In Echtzeit mit Verkäufern und Marken zu kommunizieren, ist für jeden Offline-Kunden Normalität. Im Gespräch mit einem Verkäufer erhalten sie persönlich abgestimmte Informationen. Online-Marketingverantwortliche versuchen jetzt im Real-Time Marketing durch Technologien diese Realität zu imitieren. Die Markenziele können dabei so mannigfaltig sein, wie die eingesetzten Kanäle – sei es Social Media, E-Mail oder Display. Dabei sollte Real-Time jedoch nie zum Selbstzweck verkommen, sondern den Nutzer und seine Bedürfnisse in den Vordergrund stellen.
Zugegeben, immer seltener sind in großen Supermärkten oder Einkaufspassagen kleine Stände aufgebaut, auf denen Marktschreier für ein Produkt werben. Dabei können sie genau das, wovon viele Online-Werber träumen: eine gezielte Kundenansprache in Echtzeit. Ein guter Offline-Verkäufer kann durch den Kundenkontakt abschätzen, wie er auf die Bedürfnisse seines Gegenübers eingehen muss und wann der richtige Zeitpunkt ist, ihn anzusprechen oder es eben nicht zu tun.
In der Online-Welt hat Real-Time Marketing das Potenzial eben diese Rolle zu übernehmen und Kunden mit relevanten und aktuellen Themen anzusprechen.
Real-Time Marketing – Warum überhaupt?
Die Bemühungen das Offline-Erlebnis zu imitieren, sind heutzutage in besonderem Maße durch den alltäglichen Einsatz von mobilen Geräten bedingt. Durch den ständigen Zugang zum Internet sind es Nutzer gewöhnt, Informationen und Waren auf Abruf zu bekommen. Die Folge daraus beschreibt Alexander Handcock, Director Global Brand Strategy bei Selligent: „Brands stehen vor enormen Herausforderungen, denn im Zuge der 'Mobile Revolution' findet die gesamte Customer Experience der ständig vernetzten Kunden über Echtzeit-Interaktionen im Hier-und-Jetzt statt – und jede schlechte Interaktion kann die letzte sein.“
Für Brands sei es dadurch zunehmend wichtiger, die Absicht des Kunden in dem Moment zu erkennen, in dem sie auftritt. „Das bedeutet auch, dass Marketer sich von dem klassischen Consumer Lifecycle verabschieden müssen und vielmehr den Kunden durch verschiedene Touchpoints auf der Customer Journey konsequent begleiten muss.“
Durch Technologien und entsprechend schnelllebige Kanäle erlaubt es Real-Time Marketing das Kundenverhalten in Echtzeit zu erkennen und mit personalisierter Ansprache zu reagieren.
Es geht auch ohne Echtzeit
Selbst wenn die dynamische Kreation von Werbemitteln mittlerweile die Adressierung der Vorlieben des Nutzers in Echtzeit möglich macht, so ist es nicht essenziell, jede Kampagne in Echtzeit abzubilden.
„Wir schauen einer Zeit entgegen in der alle großen Medien, auch TV-Werbung, programmatisch eingekauft werden. Wenn man jedoch eine große Brand-Kampagne laufen lässt, dann muss es kein Real-Time Marketing im Sinne von dynamischer Kreation geben“, sagt Kerstin Clessienne, Leiterin des Competence Circles Online & Performance Marketing des Deutschen Marketing Verbands.
Natürlich gibt es auch hier Ausnahmen. So gäbe es Fälle in denen sich das Echtzeitmarketing durchaus anbietet, beispielsweise um Streuverluste in der Zielgruppe zu vermeiden.
Oreo definiert Social-Media-Kommunikation
Wie sich die sozialen Medien nutzen lassen, um seine Markenwirkung zu stärken, zeigte die Keksmarke Oreo beim Super Bowl 2013. Der Twitter-Post gilt wohl als das Musterbeispiel für gelungenes Real-Time Marketing. Auf der Veranstaltung kam es zu einer Verzögerung durch einen Stromausfall, den Oreo für sich nutzte. Während das Spielfeld für etwas mehr als eine halbe Stunde im Dämmerlicht lag, reagierte die Marke mit einem Bild bei Twitter. Die Aussage: „You can still dunk in the dark.“
Mit dem Post schaffte es das Unternehmen auf knapp 16.000 Retweets und viel Buzz in den sozialen Netzwerken. Der darauffolgende Hype unter Marketern, unbedingt originellen Content in Echtzeit auszuspielen, verleitete AdAge dazu, den Artikel „Go Home Real-Time Marketing. You’re Drunk“ zu schreiben. Zahlreiche Unternehmen versuchten während des nächsten Super Bowls die Strategie von Oreo aufzugreifen.
