Es sind stürmische Zeiten, durch welche die AGOF die Online-Werbebranche begleitet. Nicht nur dass die Folgen von DSGVO und einer – irgendwann kommenden – möglicherweise sehr restriktiven E-Privacy-Verordnung noch gar nicht absehbar sind. Zu vieles ist in der Schwebe, zu vieles juristisch interpretierbar und verlässliche Gerichtsentscheide dürften noch lange auf sich warten lassen. Hinzukommt der Hang der Online-Branche zur Automatisierung. Angebots- und Vermarkterreichweiten – wie sie die AGOF anbietet – sind in Zeiten des zunehmenden Programmatic Advertising immer weniger gefragt. Nun startet die AGOF eine Qualitätsoffensive. Wer Online herkömmlich plant, wird mit besseren Daten belohnt.
Es sei eine ganz pragmatische Entscheidung, heißt es aus der AGOF-Zentrale in Frankfurt, als innerhalb weniger Wochen zwei große Kooperationen verkündet wurden. Den Auftakt bildete die Kooperation zwischen AGOF und GIK. Künftig stellt die AGOF ihre Reichweitendaten quartalsweise der Gesellschaft für integrierte Kommunikationsforschung (GIK) in einem aggregierten Datensatz zur Verfügung. Die daily digital facts werden im Gegenzug durch ausgeweitete Marktdaten und sehr differenzierte Zielgruppendefinitionen verfeinert, insbesondere aus dem Segment FMCG. Für Werbungtreibende und Agenturen soll die Kooperation eine qualitativ tiefergehende Mediaplanung ermöglichen – effizienter und aktueller.
Ende vergangener Woche wurde dann die zweite Datenkooperation verkündet: zwischen der AGOF und der Verbrauchs- und Medienanalyse (VuMA). Die VuMA Touchpoints erhält digitale Reichweiten aus der AGOF daily digital facts, die im Gegenzug um detailliertere Verwendermerkmale aus der VuMA Touchpoints ergänzt wird. Die Datenbasis für digitale Budgetentscheidungen soll damit noch verlässlicher werden. Es wird auch nicht lang gezögert: Bereits ab sofort reichert die AGOF ihre digital facts täglich um VuMA-Merkmale an, beispielsweise im Bereich Produktinteressen, Haushaltsausstattung oder Psychografie. Alle Kooperationspartner profitieren letztlich von einer größeren Datentiefe ihrer Angebote.
Mediaplanung profitiert
Mediaplaner sehen solche Kooperationen grundsätzlich positiv. Die Datenkooperationen der AGOF seien „ein großer Schritt, um insbesondere Cross-Media-Kampagnen strategisch planen und bewerten zu können“, so Dominik Terruhn, Geschäftsführer von Plan.Net Media.
Bleibt die Frage, welche Rolle Angebots- und Reichweitenerhebungen in Zukunft generell noch spielen werden, wenn online immer mehr Media programmatisch gehandelt wird. Zwar kann auch in Umfelder automatisiert eingebucht werden, aber der Hauptfokus liegt naturgemäß in der profilbasierten Buchung. Und dafür spielt das Umfeld nur eine untergeordnete Rolle. Bezogen auf die Nettowerbeumsätze liegt laut BVDW der Anteil von Programmatic am deutschen Display-Markt bei etwa 45%, Tendenz weiter zunehmend.
Die Datenquellen ändern sich
„Die Online-Mediaplanung ändert sich und damit auch die Datengrundlagen“, sagt Stefan Hansen, Head of Planning and Implementation bei Dentsu Aegis Network. Statt Kampagnen einfach in Umfelder zu spielen, würden heute eher KPI-basierte Ziele gesetzt, laut Hansen zunehmend auch im Bereich Branding und Awareness. So seien Reichweite in der Zielgruppe und Kontaktdosis als KPIs geeignet, um auf softe Faktoren wie Branding und Awareness schließen zu können. Ziele und KPIs definieren, Potenziale abschätzen und nach Wegen suchen, die KPIs zu erfüllen – das gilt im Zeitalter der Automatisierung als eine typische Herangehensweise, um Online-Werbung zu planen. „Für die Umsetzung einer programmatischen Kampagne sind Daten aus ganz anderen Quellen interessant, zum Beispiel von den DSPs, von Drittanbietern oder es werden eigene Datenmodelle für die Kampagnenplanung herangezogen“, erläutert Hansen. Auch 2nd Party Data sind für die Planung wichtig. So bleiben die AGOF-Zahlen bei programmatischen Planungen in der Regel außen vor, fungieren dem Experten zufolge aber oft als „Whitelist“, um die Brand Safety sicherzustellen.
