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PROGRAMMATIC

Mehr intelligente Zusammenarbeit statt noch mehr intelligenter Technologie

Frank Sültmann, 25. September 2017
kelly marken , Adobe Stock

In Zeiten von datengestütztem und echtzeitoptimiertem Mediaeinkauf wird es für alle Akteure zunehmend komplexer, Qualitätskriterien festzulegen, die standardisier-, mess- und vor allem optimierbar sind – und deren Zusammenspiel erfolgreich zu managen. Um dies zu erreichen, müssen alle Marktteilnehmer an einem Strang ziehen: für Sicherheit, Qualität und Transparenz im Programmatic Advertising.

Brand Safety – Online-Werbung kann markensicher gebucht werden

Redaktionelle Umfelder sind sicherlich auch weiterhin ein Anker für den Markenschutz für Werbungtreibende, aber wer legt eigentlich fest, ob bereits ‘Magersucht’ und ‘Flugzeugunglück’ oder erst das Wort ‚Nazi‘ der Marke schadet? Semantik und Kontext müssen beim Thema Markenschutz stets Berücksichtigung finden, was bedeutet, dass eine rein technische Kontrolle und Steuerung hier zu kurz greift. Auch wenn im automatisierten Echtzeiteinkauf in Millisekunden entschieden werden muss und dafür Technologie unverzichtbar ist, müssen die Entscheidung und Verantwortung als grundlegende Entscheidungsparameter weiterhin bei den Markenverantwortlichen liegen und dürfen nicht ausschließlich von Technologien bestimmt werden.

Das heißt, Brand Safety-Tools müssen so konfiguriert werden, dass nicht etwa das Werbemittel für Mineralwasser als „Nahrungsergänzungsmittel“ blockiert und die Inhalte einer renommierten Verlags-Nachrichten-Webseite zu 90 Prozent als „bedenklicher Inhalt“ eingestuft werden.

In unserem Kulturkreis gilt unverändert: Sexismus, Gewaltverherrlichung oder extreme politische Meinungsmache sind generell keine geeigneten Werbeumfelder. Insofern muss – und kann – durch eine selektive Inventarauswahl sowie kontextuelles Targeting die Art der Werbeeinblendungen reguliert werden. Bei aller Automatisierung sind hier nach wie vor gesunder Menschenverstand, Umsicht und Kommunikation gefragt, damit alle Beteiligten, inklusive der Technologieanbieter, eventuelle Schäden für die Marke auf ein Mindestmaß begrenzen können.

Hinzukommt das Thema Ad Fraud, wo mit betrügerischen Absichten vorgegangen wird. Denn wir reden bei der Brand Safety schließlich nicht nur über den redaktionellen Inhalt von werbeführenden Webseiten, sondern auch über nicht-menschliche “Sichtkontakte”, auf nicht gewünschte Werbeträger umgeleitete Werbebotschaften oder ungenügend regulierten Zugriff auf Werbeflächen und damit der Gefahr, unerwünschte Werbekunden zusammen mit renommierten Werbekunden auf seiner Seite wiederzufinden.

Ein wesentlicher Beitrag zur Wahrung der Brand Safety und zur Vermeidung von Ad Fraud ist daher die Transparenz der Inventare und des regulierten Handels über geprüfte Plattformen.

Die Frage der Zuständigkeit ist dabei eigentlich schnell beantwortet: Sie liegt nicht in einer Hand. Publisher und Vermarkter tragen die Verantwortung, wem sie Zugriff auf ihre Inventare gewähren. Agenturen tragen die Verantwortung, ihren Mediaeinkauf entsprechend zu qualifizieren, zu verifizieren und fortwährend zu monitoren. Ebenso haben die Betreiber technischer Infrastruktur die Aufgabe und Verantwortung, bestehende Möglichkeiten auszuschöpfen, Schnittstellen zu schaffen und für einen transparenten und sicheren Ablauf Sorge zu tragen. Hier ist ein Miteinander für mehr Transparenz und Brand Safety erforderlich!

Viewability ist Grundvoraussetzung – aber wie wollen wir die Sichtbarkeit messen?

In Gesprächen zu dem Mehrwert von Programmatic Advertising werden neben Brand Safety und Adverification schnell weitere Erfolgsfaktoren wie Zielgruppenerreichung und Kontaktklassenoptimierung, insbesondere aber die generelle Sichtbarkeit von Werbemitteln mit dem Mindeststandard 50/1 genannt.

Oder wie wäre es mit den ‘Traummaßen’: 90-60-90/1 (90% Zielgruppenerreichung – 60 Werbemittel-Sichtkontakte – 90% des Werbemittels ist für mehr als 1 Sekunde sichtbar)? Gut, vielleicht sollten wir die Kontaktklasse noch etwas optimieren, aber ansonsten passt es, oder? Zu klären wäre dabei allerdings noch, in welcher Reihenfolge das Erreichen dieser KPIs erfolgen soll und wie wir diese Reihenfolge in einer Einkaufsplattform abgebildet bekommen. Eines ist dabei fast eine Binsenweisheit: Sichtbarkeit sticht alles. Denn alles was nicht sichtbar ist, kann auch keine Werbewirkung haben.

