freute sich auch Datendienstleister Q Division.

Dieser Erfolg darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass „wir es im Reifenbereich noch mit sehr altbackenen Methoden zu tun haben; viele unserer Händler sind noch offline unterwegs, besonders in ländlichen Gebieten. Denen ist ein Poster in ihrem Verkaufsraum lieber als eine Online-Kampagne. Auch deswegen ist es für uns im Marketing spannend, Tests zu fahren“, so Experte Neumann, für den Basisarbeit zum täglich Brot zählt.

„Wir haben Kunden, die bereits Google-AdWords-Kampagnen nicht verstehen und fragen: ‚Wat is’n dat?‘ Wenn ich mit Display- und Third Party Targeting anfange, kann mir der Kunde nicht mehr folgen“, so Neumann. Ein Grund mehr, warum sich die B2C-Kollegen vom Mikromarketing eher fernhalten. „Es gibt Kunden, die sind extrem up to date, das sind natürlich die Online-Player und die großen Autohäuser, und es gibt Händler, die erreichen wir eher über unser ‚FC Bayern München‘-Sponsorship“, erklärt der Frankfurter.

„Ich glaube, dass der Trend bzgl. Personalisierung und Individualisierung noch nicht ausgeschöpft ist. Auch, wenn beispielsweise Nike personalisierte Sneaker anbietet, fehlt mir persönlich noch der individuelle Touch“, sagt Ronny Neumann. Und fügt hinzu, dass „auch wir da rangehen müssen“.

Internet of Things, IoT, ist ein weiterer Trend, den „Mister Goodyear“ sieht: „Wie kann ein Reifen am Ende mit dem Auto kommunizieren?“ Das ist eine Frage, die die Reifenhersteller umtreibt. Die ersten Piloten gibt es. Mit dem Ökoreifen „Oxygen“ kann Goodyear Furore machen. Nämlich dann, wenn sich die Autofahrer für Relevanz und Individualisierung ob dieses Autoreifens interessieren.

Der dritte Trend ist laut Neumann auch eine Unternehmensherausforderung: „Was am digitalen Marketing ist wirklich relevant?“ „Lohnt es sich, auf jeden Zug aufzuspringen?“ – „Unsere Marketingbudgets sprießen nicht aus dem Boden, wir müssen rechnen“, sagt Ronny Neumann. Und freut sich auf seine nächste Kampagne – und den nächsten Händler.

Bild Sandra Goetz Über den Autor/die Autorin:

Sandra Goetz ist seit 2006 als freie Autorin für ADZINE an Bord. Ihr Fokus liegt auf Interviews zu aktuellen Innovationsthemen im digital Media und Marketing. Außerdem schaut sie sich bei ihren Auslandsreisen immer wieder nach spannenden Geschichten aus der globalen Marketing-Welt um, Interviews inklusive. Seit 2016 verantwortet Sandra die ADZINE Entscheider-Serie.

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