AGOF für klassische Digital-Planungen
In einem sind sich die meisten Akteure einig: Nielsen- und comScore-Zahlen sind für den deutschen Markt für die Digital-Mediaplanung keine gute Alternative, da sie nicht die Realität widerspiegeln. In anderen Ländern hingegen liefern Nielsen und comScore die einzigen Zahlen, die für eine digitale Mediaplanung herangezogen werden können.
„In Deutschland haben wir mit den digital facts eine Luxussituation. Weltweit gibt es keine vergleichbare Datengrundlage für die Planung digitaler Media“, bricht Terruhn eine Lanze für die AGOF und ihre Datenerhebungen. Dank dieser Planungsgrundlage sei man in der Lage, digitale Medien auf Augenhöhe mit anderen Medien zu planen. Nach Auskunft der AGOF nutzen alle großen Agenturen in Deutschland das webbasierte Planungstool Top Planning, in das die Datenerhebungen der AGOF einfließen. Absolute Nutzerzahlen gibt sie jedoch nicht bekannt.
Für Terruhn können die Daten der AGOF und die Datenkooperationen sogar dazu beitragen, qualitativ bessere programmatische Auslieferungen zu planen. „Programmatic ist vorrangig eine Mediasteuerungsmechanik. Sie kann aber mit einer klassischen Mediaplanungsfrage einhergehen“, sagt der Experte. So funktioniere eine reine Online-Planung auch sehr gut ohne Umfeld- und Reichweitendaten. Aber jenseits von Retargeting- und E-Commerce-Kampagnen sind daily digital facts sowie eine Kombination mit best for planning und VuMA-Daten wichtig, insbesondere wenn es darum geht, auf mehreren Kanälen zu werben.
„Um auch crossmedial eine bestimmte Kontaktdosis zu erreichen, benötigt man crossmediale Markt- und Mediastudien“, betont Terruhn. Somit kommen die aktuellen Datenkooperationen der AGOF aus seiner Sicht auch der strategischen Planung von Programmatic Branding zugute. Wer beispielsweise einen Festplatz zur Tagesreichweite einkauft, erreicht seine Zielgruppe – allerdings vergleichsweise undifferenziert. Programmatisch hingegen könnte man mehrere Typen innerhalb einer Zielgruppe definieren und diese mit unterschiedlichen Kreationen ansprechen. „Detaillierte, verlässliche Reichweitenmessungen sind für uns als Digital-Media-Agentur auch mit Programmatic Advertising unverzichtbar“, so Terruhn.
Die von der AGOF geschaffenen Planungsgrundlagen dürften also weiter wichtig bleiben. Hinzu kommt, dass es nach wie vor viele Werbetreibende gibt, die nicht programmatisch buchen. Andere bevorzugen eine Mischform. Insbesondere bei Sonderinszenierungen sind der Automatisierung Grenzen gesetzt. Auch sind mögliche Verschiebungen im Werbemarkt noch nicht absehbar, die die drohende E-Privacy-Verordnung zur Folge haben könnte. Laut einer aktuellen Studie des Verbandes Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) wird der stärkste negative Effekt bei den programmatischen Werbeerlösen erwartet. Mehr als die Hälfte der befragten Manager rechnet hier mit jährlichen Umsatzverlusten oberhalb von 30%. Ob dies womöglich wieder zu einer stärkeren Umfeldplanung führt, bleibt abzuwarten.
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