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ADTECH

Videowerbestandard VAST 4.0: Deutschland macht den Anfang

Jens von Rauchhaupt, 17. Januar 2018
Myst & David Pereiras, adobe stock

Der RTL-Vermarkter IP Deutschland hat gemeinsam mit dem Ad-Verification-Anbieter Meetrics in Sachen Videowerbestandard Nägel mit Köpfen gemacht und erstmalig den neuen Videowerbestandard VAST 4.0 getestet. Mit dabei waren noch Third-Party-Adserveranbieter Sizmek und der Bewegtbildvermarkter Smartclip. Die Ergebnisse waren so überzeugend, dass die beteiligten Unternehmen die Verbreitung von VAST 4.0 nun forcieren wollen – erst in Deutschland, dann international. Für die Messung der Viewability (Sichtbarkeit) wird VAST 4.0 vieles verändern.

VAST steht für Video Ad Serving Template und ist ein Framework, das für die korrekte Auslieferung von Instream-Werbespots (Pre-Rolls, Mid-Rolls, Post-Rolls) auf allen Videoplayern der Publisher sorgen soll. Konkret geht es – ohne zu technisch zu werden – um die reibungslose Kommunikation zwischen Videoplayer und Adserver.

Der aktuelle Standard VAST 2.0 war in die Jahre gekommen und die Nachfolgeversion 3.0 hat sich eigentlich nie am Markt etablieren können. Im Jahr 2016 hatte das IAB (Interactive Advertising Bureau) bereits die Nachfolgeversion VAST 4.0 definiert. Dann war erst einmal Ruhe, passiert war wenig. Streitpunkt Viewability-Messung in der Videowerbung

Seit Jahren herrscht zwischen Einkaufsseite (Agenturen und Advertiser) und den Publishern und ihren Vermarktern ein Streit, wie die Sichtbarkeit in der Instream-Werbung nachgewiesen werden soll. VAST bietet nur die Möglichkeit, einzelne Messpunkte eines Video-Ads zu messen. Neben der Abrechnung nach tatsächlich gestarteten Videos wird die Durchsichtsrate für ¼, 1/2, ¾ und 1/1 des Werbespots ermittelt. Das reicht aber nicht für den Nachweis der Viewability, also der Sichtbarkeit. So lässt sich über VAST die Sichtbarkeit der Viewable Impression nach der inzwischen international vom US Media Rating Council (MEC) und dem Interactive Advertising Bureau (IAB) anerkannten 50/2-Regel – Hälfte des Werbemittels wurde für zwei Sekunden vom Betrachter gesehen – nicht zweifelsfrei nachweisen. Falls ein Nutzer das Video abspielt und mit dem Browser außerhalb des Videofensters weiterscrollt oder gar einen Tabwechsel vollzieht, läuft das Video weiter, ohne dass der Nutzer das Video mit dem Spot wirklich sieht. Ein No-Go für Advertiser, die für Instream-Werbung deutlich mehr Werbegelder in die Hand nehmen müssen als für Desktopwerbung.

Viele Mediaagenturen haben sich daher eines „Tricks“ bedient und nutzen zum Nachweis der Sichtbarkeit der Kampagnen den VPAID-Standard, der eigentlich für eine ganz andere Anforderung entwickelt wurde. Über die Video Player Ad-Serving Interface Definition, also VPAID, können Interaktionen im Ad eingebaut werden. Der große Unterschied zu VAST ist, dass der Advertiser selbst ein Skript im Videoplayer ausführen kann. Daher nutzen die Agenturen VPAID auch dazu, um die Messskripte zur Überprüfung der Sichtbarkeit mitlaufen zu lassen. Zum Ärger der Vermarkter.

Jens Pöppelmann

Jens Pöppelmann, Director Media Operations bei IP Deutschland, beschreibt VPAID hinsichtlich der Sichtbarkeitsmessung als "Blindgänger", über den fremde Skripte eingeschleust werden können – „man weiß nie, wann er während der Kampagne explodiert. Das Risiko ist extrem hoch, dass über VPAID der Videoplayer abstürzt oder ein Dritter gar den Videoplayer übernimmt, um fremden Content einzuschleusen.“

Während sich VPAID im angelsächsischen Raum auch für die Sichtbarkeitsmessung etablieren konnte, haben die deutschen Bewegtbildvermarkter Messungen über VPAID untersagt, was wiederum die Agenturen auf die Barrikaden brachte, die im Auftrag ihrer Kunden nun einmal sicherstellen wollen, dass die Spots auch vom Nutzer wahrgenommen wurden bzw. hätten wahrgenommen werden können.

Mit VAST 4.0 könnte dieser Streit nun zu den Akten gelegt werden. Denn VAST 4.0 wurde eigens entwickelt, um diesen Werbevideostandard auch für Measurement-Zwecke zu nutzen. „Der Vorgänger VAST 2.0 hatte nur die Möglichkeit, ‚Zählimpulse‘ wie bspw. Ad Impression zu setzen, eine echte und vollständige Sichtbarkeitsmessung ist dort nicht möglich. Bei VAST 4.0 ist das anders. Hier lassen sich Skripte zur Messung der Sichtbarkeit problemlos und vor allem gefahrenlos ausführen. Das Risiko, dass über VAST 4.0 etwas schiefgeht, ist extrem gering“, sagt Pöppelmann.

