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PROGRAMMATIC

First Price Auctions verändern die Spielregeln

Jens von Rauchhaupt, 18. Oktober 2017
Photo by Adi Goldstein on Unsplash.

Derzeit findet im Programmatic Advertising ein grundlegender Shift bei den Auktionsmodellen statt. Im Bereich des offenen Inventars (Open Inventory) geht der Trend weg von den Second Price Auctions, hin zu den First-Price-Auktionsmodellen. Das trifft nicht überall auf Gegenliebe.

First-Price-/Second-Price-Auktionen – Der Unterschied

Die Unterschiede zwischen First Price und Second Price Auctions liegen in der Preisfindung. Bisher waren Second-Price-Auktionsmodelle die gängige Praxis im programmatischen Handel von offenem Inventar. Wenn ein Mediaeinkäufer über seine DSP ein Angebot des Vermarkters zu einer Impression (Bid Request) von 2 Euro erhält und er dazu ein Gebot von 5 Euro abgibt und ein zweiter Einkäufer für dieselbe Impression 3 Euro bietet, so gewinnt der Mediaeinkäufer mit dem 5 Euro Gebot, zum „Clearing-Preis“ des zweithöchsten Gebots, was in diesem Beispiel 3 Euro wären. Bei der First Price Auction gewinnt hingegen das tatsächlich höchste abgegebene Gebot. In unserem Beispiel hätte zwar derselbe Bieter gewonnen, müsste aber dann auch tatsächlich 5 Euro eTKP für die Impression zahlen. Ein satter Aufpreis von 2 Euro.

„Eine Veränderung der Spielregeln während des laufenden Spiels“

Offenbar verändern derzeit viele Vermarkter mit ihren SSPs und Exchanges ihre Auktionsmodelle zugunsten von First-Price-Auktionen. Angefangen hat es sukzessive im laufenden Jahr, wie uns Andreas Schwibbe, Managing Director vom DSP-Anbieter Platform 161, mitteilt: „Auf einmal mussten wir feststellen, dass wir in den Open Auctions unsere Auktionen oft nur noch zum maximalen Bid gewinnen konnten. Uns sind nach eigener Analyse einige Player aufgefallen, bei denen das plötzlich so war.“ Bis zu 35% der Bid Request in den Open Auctions würden inzwischen über das First-Price-Modell verkauft, so Schwibbes Analyse bei Platform 161. „Das sind signifikante Größen, die auch einen monetären Impact bei unseren Kunden hinterlassen.“ Schwibbe ist, so macht er uns deutlich, richtig sauer:

Grundsätzlich ist der Wechsel zu einer First Price Auction zu begrüßen, allerdings ist die aktuelle Vorgehensweise der SSPs eine Veränderung der Spielregeln während des laufenden Spiels!

(Andreas Schwibbe, Platform161)

Schwibbes Vorwurf im Besonderen: „Keine der SSPs oder Vermarkter hatte uns konkret vorab über diese Veränderung informiert. Erst zur dmexco sickerten dazu über informelle Kanäle nähere Informationen durch. Das war so nicht in Ordnung.“

Ein Vorwurf, den nicht jede Supply-Side-Plattform (SSP) bzw. Exchange auf sich sitzen lässt: Mario Gebers, Director Business Development DACH von der SSP OpenX: „Wir haben die vollkommen transparente First-Price-Auktion für den programmatischen Einkauf nach einer einjährigen Entwicklungsphase mit DSPs und SSPs erst Anfang September gelauncht. Eine Umstellung findet nach und nach statt, sodass die Demand Side sich darauf gut einstellen kann. Eine genaue Verteilung anzugeben ist daher noch nicht möglich. Der vor allem auf offenen Strukturen basierende First-Price-Standard für programmatische Auktionen wurde von OpenX gemeinsam mit Käufern entwickelt, um sicherzustellen, dass diese im Einverständnis mit ihnen entstanden sind.“

Mario Gebers

OpenX arbeitet dazu bei der Angebotsabgabe mit zwei getrennten OpenRTB-Parametern. „Es ist also zu jeder Zeit nachvollziehbar, um welches Auktionsmodell es sich handelt“, sagt Gebers.