Welcher Erfolgsfaktor für die Sichtbarkeit der Werbemittel auch immer als Schwellenwert festgelegt wird: Messmethoden unterscheiden sich zumeist in Kleinigkeiten – aber grundlegend. Eine beiderseitig angewandte Messmethode drängt sich somit auf, aber dennoch können auf Seiten des Werbungtreibenden und auf Seiten des Werbeführenden unterschiedliche Werte gemessen werden. Zwischen Webseitenaufruf und Werbemittelauslieferung liegen ja schließlich Welten von Millisekunden, in denen z. B. Verbindungsabbrüche oder Adblocking liegen können.

Spätestens bei der Entscheidung für die Abrechnungsgrundlage stellt sich auch die Frage, wer im Zweifel die “richtigen” Zahlen hat. Die Messung und Entscheidung für ‘meine Zahlen’ oder ‘deine Zahlen’ ist nach wie vor eine Ex-post-Betrachtung und setzt bei zwei unterschiedlichen Messpunkten an. Warum aber kann die Sichtbarkeit eigentlich nicht in Echtzeit, also während der laufenden Kampagnenauslieferung optimiert werden? Und was wäre dafür nötig?

Grundsätzlich kann die Viewability in Echtzeit und automatisiert optimiert werden, sofern Einkäufer und Verkäufer ihre Anforderungen und historischen Messdaten im Einkaufsprozess als Parameter mitgeben, der dann entscheidet, ob gekauft wird oder nicht. Konkret bedeutet das, dass für jedes Werbemittelformat und jede Werbeplatzierung ein Schwellenwert (zum Beispiel 50/1) sowie das historisch gemessene Datum (zum Beispiel ≥50) hinterlegt werden.

Logischerweise bedeutet dieses Vorgehen aber nicht, dass eine garantierte Sichtbarkeit eingekauft wird, so dass immer weiter gemessen und auf beiden Seiten optimiert werden muss. Das nimmt Einkäufer und Verkäufer aber in die Pflicht, für mehr Transparenz und eine klare Teilung der Verantwortung in puncto Erfolgssicherstellung zu sorgen. Bereits heute gibt es marktübergreifende Initiativen von Medienhäusern, Mediaagenturen und Anbietern technischer Lösungen, einen Messpunkt und eine Messmethode einzusetzen, damit beide Seiten zu jeder Zeit einen aktuellen Stand haben und gemeinsame Optimierungsansätze am Ende zu einem besseren Kampagnenergebnis führen.

Programmatic Advertising bietet schon viel Qualität und Transparenz – wir müssen sie nur entsprechend nutzen

Keine Frage, in Daten und Technik stecken noch viele Möglichkeiten, ‘Programmatic Advertising’ qualitativ noch besser und vor allem auch effizienter zu machen.

Metatools und “Wrapper” werden eingeführt, und dennoch bleiben immer wieder Fragen offen: “Warum bekomme ich nicht genügend Reichweite, warum performt die Kampagne nicht wie erwartet, warum ist die Sichtbarkeit so schlecht, warum wird das Werbemittel nicht ausgeliefert oder die Webseite geblockt UND warum bekomme ich eigentlich für mein Budget viel weniger Media als früher?“ Also, sollten wir es doch lieber wie die Sparkasse mit den Fähnchen machen?! Natürlich nicht.

Auch wenn zu erwarten ist, dass die Komplexität noch weiter zunehmen wird: Agenturen sehen sich gezwungen, diverse DSPs bedienen zu müssen, um Kunden, Disziplinen und/oder Mediakanälen gerecht werden zu können. Ebenso setzen die Vermarkter und Medienhäuser auf eine “Parallel”-Nutzung von SSPs, um Inventar bestmöglich monetarisieren, alle gängigen Formate anbieten und jeglichen “Demand” bedienen zu können.

Dabei gilt aber nicht zwangsläufig: “Viel hilft viel.” Wir würden mehr erreichen, würde man nicht nur die Maschinen, sondern auch die Köpfe zusammenstecken.

Alle Marktpartner sollten dabei immer im Auge behalten, dass das eigentliche Ziel sein muss, zusammen an Lösungen zu arbeiten und gemeinsam für Transparenz zu sorgen, um so eine bessere Wertschöpfung und auch ein besseres Verständnis zwischen allen Marktseiten zu erzielen.

Bild Frank Sültmann Über den Autor/die Autorin:

Frank Sültmann ist als Vorstand der Yieldlab AG für die Bereiche Sales und Marketing verantwortlich. 16 Jahre Erfahrung in der Onlinebranche, sowohl von Agentur- als auch Vermarkterseite, machen ihn zu einem ausgewiesenen Digital Experten und Advertising Networker. Vor seinem Wechsel im Sommer 2017 zu Yieldlab war er als Geschäftsführer der Amnet GmbH (Dentsu Aegis Network) tätig, die er maßgeblich zu einem führenden Anbieter programmatischer und medienübergreifender Zielgruppenansprache aufgebaut hat.

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