Programmatic Advertising wächst, wächst und wächst. Die Wachstumsrate liegt in Deutschland bei fast 40 Prozent. Der BVDW prognostiziert, dass Programmatic damit in diesem Jahr einen Anteil von 45 Prozent an den Nettowerbeumsätzen der OVK-Werbestatistik ausmachen wird. Die automatisierte Werbeaussteuerung in Echtzeit wird vor allem durch den Einsatz von Daten und Technologien ermöglicht, die immer besser ineinandergreifen. Doch diese starke Technologiekomponente verursacht Gebühren in einem nicht unerheblichen Rahmen. Die gute Nachricht für alle Advertiser: Diese Kosten werden sinken.
Boomende Märkte wecken Begehrlichkeiten. So war es in den vergangenen Jahren auch im Online Display Advertising. Immer mehr Anbieter von Werbetechnologie drängten in den Markt, jeder wollte seine Marge machen. Für Advertiser wurde es schnell unübersichtlich und Publisher wunderten sich, dass so wenig vom Werbebudget bei ihnen ankam.
Mittlerweile ist die Branche um Transparenz bemüht, wie nicht nur der Code of Conduct Programmatic Advertising des BVDW zeigt. In der Regel können sich Werbetreibende heutzutage im Vorfeld einer programmatischen Buchung auf Wunsch die Technologiekosten von ihrer Agentur transparent aufschlüsseln lassen. Auf Wunsch können Werbetreibende nun mit spitzen Bleistift selbst nachrechnen und einzelne Technologiekomponenten auf den Prüfstand stellen.
Die zweite Möglichkeit ist: Man schaut nicht zu streng auf die Kosten, sondern vorrangig auf die Resultate. Wurde mit dem vorhandenen Budget das Kampagnenziel erreicht oder übertroffen, so ist anzunehmen, dass die Technologiekosten in ihrer Höhe berechtigt waren. Ebenso, wenn mit Programmatic aus dem Budget mehr herausgeholt wurde als bei einer klassischen Online-Buchung. Ein solcher entspannter Umgang mit technologischen Kostenblöcken schont im digitalen Zeitalter die Nerven und ist vor allem US-Advertisern zu empfehlen. Denn wer in Nordamerika programmatische Kampagnen fährt, investiert durchschnittlich fast die Hälfte seines Mediabudgets in Technologiegebühren.
Teures Amerika: Die Hälfte des Mediabudgets entfällt auf Technologie
So hat eine gemeinsame Studie der Association of National Advertisers (ANA), der Association of Canadian Advertisers (ACA), Ebiquity und AD/FIN ergeben, dass die Tech-Fee für Programmatic Advertising (ohne Adserving) in Nordamerika bei durchschnittlich 42 Prozent liegt. Das heißt, von 1 Dollar Mediabudget fließen 42 US-Cent an die Technologieprovider. Die Studie analysierte dafür über einen Zeitraum von zwei Jahren rund 16,4 Milliarden Media-Impressionen von fünf DSPs in den Segmenten Auto, Banking, Beauty, Konsumgüter, Fashion und Travel. In der Umfrage wurden die Kosten für die Demand Side abgefragt. Sie schlug mit 28% des Mediabudgets zu Buche. Auch Targeting-Fees und sonstige Gebühren waren inkludiert. Für die Sell Side wurde die Technologiegebühr geschätzt, in Höhe von 15 bis 25 Prozent des Kampagnenbudgets. 39 bis 46 US-Cent jedes investierten Programmatic-Dollars bleiben demzufolge in der programmatischen Supply Chain auf der Strecke.
Deutschland: Adtech-Kosten liegen bei 20 bis 30 Prozent
Hierzulande dürften die Technologiekosten jedoch niedriger liegen. Studien liegen leider nicht vor. Holger Mews, Vorstand Continental Europe & MENA bei Adform, schätzt, dass DSP- und SSP-Kosten in Deutschland zusammengenommen zwischen 20 und 30 Prozent vom programmatischen Mediabudget ausmachen, zuzüglich den TKP-basierten Gebühren für sonstige Technologieprovider wie Brand Safety, Targeting oder Viewability.
„Der deutsche Markt ist wesentlich besser aufgestellt als der angelsächsische“, sagt Mews. Hierzulande agiere der gesamte Markt sehr kostenbewusst und kosteneffizient, viele Deals laufen über private Marktplätze, so dass nach seiner Einschätzung 70 bis 80 Prozent des Mediabudgets beim Publisher ankommen können. Natürlich sind Technologiegebühren auch immer Verhandlungssache und von der Marktmacht des Advertisers abhängig.