Der Test: „Referenz für den gesamten Werbemarkt geschaffen“

Da Advertiser ein Anrecht auf eine saubere Sichtbarkeitsmessung haben sollen, der aktuelle VAST-2.0-Standard dies nicht befriedigend erfüllt und VPAID für deutsche Vermarkter keine Option ist, hat sich vor einigen Monaten IP Deutschland mit dem Ad-Verification-Anbieter Meetrics an den grünen Tisch gesetzt, um eine Instream-Kampagne über VAST 4.0 aufzusetzen. Dazu musste Meetrics zunächst die Messskripte selbst programmieren. Denn auch der neue VAST-4.0-Standard arbeitet skriptbasiert, allerdings beeinflusst das Skript nicht die Auslieferung des Werbespots.

„Wir wollten das Thema Ad Verification per VAST 4.0 so schnell wie möglich in Deutschland umsetzen und uns nicht einfach passiv verhalten und den IAB mit der Schaffung einer standardisierten Lösungen alleine lassen. Darum haben wir eine Referenzimplementierung für die gesamte Auslieferungskette angestrebt, die sich an die VAST-4.0-Vorgaben hält, soweit diese bereits vom IAB definiert waren“, sagt Philipp von Hilgers, CEO und Co-Founder von Meetrics. Und so wurde in Zusammenarbeit mit Sizmek und dem RTL Videovermarkter eine Livekampagne aufgesetzt, deren Ergebnisse sich laut den beteiligten Unternehmen sehen lassen können. „Die technische Reichweite lag im Test bei nahezu 100%. Wir konnten erheblich mehr Impressions messen, als es bei VPAID der Fall wäre.“ Laut von Hilgers liegt die technische Reichweite bei VPAID in der Regel eher unter 90% und im Mobile-Enabled-Web-Bereich noch einmal „signifikant niedriger“. Gerade im Mobile Enabled Web habe man einen „Durchbruch“ erzielen können, weil auch hier eine technische Reichweite von „nahezu 100%“ erreicht worden wäre.

Einfach mal anfangen

Philipp von Hilgers

Meetrics stellt nun die Daten zur Implementierung der Referenzkampagne als Open Source zur Verfügung. „Wir wollen keine proprietäre Lösung“, sagt von Hilgers. „Andere Marktteilnehmer sollen das Referenzbeispiel aufgreifen können, damit sie wissen, wie sie VAST 4.0 implementieren müssen. Mit Erfolg. VAST 4.0 wurde bereits Anfang 2016 vom IAB definiert. Seitdem ist kaum etwas bei der Standardisierung der Sichtbarkeitsmessung und bei Ad-Verification-Messungen passiert. „Nach unserer Offenlegung haben nun auch in den USA erste Marktteilnehmer wie Sizmek die auf VAST 4.0 basierende Lösung testen können. Irgendeiner musste einfach mal damit anfangen“, sagt von Hilgers.
VAST 4.0 bringt dem gesamten Markt etwas, schon weil VPAID-Messungen operativ viel aufwendiger seien. „VAST 4.0 spart deutlich an Ressourcen bei der Umsetzung“, sagt von Hilgers. Eine weitere Erkenntnis des Tests: „Es ist weniger kritisch, mehrere Skripte einzubinden, um die Kampagne von unterschiedlichen Dienstleistern messen zu lassen. Denn die Auslieferung der Werbung und die Messung der Werbung läuft strikt getrennt, was bei VPAID nicht der Fall ist.“

VAST 4.0 kommt – VPAID bleibt

Bedeutet dies nun das Aus für VPAID? „Für interaktive Werbemittel wird man an VPAID festhalten, allerdings wird es für die Sichtbarkeitsmessung keine entscheidenden Argumente mehr für VPAID geben. VPAID ist ja auch weiterhin Bestandteil von VAST 4.0, sodass interaktive Werbemittel über VPAID in Kombination mit den neuen Ad-Verification-Möglichkeiten von VAST 4.0 gemessen werden können“, erklärt Meetrics-Mann von Hilgers. Auch Pöppelmann sieht für VPAID ein Anwendungsszenario: „VPAID wird es weiterhin für interaktive Ads geben. Aber für die Masse an Video-Ads und deren Sichtbarkeitsmessung wird VAST 4.0 der neue Standard.“

Deutschlands Vorreiterrolle für VAST 4.0

Dass es sich mit dem Testlauf nicht um einen reinen Alleingang vom RTL-Vermarkter IP Deutschland handelt, zeigt eine Aussage von Meetrics. Denn auch der ProSiebenSat.1-Vermarkter SevenOne Media ist in die Kommunikation über die Ad-Verification-Messungen mit VAST 4.0 von Anfang an eingebunden, wie uns von Hilgers berichtet. „Wir haben zwar mit SevenOne noch nicht getestet, aber der Informationsstand ist derselbe.“

Ein Videovermarkter sollte möglichst schnell auf VAST 4.0 umstellen, davon sind alle Beteiligten überzeugt. Die einmalige Erstimplementierung sei laut von Hilgers zwar eine Einstiegshürde, doch ist diese erst einmal genommen, würden die beschriebenen Vorteile deutlich überwiegen.

Erfahrungsgemäß wird es laut Pöppelmann etwa ein Dreivierteljahr dauern, bis in Deutschland alle großen Vermarkter auf VAST 4.0 umgestellt haben. International wird es indes etwas mehr Zeit brauchen. „Wichtig wird nun, wie schnell die Ad-Verification-Dienstleister entsprechende VAST-4.0-Skripte entwickeln können. Die stehen nun unter Druck, denn in Deutschland wird VAST 4.0 der Standard werden. Deutschland nimmt mit VAST 4.0 also eine Vorreiterrolle für den internationalen Werbemarkt ein“, sagt Pöppelmann.

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