Die Chance ergriffen – Im Portrait: Thomas Müller, Marketing & E-Commerce, Remmers Gruppe AG
Sandra Goetz, 18. Dezember 2017Löningen ist ein staatlich anerkannter Erholungsort im Oldenburger Münsterland. Das Städtchen zählt etwas mehr als 12.300 Einwohner. Und ist ein weiteres Paradebeispiel für den Motor deutsche Wirtschaft, die ihren Hauptsitz selten in Städten, mehr aber in ländlichen Gebieten, in diesem Fall Niedersachen hat. Das mittelständische Familienunternehmen Remmers Gruppe AG ist mit mehr als 1.400 Mitarbeitern der größte Arbeitgeber von Löningen. 2016 erwirtschaftete das in über 15 EU-Ländern tätige Unternehmen, das in der Baustofftechnik tätig ist, mehr als 300 Mio. Euro Umsatz. In der Gebäudeabdichtung und der Beschichtung von Fenstern und Türen gilt Remmers als Marktführer in Europa. Bezüglich Industrielacke, industrielle Möbelbeschichtung sind die Löninger einer der größten Lieferanten von Ikea. Seit 2015 verantwortet Thomas Müller, Bereichsleiter Marketing und E-Commerce, die Digitalisierung des Unternehmens.
Werdegang
Thomas Müller wurde in dritter Generation in der Hansestadt Bremen geboren und ist somit das, was man einen „echten Bremer“ nennt. Der 49-Jährige machte nach dem Abitur eine Lehre zum Bankkaufmann und ging danach an die Universität Bremen, um Soziologie zu studieren. Bereits während des Studiums, 1996, gründete Müller mit einer Studienkollegin ein Marktforschungsunternehmen. Die avisierte Forscherkarriere wurde mit dem Einstieg in die Wirtschaft und ersten Erfolgen mit der Entwicklung von Websites ad acta gelegt. Der diplomierte Soziologe arbeitete fortan in verschiedenen Agenturen als Projekt- und Key Account Manager, hier vor allem in den Bereichen E-Commerce und digitales Marketing.
Bevor Müller zu Remmers kam, war er bei der Serviceplan-Tochter hmmh, wo er u. a. die Marken Bonprix (Otto), Mavi Jeans aus der Türkei und Deichmann betreute. Als Remmers auf den Digitalexperten zukam, wusste dieser gar nicht, wer die Remmers AG ist. „Remmers stand für mich nicht für eine Marke, außerdem hatte ich von der Branche keine Ahnung. Weder von Bautenschutz, Holzschutz noch von Bauwerksabdichtung und Denkmalpflege, geschweige denn von Hoch- oder Tiefbau, um nur einige Bereiche zu nennen, die unter dem Oberbegriff Baustofftechnik firmieren“, sagt Thomas Müller rückblickend. Der hauseigene Personaler war sich aber sicher, mit Thomas Müller den richtigen Mann für das Megaprojekt Digitalisierung und E-Commerce gefunden zu haben. Da war es zweitrangig, ob dieser aus der Branche kommt. „Wichtig war mein Know-how und dass ich zum Geschäftsführer Dirk Sieverding und seiner Zukunftsvision der Remmers Gruppe passte“, sagt Müller.
Dirk Sieverding, 43 Jahre alt und Enkel des Gründers Bernhard Remmers, hat sich aufgemacht, das gesamte Unternehmen zu modernisieren. Und die Digitalisierung gehört ebenso dazu wie der Bau eines neuen Kompetenzzentrums, die Investition in Forschung und Entwicklung sowie einem Umbau der Produktion und Logistik.