Hinzukommen die optionalen Technologiekosten für die Media-Veredlung, die sich über den TKP berechnen, beispielsweise für Brand Safety, Fraud Protection, Targeting, Viewability, 3rd Party Data oder Cross-Device-Targeting. Hier beginnt die Preisspanne in der Regel bei 0,05 Euro TKP (Brand Safety, Fraud) und kann für Datenprovider schon mal mit 1,50 Euro TKP zu Buche schlage.
Die Gebühren für Contextual-Targeting- und Viewability-Provider liegen nach den Erfahrungen der Hamburger Agentur pilot heutzutage bei etwa 0,09 Euro TKP. Für Cross-Device-Targeting muss man laut pilot mit etwa 0,50 Euro TKP rechnen. Für die Hamburger Agentur ist es selbstverständlich, bereits vor dem Vertragsschluss mit einer Plattform genauestens zu prüfen, welche Gebühren, in welcher Höhe, mit welchem Abrechnungsmodell, basierend auf welcher Gegenleistung entstehen können sowie welcher voraussichtliche Effizienzgewinn gegebenenfalls zu erwarten ist. Diese Informationen werden unter anderem für die Kampagnenkonzeption, Angebotserstellung oder Kampagnenabrechnung nachgehalten. „Diese Kosten sind durchgängig, das heißt vom Vertrag über die Plattform-Reports bis zur Abrechnung, transparent“, sagt Matthias Oschatz, Direktor Technology Programmatic Advertising, pilot Hamburg.
Andere Kanäle, weniger Zusatztechnologie
Im Verhältnis sind die Technologiekosten für Programmatic Advertising jedoch deutlich höher als in anderen Kanälen. So fallen bei Search beispielsweise nur dann zusätzliche Kosten an, wenn Automatisierungs- oder Biddinglösungen hinzugenommen werden. Marktbeobachtern zufolge schlagen die Tech-Fees im SEA-Bereich mit etwa 5–6% des Mediabudgets zu Buche. Doch wie hoch die bereits eingepreisten Technologiekosten bei Google & Co. sind, ist unbekannt.
Auch im Social Advertising können Tech-Fees anfallen, wenn zusätzliche Lösungen eingebunden werden. Bei Facebook & Co. greifen Advertiser allerdings in der Regel auf die On-Board-Mittel der Plattform zu, so dass zusätzliche Technologiekosten nicht entstehen. Perspektivisch ist davon auszugehen, dass Technologie einen immer wichtigeren Stellenwert in der Werbung einnehmen wird – von Online über TV bis hin zur Außenwerbung.
Experten-Prognose: Adtech-Kosten werden sinken
Branchenexperten rechnen damit, dass die Technologiekosten hingegen nicht steigen. „Wenn wir davon ausgehen, dass der Anteil programmatischer Kampagnen vor allem auch in bisher analogen Kanälen ansteigt, können wir von der gleichen Systematik wie beim Adserving ausgehen – mehr Volumen führt zu sinkenden Preisen“, sagt Julian Simons, Geschäftsführender Gesellschafter Mediascale und stellvertretender Vorsitzender der Fokusgruppe Programmatic Advertising im BVDW. Insbesondere im Bereich Online-Display ist die Entwicklung schon weit fortgeschritten.
Auch Mews geht davon aus, dass die Technologiekosten für das Programmatic Advertising kurzfristig stabil bleiben und perspektivisch sinken. „Der Markt konsolidiert sich. Der Trend geht zum Full Stack“, sagt Mews, nach dessen Einschätzung sich immer mehr Advertiser lieber auf zwei oder drei Dienstleister beschränken, als mit vielen Spezialdienstleistern zu arbeiten. Das schafft Synergien, Transparenz und senkt die Kosten. Denn auch für die Zukunft gilt: Ad-Technologie wird immer dann ihre Berechtigung haben, wenn die Effizienzgewinne die Kosten überwiegen.
Bei pilot hat man die Erfahrung gemacht, dass im Vergleich zur nicht programmatischen Auslieferung üblicherweise in jedem Leistungsgebiet eine Verbesserung möglich ist. Eine übliche Effizienzsteigerung liegt nach Technologiekosten laut Oschatz zwischen 10 und 30 Prozent. „‚Working Budget‘ sollte sich daher aus unserer Sicht nicht nur auf die Mediakosten, sondern auch auf die Kosten effizienter Provider beziehen“, sagt Oschatz und betont: „Die große Chance von Programmatic Advertising liegt gerade im intelligenten Einsatz dieser Dienstleister.“
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