Hilfswerke wie World Vision gehen in der Ansprache neue Wege, schließlich haben sich traditionelle Strukturen von Patenschaften, unter anderem durch die Digitalisierung, gewandelt. Das Alleinstellungsmerkmal von World Vision Deutschland: Von jedem neu registrierten Patenkind wird ein Video für den Online-Auftritt durch Mitarbeiter vor Ort gedreht. Mit einem Klick kann man Kinder- bzw. Projektpate werden. Und Leben verändern. Für Adzine ein Grund mehr, die Frau vorzustellen, die als erfahrene und leidenschaftliche Kinderanwältin für das digitale Marketing der Nichtregierungsorganisation (NGO) verantwortlich ist: Constanze Oelighoff. Ein Portrait.
Werdegang
Constanze Oelighoff wurde 1968 in Westberlin geboren und bereits als Kleinkind nach Hessen verpflanzt. In Gießen machte die heute 49-Jährige Abitur und absolvierte im Anschluss an der Justus-Liebig-Universität Gießen ein Kombinationsstudium aus Sprachen und BWL. Zwischendrin schnupperte Oelighoff Auslandsluft an der Università degli Studi di Roma La Sapienza in Rom und der University of Wisconsin in Milwaukee, USA. Nach erfolgreichem Abschluss begann für Oelighoff die Berufskarriere in Königstein, im Taunus bei einer NGO mit dem etwas sperrigen Namen „Kirche in Not/Ostpriesterhilfe“ – ein pastorales Hilfswerk päpstlichen Rechts, das bedrängten und verfolgten Christen weltweit hilft. Drei Jahre lang arbeitete Oelighoff in der PR- und Fundraising-Abteilung, wo sie u. a. ein Fundraisingmagazin betreute, das in sieben Sprachen erschien und an 700.000 Förderer weltweit vertrieben wurde.
1997 wechselte sie zu einem Tochterunternehmen der Deutschen Bahn, der Transport,- Informatik,- Logistik- und Consultinggesellschaft (TLC) in die Abteilung Marketing und Kommunikation. „Trotz der guten Arbeitserfahrung merkte ich, dass mein Herz mehr für NGOs schlug“, sagt Constanze Oelighoff. Und ging nach eineinhalb Jahren zum World Wide Fund For Nature (WWF), verantwortlich für „Werbung und Internet“. „Beide Bereiche waren damals in einer Stelle angesiedelt. Ebenso waren die Webseiten noch statisch, die Bedeutung des Internets kam erst später auf“, erzählt Oelighoff.
Ob Expo 2000, die Konzeption von Webseiten, Jahresberichte, Einführung von Redaktionssystemen, Werbekampagnen fahren, den WWF ins digitale Zeitalter begleiten ... alles lief über Oelighoffs Tisch. Zwölf Jahre lang. Dann ging der WWF von Frankfurt nach Berlin. Constanze Oelighoff wollte in Hessen bleiben – und übernahm 2011 vorerst als One-Woman-Show, der eine Werkstudentin zur Seite gestellt wurde, die Online-Marketing-Position von World Vision Deutschland e. V. Mit den Erfolgen und immer neuen Zielen wuchs auch das Team. Heute ist der Bereich mit sechs Online-Marketing-Mitarbeitern besetzt, eine weitere Technikschnittstelle ist vakant.
Was ist das Spannende am digitalen Marketing?
„Zum einen fasziniert mich, dass ich Menschen in ihren digitalen Lebenswelten erreichen kann. Mir die Möglichkeit gegeben ist, spannende Geschichten zu erzählen, die die Menschen überzeugen, Gutes zu tun und zu helfen. Sei es durch einen Klick, einer Einmalspende, der Übernahme einer Patenschaft oder dadurch, die Geschichten weiter zu teilen. Zum anderen bin ich von den agilen Prozessen begeistert. Die Dinge verändern sich so schnell und wir sind in der Lage, schnelle Anpassungen in Bezug auf Messbarkeit und Auswertungen zu machen und unsere Maßnahmen permanent zu optimieren“, erklärt die Marketingexpertin. „Generell machen wir uns im digitalen Marketing heute viel mehr Gedanken über Zielgruppen und ihre jeweiligen Bedürfnisse als noch vor zehn Jahren“, so Oelighoff weiter.