Aus DSP-Sicht ist das Auktionsmodell schwer einsehbar

Allerdings gaben sich wohl nicht alle SSP so transparent. ADZINE liegt eine E-Mail-Korrespondenz zwischen DSP- und SSP-Anbieter vor, aus der klar herauszulesen ist, dass der Kundendienst der SSP erst auf exakter Nachfrage die First-Price-Katze gegenüber dem DSP-Mitarbeiter aus dem Sack ließ. Außerdem machen hybride Auktionsmodelle die Runde. Bei Rubicon Project heißt das Dynamic Auctions bzw. „Modifed First und Modifed Second Price“.

Platform 161 reagierte aufgrund der Vorfälle mit einem eignen DSP-Feature, das die zugrunde liegenden Auktionsmodelle ermittelt, um das Bietverhalten im Sinne des Kunden anpassen zu können. Der Grund: First Price Auctions können richtig teuer werden. Es gibt Impressions, die bestimmte Mediaeinkäufer für ihre Kunden unbedingt gewinnen wollen, gerade im Retargeting ist das sogenannte First-View-Inventar von besonderem Interesse. Denn hinter der Impression steht ein Nutzer mit einer ganz konkreten zeitnahen Kaufabsicht (Intent), der zum ersten Mal wieder angesprochen werden soll. „Das sind teure Auktionen mit einem eTKPs von bis zu 100 bis 120 Euro. Hier macht sich eine Preissteigerung über First Price Auctions besonders bemerkbar“, berichtet Schwibbe.

Für Sascha Jansen, Chief Digital Officer beim Agenturnetzwerk Omnicom Media Group, ist der Switch von Second Price Auction zur First Price Auction ein „recht junges Phänomen“. Ob es sich in einer offenen Auktion um eine First-Price- oder Second-Price-Versteigerung handelt, kann der Mediaeinkäufer in seiner DSP nur über die erzielten Preise feststellen. „Wenn mein maximaler Bid immer den Zuschlag bekommt, kann man wohl von einer First-Price-Auktion ausgehen, weil es unwahrscheinlich ist, dass mein maximales Gebot immer dem Floorpreis entspricht“, sagt Jansen. Während einer Kampagne die Auktionsmodelle des Publishers zu erkennen, ist somit nur unter einigem Aufwand feststellbar, der erst einmal erbracht und geleistet werden muss. „Wir analysieren Auktionsmodelle und registrieren einen Wandel hin zu First Price. An oberster Priorität steht das Thema aber noch nicht, denn die Effekte sind noch sehr überschaubar. In Auktionsumgebungen muss man allerdings bereits jetzt mit entsprechenden Bidding-Taktiken reagieren, um partiell keine bösen Überraschungen zu erleben“, erläutert Jansen.

First-Price-Trend scheint unaufhaltsam

Neben OpenX kommuniziert auch AppNexus ganz offen den Trend in Richtung First Price. Einige AppNexus-Kunden bekennen sich als Publisher ganz öffentlich dazu, First-Price-Auktionen durchzuführen. Dazu gehören eBay Kleinanzeigen und MSN. Auch der Schweizer Traditionsvermarkter Audienzz hat gerade begonnen, First Price mit einzelnen Publishern in Abstimmung mit den Einkäufern zu testen.

Marius Rausch

Für Marius Rausch, Senior Director Strategic Market Development bei AppNexus, geschieht dies völlig transparent und auch zum Vorteil für den Einkauf: „Den Tradern sind dann die Regeln der Auktion klar und sie können ihre Gebote entsprechend aussteuern. Gerade im Header Bidding bekommt der Einkäufer so erst die volle Kontrolle über sein jeweiliges Gebot, da bei anderen Auktionstypen die für ihn willkürliche Preisreduzierung durch Second Price dazu führen kann, dass die finale Auktion im Adserver verloren wird. Selbst wenn die Bereitschaft gegeben wäre, mehr zu zahlen. Der Schritt zu einer First-Price-Basis erlaubt dem Einkauf, Gebote abzugeben, die im letzten Schritt gewinnen und sich dadurch auch besser optimieren lassen.“

Auch AppNexus bietet – wie Platform 161 – ein Tool an, damit der Einkauf in First-Price-Auktionen nicht zu viel bezahlt. AppNexus nennt es „Bid Price Optimization (BPO)“. Es basiert wie bei Platform 161 auf Machine Learning und stuft Gebote entsprechend herunter, wenn Trader sich in First-Price-Umgebungen befinden. Dadurch sollen Einkäufer sichergehen können, dass sie nicht zu viel für Impressions bezahlen.

