Wer ein großes Händlernetz hat, wird zwangsläufig zum Opfer der Digitalisierung? Muss nicht sein, meint Marcus Diekmann. Man kann die Sichtbarkeit in der Fläche und die Fachkompetenz der Händlerschaft auch nutzen, um sich gegen den Online-Wettbewerb zu positionieren.
„Wir sind die mit den Luftballons“, kokettiert Marcus Diekmann, der Digitalchef von Matratzen Concord. Die Ballons kennt man gut, auch wenn es sie seit Jahren schon nicht mehr gibt. Was man auch kennt, ist das Discounterimage von Matratzen Concord. Gefühlt wird jede Matratze nur als 2:1 verkauft. Bezahle eine, nimm zwei mit. Eine gesamte Branche ist in einer inszenierten Rabattschlacht gefangen. Und Matratzen Concord trägt mit seiner großen Flächenpräsenz mit 1.000 Filialen beträchtlich dazu bei.
„Wir stehen zu unserem Discounterimage und bleiben dabei“, sagt Diekmann auch. Aber natürlich weiß er, dass die Online-Konkurrenz schnell wächst. Frische Start-ups wie Caspar, Eve oder Emma haben den Etablierten gewaltig eingeheizt. Sie versenden Matratzen, bieten langes Umtauschrecht und versprechen eine Vereinfachung des Kaufprozesses mit dem Argument „One Size fits All“. Schon wer kurz darüber nachdenkt, wird feststellen, dass das in Wahrheit gar nicht funktioniert, und daher tun sich klassische Anbieter sehr schwer, so zu kommunizieren.
Und da sind natürlich noch die großen Online-Händler wie Amazon oder Otto und Bett1.de. Letzterer ist ein streitbarer Berliner, der mit seiner günstigen BodyGuard-Matratze schnell große Marktanteile gewann. Rückenwind bekam er von der Stiftung Warentest, die die Matratze mit „Gut“ bewertete.
Angesichts dieser Herausforderungen ist es für Matratzen Concord an der Zeit zu digitalisieren, und genau dafür wurde der erfahrene E-Commerce-Experte Diekmann verpflichtet. Das Händlernetz ist Hypothek und Asset gleichermaßen. Hypothek, weil es hohe Kosten verursacht und weil alle E-Commerce-Aktivitäten grundsätzlich skeptisch beäugt werden. Asset, weil es 1.300 qualifizierte Berater gibt, die sich mit Matratzen auskennen. „Im Ladengeschäft sind die Warenkörbe viel größer“, sagt Diekmann. „Dort kaufen die Kunden Matratzen für sich selbst, bei Amazon dagegen die Gästematratze.“
Drive2Store-Kampagnen sind also das, worum es dem Matratzenriesen geht. Nach diversen Tests mit Mediaagenturen, die nicht gut genug funktioniert haben, ist man aktuell mit einer AdWords-Kampagne sehr zufrieden. Sie wird lokal ausgespielt, referenziert also direkt auf einzelne Filialen. Da der mobile Traffic in den letzten zwei Jahren drastisch zugenommen hat, ist die Übergabe der Anfahrtsroute an Google Maps ein spannender Hebel. „Was wir als Nächstes brauchen, ist die Anzeige der Verfügbarkeit der Matratzen im jeweiligen Geschäft, direkt in AdWords.“
Das ist vor allem deshalb wichtig, weil nicht jede Filiale „Emma“ hat. Emma ist eines der vielversprechenden Start-ups und hat zusätzlich zum Online-Verkauf eine Kooperation mit Matratzen Concord geschlossen, um die Betten auch stationär anzubieten. Für Emma ein gutes Brandbuilding, für Concord eine wichtige Brücke zu jungen und modernen Zielgruppen und Balsam auf die Seele der skeptischen Händler.
Und die stehen auch im Kern der Content-Strategie, die Diekmann langfristig implementieren will. Schon die Ergebnisse aus dem Tool „Matratzenfinder“ werden von echten Händlern ausgewählt und zusammengestellt. Aktuell arbeitet man in Köln am Aufbau von Beratungsinhalten, die dauerhaft die Google-Sichtbarkeit sichern sollen. Die Krönung aber soll ein System sein, bei dem die stationären Händler als interaktive Verkaufsberater in den Online-Shop eingebunden werden. Conversational Commerce, und zwar ohne externes Callcenter. Durch diesen Kniff werden die Händler an den Online-Shop gebunden. Sie können Provisionen verdienen, wenn gerade im Laden nichts los ist. Und sie lernen das Sortiment kennen, das sie dem Kunden als Upselling schmackhaft machen.
Ob das gelingt, ist keineswegs sicher. Diekmann kämpft gerade mit der Technik: Längst nicht jeder Standort hat eine so gute Internetverbindung, dass ein solches System reibungslos implementierbar ist. Neue Standorte werden auch nach der verfügbaren Online-Bandbreite ausgesucht.
Und er kämpft mit den Gewerkschaften über die Arbeitszeitmodelle. Es könnte ja sein, dass sich ein Händler sogar von zu Hause einloggt, um am Wochenende ein paar Betten zu verkaufen. Merke: Die Digitalisierung ist eben auch ein Politikum.
Wir diskutieren mit Marcus Diekmann im Rahmen des Mobile Advertising Summit am 25. April über seine hochfliegenden Ambitionen und die Erfahrungen, die er mit Mediaagenturen in den letzten Monaten gemacht hat.