” (Constanze Oelighoff)Generell machen wir uns im digitalen Marketing heute viel mehr Gedanken über Zielgruppen und ihre jeweiligen Bedürfnisse als noch vor zehn Jahren
Online-Marketing bei World Vision Deutschland
Die digitale Marketingstrategie orientiert sich an dem R.A.C.E. Model, (Reach, Act, Convert und Engage). Display Ads, Retargeting, FB Ads, Content-Marketing oder auch die Zusammenarbeit mit Bloggern sind die Tools, die WVD bereits unter „R“ als Marketingmaßnahmen verbucht. Das Online-Marketing-Team wird hier von mehreren Agenturen in seiner Arbeit unterstützt, allen voran die global agierende FFW Agency, ein ursprünglich skandinavischer Dienstleister, der auf das Redaktionssystem Drupal spezialisiert ist, mit dem das christliche Hilfswerk arbeitet. Aktuell wird das deutsche Redaktionssystem den anderen europäischen World Vision Büros zur Verfügung gestellt. Zukünftig könnten auch Büros in Afrika oder Asien von den Weiterentwicklungen im digitalen Bereich profitieren.
Dennoch „geht es uns nicht einzig und allein um Messbarkeit und Optimierung, sondern ebenso um Kreativität und Vielfalt. Unsere Content-Redakteure können in die Geschichten vor Ort eintauchen, sie für die jeweilige Zielgruppe in Text, Bild und Video erzählen. Das ist sehr inspirierend“, so die Hessin. Ebenso gibt es – ein weiteres Alleinstellungsmerkmal – Projektleiter direkt vor Ort, manche von ihnen sind ehemalige World-Vision-Patenkinder. Auch das seien gute und relevante Geschichten, die sich unterschiedlich in der Kommunikation nutzen lassen und zur Glaubwürdigkeit beitragen.
Was sind die Herausforderungen?
Bezüglich des Wettbewerbs sagt Constanze Oelighoff, dass „jede Hilfe richtig und sinnvoll“ ist, alle eine „gute Arbeit in der deutschen Kinderhilfe“ machen. Die Herausforderung bestehe vor allem darin, ein eigenes Markenbild herauszuarbeiten: „Der Spendenkuchen wird nicht größer und man muss ein klares Markenbild haben, um Menschen bei der Entscheidung zu helfen, anderen, die in Not sind, zu unterstützen.“ Eine weitere Herausforderung sei die Technik und der Datenschutz, die Digitalisierung von Kinderpatenschaften schaffe eine neue Ebene von Komplexität und Transparenz.
Seit etwa vier Jahren stellt das Online-Patenportal von World Vision Deutschland den Paten umfassende Informationen zur Verfügung: So sind Informationen zum eigenen Patenkind, Bilder und Videos online abrufbar. Paten können ihren Patenkindern per E-Mail schreiben oder mit anderen Paten im gleichen Projektgebiet in Kontakt treten. Leider ist das technische System, das dahintersteht, „sehr komplex und wir müssen viele Daten überprüfen“, sagt Oelighoff. Das System wird gerade komplett überarbeitet und technisch auf den neuesten Stand gebracht.
Welchen Trend sehen Sie 2018 im digitalen Marketing?
Für das digitale Marketing bei World Vision werden vor allem die 2018er Trends rund um personalisierte Inhalte und neue SEO-Ranking-Faktoren wichtig werden. „Gerade in Sachen Content haben wir noch viel zu erzählen. Die Themen Marketing-Automation und Individualisierung von Inhalten stehen bei uns sehr weit oben, um unsere Zielgruppen optimal zu erreichen. Dabei helfen auch 360-Grad- und VR-Videos, die unseren Usern das Leben in unseren Projekt-, aber auch Krisengebieten sehr real zeigen,“ sagt Constanze Oelighoff. Man darf gespannt sein: Im World-Vision-Netzwerk wurden bereits einige 3D-Videos erstellt und weitere sind geplant: „Mich fasziniert vor allem der Gedanke der Micro-Moments und wie wir als Kinderhilfswerk die relevanten ‚Ich will jetzt HELFEN‘-Momente finden und passend bedienen“, sagt die WVD-Kinderanwältin, die mit ihrem Marketing-Know-how noch lange nicht am Ende der Fahnenstange angelangt ist.