Eine relevante und alltagsnahe Kommunikation über die sozialen Medien wurde für Marken spätestens seitdem Oreo-Post in 2013 zum Standard, wenn sie nicht den Anschluss an die Nutzer verlieren wollen. Social Media findet sehr viel mehr als alle anderen Medien sehr nah am Alltag der Menschen statt. Damit wird die alltägliche Pflege der Unternehmenskanäle zum Pflichtprogramm im Real-Time Marketing.
Customer Care durch Einsatz von Daten
Ein weiteres Anwendungsbeispiel für Echtzeitlösungen im Marketing stellt der E-Mail-Case der Intercontinentals Hotels Group dar. Ziel war es, ein besseres Kundenerlebnis zu schaffen, in dem die Bestätigungsmail für eine Buchung auf den Nutzer zugeschnitten ist.
Anders als bei Social Media setzt das Marketing hierbei nicht auf aktuelle Events oder Geschehnisse, um relevant zu sein, sondern auf datenbasierte Ansprache in Echtzeit. Je nachdem, was der Nutzer gebucht hat und wo seine Interessen liegen bekommt er im Fall von IHG zusammen mit seiner Buchungsbestätigung ein personalisiertes Reisebriefing, das individuelle Angebote für ihn enthält. Durch die Integration der Informationen in die Bestätigungsmail wird hier die Zeit zum entscheidenden Faktor. Um dem Kunden schnelle Rückmeldung zu geben, wurden die Mails innerhalb von weniger als zwei Sekunden erstellt und versendet.
Alexander Handcock meint: „Die wichtigste Grundlage für Real-Time Marketing liefern aussagekräftige Daten, die in Echtzeit gesammelt und in ganzheitliche Kundenprofile eingepflegt werden.“ Bei der Entscheidung, wie relevant diese Daten für das Unternehmen sind soll zukünftig künstliche Intelligenz helfen: „Festzuhalten bleibt, dass sich A.I.-Technologie im Marketing momentan schnell weiterentwickelt und somit immer größere Möglichkeiten, Kundenpräferenzen zu identifizieren und zu verstehen bietet.“
Real-Time Marketing wird zum Muss
„Search ist der größte und älteste Real-Time-Kanal, den es gibt. Darüber redet jedoch niemand mehr, weil es so natürlich geworden ist“, postuliert Clessienne. Immerhin würden hier die Ergebnisse in Echtzeit auf das Bedürfnis des Nutzers ausgerichtet, angezeigt werden. Im Bereich Display erwartet sie dieselbe Entwicklung.
Auch Alexander Handcock stimmt zu: „In Zukunft werden Kunden zunehmend der Meinung sein, dass ihnen eine hervorragende Customer Experience selbstverständlich zusteht. Und Gnade all den Unternehmen, die das dann nicht liefern können. Real-Time Marketing ist also im Grunde keine Möglichkeit mehr, sondern ein Muss! Dabei wird Real-Time Marketing in Zukunft die Grenzen der Privatsphäre zwischen Konsument und Brand kontinuierlich aufheben. Getrieben wird die Entwicklung von innovativen Werbeformaten sowie einer optimierten Datenauswertung.“
Clessienne sieht besonders mit Hinblick auf die kreative Seite, dass die Integration von Technik stärker in den Fokus rücken muss: „Der Ball liegt hier bei den Kreativagenturen, dass sie es schaffen, die strategische und nicht nur taktische Kommunikation dynamischer zu gestalten, mehr auf die Zielgruppe auszurichten und flexibler in den Botschaften zu sein. Künstliche Intelligenz kann ihnen dabei helfen, die richtige Botschaft zur richtigen Zeit an den richtigen Nutzer auszuspielen, egal wo er sich gerade im Sales-Funnel befindet. Das ist nicht einfach. Respekt an die Kollegen, die sich daran trauen."
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