Frank Sültmann

Glaubt man Frank Sültmann, Vorstand der SSP Yieldlab, scheinen in Deutschland die Second-Price-Auktionen noch zu dominieren. „Aktuell ist der Anteil der First-Price-Auktionen auf Yieldlab noch deutlich im einstelligen Prozentbereich, weil der aktuelle Marktstandard die Second-Price-Auktion ist. Entscheidend für uns ist, dass Ein- sowie Verkäufer darüber im Bilde sind, welche Preisfindung wie über den Gewinn oder Verlust der Auktion bestimmt. Entsprechend folgt dem Ansatz ‚Buyer-Directed‘ aus unserer Sicht die Direktive ‚Seller-Approved‘ – egal ob First-, Second- oder Fix-Price.“

Header Bidding die Erklärung?

Allerdings arbeitet Yieldlab auch nicht mit Header Bidding wie die US-Anbieter und das client-basierte Header Bidding zieht immer technisch bedingt eine First Price Auction mit sich, weil das System der SSP intern die Preise mit dem Adserver vergleichen muss. Für viele ist das auch der Grund, warum der Trend in den offenen Auktionen klar in Richtung First Price Auctions geht.

Das ist allerdings keine vollständige und befriedigende Erklärung für Schwibbe: „Wäre client-basiertes Header Bidding der Grund, dann müssten im Umkehrschluss die 35% der Vermarkter, die diesen Traffic generieren, tatsächlich Header-Biddings einsetzen. Das haben wir bereits analysiert und kamen zum Ergebnis: Das ist mit Sicherheit nicht der Fall. Es muss also eine andere Ursache geben.“

Der naheliegendste Grund ist, dass die Publisher derzeit an der Preisschraube drehen wollen. Denn im Moment steigen im Programmatic Advertising die Preise, beobachtet Mediaeinkäufer Jansen. „Viele der gestiegenen TKPs sind zunächst einmal darauf zurückzuführen, dass der Bieterkreis viel größer geworden ist. Außerdem kann inzwischen auch auf ganz anderem, hochwertigerem Inventar mit größeren Formaten geboten werden, die früher noch gar nicht programmatisch verhandelt wurden und per se auf einem Preisniveau sind.“

Mögliche Folge: Bedeutungsgewinn für Private Marketplaces

Große Sorgen macht sich Mediaeinkäufer Jansen wegen der geänderten Auktionsmodelle der Publisher indes nicht:

Wir werden darauf reagieren und taktischer vorgehen, beispielsweise indem wir die Zielgruppen in den Private Marketplaces suchen.

(Sascha Jansen, Omnicom Media Group)

„Wir werden darauf reagieren und taktischer vorgehen, beispielsweise indem wir die Zielgruppen in den Private Marketplaces suchen.“ Und das passt Jansen eigentlich auch ganz gut in die bereits eingeschlagene Strategie. „Open Auction bietet zwar auch Chancen, aber der notwendige Aufwand, um Ad Fraud bzw. Qualität unter Kontrolle zu halten, ist unverhältnismäßig hoch. Wir werden dann weiter den Fokus auf PMPs legen, wo die Preise schon im Vorfeld verhandelt wurden.“

Derzeit liegt bei Omnicom der Open-Auction-Anteil laut Jansen prozentual im „zweistelligen Bereich, aber deutlich unter 50 Prozent“. Open Inventory nimmt also noch immer eine signifikante Größe im programmatischen Einkauf ein, denn: „Open Auctions – insbesondere per Second-Price-Verfahren – bieten attraktive Konditionen, die bislang noch den Aufwand für Ad-Safety-Verfahren rechtfertigen“, so Jansen.

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