Im Portrait: FC St. Pauli Marketingleiter Martin Drust
Sandra Goetz, 6. September 2017Der Fußball-Zweitligist FC St. Pauli gilt als einer der schillerndsten Fußballvereine in Deutschland. Dabei ist die Strahlkraft des Clubs nicht allein den Kickern zu verdanken, sondern ebenso einem klugen Marketing und einer einzigartigen Fankultur. Das Millerntor-Stadium auf dem Heiligen Geistfeld im Stadtteil St. Pauli mit der Reeperbahn ums Eck tut sein Übriges in puncto „St.-Pauli-Phänomen“. Mit Marketingleiter Martin Drust, Jahrgang 1968, hat sich der Verein vor zwei Jahren einen Experten ins Haus geholt, der berufliches Know-how und fankulturelles Denken vereint.
Werdegang
Seit 30 Jahren besitzt Martin Drust eine Dauerkarte vom FC St. Pauli. Bevor er seinen Arbeitsplatz am Millerntor einnahm, war der ausgebildete Lehrer (Geschichte und Sozialwissenschaften) u. a. Chief Digital Officer bei der Werbeagentur Thjnk sowie zehn Jahre lang Kreativgeschäftsführer von Tribal DDB. Bereits bei Thjnk betreute der gebürtige Hamburger mit „Kiezhelden“ die soziale Seite vom FC St. Pauli. „Ich habe mich in der Zeit intensiv mit Sportmarketing beschäftigt und wollte etwas Neues machen“, sagt Drust, der innerhalb der Thjnk-Gruppe eine eigene Agentur hatte. Als das Angebot seitens des Kiezclubs kam, „bin ich aus einer sicheren Position mit einem tollen Partner ausgeschieden. Es hat sich gelohnt“, so der 48-Jährige. Neben dem Marketing zeichnet Drust ebenso für den Vertrieb wie auch als Prokurist für den Verwaltungsbereich verantwortlich.
Marketing: Analog oder digital?
„Ich tue mich schwer damit, dass noch immer ein Unterschied zwischen digitalem und analogem Marketing gemacht wird. Letzten Endes geht es um Menschen und wie diese Medien nutzen“, sagt der Marketingchef. Für ihn ist klar: „Wenn sich das Nutzungsverhalten ändert, muss sich auch die Markenkommunikation verändern, schließlich sollen Menschen erreicht werden.“ Kanäle wie TV und Radio würden laut Drust „auch beim Fußball nicht mehr ausreichen“. Aus eigener beruflicher Erfahrung weiß Drust um die vielfältigen Möglichkeiten im digitalen Marketing, die es heute gibt. Noch genügend Unternehmen hätten „Angst vor Überforderung“, schließlich gibt es „wahnsinnig viele Botschaften, die zielgruppengenau an die Menschen zu bringen sind“. Die Unternehmen seien mit einer anderen „Struktur und Komplexität“ konfrontiert, auch seien „die Cases, die dahinter stehen“, anders.
Das Besondere beim FC St. Pauli
Der Begriff „Marke“ wird nicht gern in der Fanszene gehört. Der Grund: Der Verein ist nicht auf dem Reißbrett entstanden, sondern ein Produkt der Fans. Bezeichnungen wie „Freudenhaus“ oder auch „Freibeuter der Liga“ sind vom Privat-TV Ende der 1980er Jahre erfunden worden. Bereits 1999 hat sich der Verein als Marke mit Markenwerten definiert, die zum Teil noch heute gültig sind.
Der FC St. Pauli ist dabei der einzige Fußballverein, der zwei eingetragene Markenzeichen hat: 1. Das Clublogo für den sportlichen Bereich. 2. Der berühmte Totenkopf für die Fankultur. Vor allem der Totenkopf ist es, der das Lebensgefühl auch für Menschen transportiert, die nicht unbedingt fußballbegeistert sind. Dieser steht nicht nur für den besonderen, auch leicht anarchistischen Stadtteil Hamburgs, sondern ebenso für besondere Werte. „Das unterscheidet uns von allen Fußballvereinen in Deutschland. Wir sind mehr als das, was auf dem Platz geschieht.“ Natürlich verspüren auch die Kiezianer den Erfolg, wenn sie Spiele gewinnen und es um digitale Reichweiten geht. Sie würden laut Aussage von Martin Drust aber auch viele T-Shirts verkaufen, wenn St. Pauli in der 3. Liga spielen würde.
Herausforderung Profifußball
Die enorme Kommerzialisierung des Profifußballs ist eine große Herausforderung. „Die Überlegungen gehen leider immer nur dahin, wie man noch mehr Geld machen kann“, sagt Drust. Dazu zählt auch, dass der Fußball dem Kommerz-TV unterworfen wird. Dieses fällt wiederum auf Themen wie „hohe Ablösesummen“, „Gehälter“ oder auch „Spielerberater“ zurück. „Irgendwann sagen sich Fans, dass das nicht mehr ihr Sport ist“, so Drust.
Der FC St. Pauli setzt dem entgegen, dass dieser auch hier eigene Wege geht. Der Stadionname ist nicht verkauft, es gibt kein Maskottchen und auch der Stadionsprecher versteht sich nicht als Animateur, also all das, was als normal im Profifußball gilt. „Wir haben den authentischen Fußball im Blick“, sagt Drust bestimmt. Und das ist auch ein Grund, warum der Club weltweit berühmt ist und begeistert. Dennoch kann sich St. Pauli mit Blick in die Zukunft nicht auf seine Lorbeeren ausruhen. Denn alle Fußballclubs haben in puncto Manpower ihre digitalen Marketingabteilungen aufgerüstet. Nicht nur auf dem Spielfeld und im Kanal TV, auch im digitalen Marketing wird um Sieg oder Niederlage gekämpft.
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