Warum digitales Marketing
„Ich bin im E-Commerce groß geworden und finde die Verbindung von Marketing in Echtzeit mit Kundeninformationen nach wie vor herausfordernd. Die Verbindung der digitalen und analogen Kanäle sowie die Vernetzung der Informationsflüsse ermöglichen es Unternehmen, insbesondere im B2B-Sektor, wo langjährige, intensive Kundenbeziehungen eine entscheidende Rolle spielen, echte Kundenmehrwerte zu schaffen, von denen beide Seiten profitieren. Bei Remmers habe ich eine vollkommen neue Aufgabenstellung, nämlich als Bereichsleiter Marketing & E-Commerce einen neuen Bereich aufzubauen, der mit dem Stichwort ‚Digitalisierung‘ nur grob umschrieben ist. Um ein Unternehmen in die Digitalisierung zu führen, benötigt man digitale Daten. Bevor ich kam, hatte Remmers u. a. keine digitalen Produktdaten, sondern mit Excel-Listen gearbeitet, Word-Dokumente wurden hin- und hergemailt, Laufzettel durch die Flure geschickt. Es gab keine wirklich vernetzten digitalen Prozesse. Auch nicht beim Kundenservice. Man kann sich überhaupt nicht vorstellen, dass das mal analog funktioniert hat, und das sehr erfolgreich“, wundert sich Thomas Müller. Um die Modernisierungsforderung von Geschäftsführung und Vorstand umzusetzen, hat Thomas Müller das zentrale Marketing so aufgestellt, dass es „leistungsfähiger mit Blick auf Messbarkeit und Steuerbarkeit wird“, sagt Müller. Dafür müssen wir unter anderem auch unsere Zielgruppen besser kennenlernen“, ergänzt der Marketingmanager.
Remmers AG: Großbaustelle Digitalisierung
Bei der Baustoffbranche fällt einem nicht automatisch E-Commerce respektive digitales Marketing ein, dennoch kann auch diese, um wettbewerbsfähig zu bleiben, nicht im Gestern stehen bleiben. Die Industrie 4.0 ist in der ganzen Branche angekommen, so auch in Löningen. „Bezüglich der Digitalisierung haben wir mit der normalen Marktentwicklung zu tun. Die Entscheider der Branche nutzen die digitalen Informationskanäle und technischen Möglichkeiten genauso wie die der diesbezüglich weiterentwickelten Branchen. Somit ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch hier zunehmend Transaktionen über das Internet oder mobil durchgeführt werden“, erklärt Müller.
Aufs Unternehmen bezogen gibt es individuelle Herausforderungen, dazu zählen die vielen sehr unterschiedlichen Teilzielgruppen. „Wir sind sehr breit aufgestellt und haben extrem unterschiedliche Zielgruppen“, sagt Thomas Müller. Im Bautenschutz sind die Teilzielgruppen Bautenschützer, Bauunternehmen, Planer, Architekten, Maler und Stuckateure. Im Holzschutz sind es Tischlereibetriebe, Zimmereien sowie die industrielle Möbelfertigung und Fensterbaubetriebe. „Wer diese Zielgruppen besser kennenlernen will, ist schnell beim Thema Daten. Was sind die Mehrwerte, die wir für die jeweilige Zielgruppe haben? Die Digitalisierung ist dabei Mittel zum Zweck. Wir wollen schlauer werden, bessere Services für unsere Zielgruppen anbieten, z. B., dass Farbtöne digital erfasst werden und der Kunde seine individuellen Produkte innerhalb kürzester Zeit bekommt“, so Müller.
Gehörige Portion an Gestaltungswillen und Motivation
Bislang war Werbung bei Remmers klassisch ausgerichtet. Das Unternehmen wird auch hier in weiten Teilen eine 180-Grad-Drehung machen und auf digitale Kommunikation setzen. „Heute sind alle online aktiv, auch der Tischler oder Bautenschützer“, weiß Müller. Das ist ein Grund mehr, „den besten Content auf der neuen Webseite anzubieten“, ergänzt er. Customer-Relationship Management, CRM, wie auch Newslettermarketing stehen ebenso im Fokus von Marketing und E-Commerce. Die Umsetzung der entsprechenden Projekte läuft hier parallel, was das komplette Team vor große Herausforderungen stellt. Thomas Müller: „Ich bin unglaublich froh, dass es uns gelungen ist, sehr gute und engagierte neue Kollegen zu finden, die diesen Weg gehen wollen. Dazu braucht es eine gehörige Portion an Gestaltungswillen und Motivation.“
Dabei kann weder die Umstellung aufs digitale Marketing noch der Bau eigener Kompetenzzentren wie die Remmers Fachplanung, das Bernhard Remmers Institut für Analytik und die Bernhard-Remmers-Akademie, vernachlässigt werden. „Wir haben viele Großbaustellen, die jede für sich Aufmerksamkeit erfordert, und dennoch darf die jeweils andere nicht aus dem Blick verloren werden. Das wäre auch nicht im Sinne der Geschäftsführung“, sagt Thomas Müller. Die Kompetenzträger seien die Menschen bei Remmers. Die Entscheidung, zur Remmers AG nach Löningen zu gehen, hat der 49-Jährige jedenfalls nie bereut: „So eine Chance bekommt man nur einmal im Leben. Ich habe zugegriffen.“