Frontagentur für die digitale Leistungskette
Jens von Rauchhaupt, 26. Juni 2017Nicht nur die Unternehmen, auch die Agenturen stecken knietief in der digitalen Transformation. Aus diesem Grund haben sich inzwischen einige reinrassige Digitalagenturen etabliert, in denen Kreation und Media unter einem Dach betreut werden. Plan.Net ist hier ein gutes Beispiel. In Deutschland unterhält die Agenturgruppe neben der Zentrale in München auch Niederlassungen in Köln, Berlin und Hamburg. Wir besuchten das Hamburger Haus der Kommunikation und sprachen mit der Agenturchefin Diana Degraa über die gegenwärtigen Herausforderungen einer Digitalagentur.
ADZINE: Frau Degraa, seit 2013 führen Sie die Geschäfte der Hamburger PlanNet-Niederlassung, damit gehören Sie zu einer Minderheit. Nur 21% aller Werbe- und Planungsagenturen werden von Frauen geführt, deckt sich das mit Ihren Erfahrungen?
Diana Degraa: Ich glaube, es sind sogar weniger als 21%. Ich kenne eigentlich kaum eine Agentur in Hamburg, die von einer Frau an der Spitze geführt wird. Das Geschlecht sollte aber generell kein Entscheidungskriterium für eine Führungsposition sein.
ADZINE: Wenn Sie mal die letzten Jahre Revue passieren lassen, wie haben sich die Kundenanforderungen an eine Digitalagentur verändert?
Diana Degraa: Die Kunden wünschen sich seit jeher Media und Kommunikation, die die Marken-Awareness steigert und gleichzeitig den Sale garantiert. Demzufolge sollen die Maßnahmen einerseits auf Markenwerte einzahlen, andererseits aber auch die Conversions im Purchase-Funnel optimieren. Sie suchen vorrangig nach einem Marketingentscheidungsinstrument, das sie befähigt, die Werbeinvestitionen an den verschiedenen Touchpoints der Conversion richtig zuzuordnen. Sie wollen also wissen, welche Maßnahmen für den Sale verantwortlich zeichnen. Zudem möchten sie natürlich Informationen darüber, welche Methoden die Markenwerte steigern.
Ich kann mich noch an Zeiten erinnern, als Sales nur über ein einfaches Sales-Modelling erarbeitet wurde, hart gecodet war dies aber noch nicht. Hier hat sich einiges getan. Bei PlanNet haben wir sehr früh eine eigene Methodik entwickelt, um Kunden solche Informationen bereitstellen zu können.
ADZINE: Das heißt, PlanNet kann dem Kunden bereits ein solches Marketingentscheidungsmodell zur Verfügung stellen?
Diana Degraa: Ja. Wir realisieren diese Methodik über unser Business-Intelligence-Team. Das sind natürlich grundsätzlich Lösungen, die an die jeweiligen Kundenanforderungen angepasst werden müssen. Das bedingt, dass unsere Business-Intelligence-Experten Zugang zu den Kundendaten erhalten. Zur Dienstleistung gehört auch eine technische Beratung. Das alles ist absolute Vertrauenssache und erfordert ein hohes technisches Know-how sowie professionelle Beratung, um eine saubere Strategie abzuleiten.
ADZINE: Wie sieht eigentlich das Angebot an Digitalexperten in Hamburg aus, finden Sie hier schnell neue Spezialisten, wenn welche benötigt werden?
Diana Degraa: Gute digitale Spezialisten sind in Hamburg nicht leicht zu finden. Die wenigen werden natürlich umgarnt, auch von uns. In Hamburg gibt es viele klassische, inhabergeführte Werbeagenturen, entsprechend einfach ist es, gute und wechselwillige Allrounder zu überzeugen, bei uns anzufangen. Aber um echte Digitalspezialisten für Media und Kommunikationslösungen zu gewinnen, setzen wir am Standort Hamburg unter anderem verstärkt auf die Aus- und Weiterbildung in den eigenen Reihen oder suchen über die Grenzen von Hamburg hinaus geeignete Mitarbeiter.
ADZINE: Was macht denn einen solchen Digitalexperten aus, damit er für Sie der Richtige bzw. die Richtige ist?
Diana Degraa: Das sind schon unterschiedliche Anforderungen. Auf der einen Seite müssen sie die klassische Kommunikationsberatung mit der Muttermilch aufgenommen haben. Das ist sehr wichtig, um einen Kunden strategisch führen zu können. Hier muss der Bewerber schon eine gewisse Reife erreicht haben. Auf der anderen Seite sind natürlich besonders digitale Skills erforderlich. Es gibt auch immer wieder Quereinsteiger aus Technologieumfeldern, denen gerade Mediaplanungs- und Measurement-Themen besonders leichtfallen. Das ist schwer zu verallgemeinern. Es gibt mehrere Modelle. Viele wachsen mit der Zeit und entwickeln sich mit dem Kunden, den sie mit uns aufbauen. Mut und Wille, sich neuen Herausforderungen zu stellen, sind besonders wichtig. Digital ist immer dynamisch und agil, also kein alteingesessenes Thema.
ADZINE: …. und das gilt auch auf Kundenseite?
Diana Degraa: Zum Teil ja. Wir verstehen uns als Frontagentur für die gesamte digitale Leistungskette, die wir mit unseren Schwesteragenturen aus der PlanNet Gruppe harmonisieren. Manchmal sind wir gefordert, den Kunden ganzheitlich digital zu betreuen, auch mit den Auswüchsen in andere Kanäle. Für andere Kunden wiederum ist digital lediglich ein „Appendix“. Wenn ein Kunde von uns voll auf digital setzt, dann erhalten wir aus München Unterstützung, zum Beispiel von unserem Business-Intelligence-Team oder weiteren Kollegen, die spezialisierte Leistungen anbieten.
ADZINE: Wenn Sie für einen Kunden einen Werbemix aus unterschiedlichen Werbekanälen herausarbeiten, inwieweit sind Sie auf einheitliche KPIs angewiesen und braucht es gerade bei der Bewegtbildwerbung nicht eine einheitliche Planungsgrundlage?
Diana Degraa: Eine Konvergenzwährung wäre schon wünschenswert, gerade bei Bewegtbild, wenn man an GRPs im TV und an Video-Views und Viewability für online denkt. Allerdings ist sie für uns gar nicht mehr zwingend erforderlich. Mit unserer sogenannten Screenplanning-Methode tarieren wir bereits gezielt Werbedruck in von TV unterrepräsentierten Zielgruppen oder Gebieten aus. Auf diese Weise sind wir in der Lage, diejenigen Zielgruppen im Internet anzusprechen, die unsere Kunden mit klassischer Fernsehwerbung nicht mehr erreichen.
ADZINE: Waren Sie eigentlich vom Brand-Safety-Skandal auf YouTube überrascht, für den ja besonders Programmatic Advertising verantwortlich gemacht wurde?
Diana Degraa: In den klassischen Medien gibt es keine Skandale mehr, darum fokussiert sich die Branche besonders auf digitale Themen. Das ist wenig überraschend und „digitaler Alltag“. Wir arbeiten jedoch seit jeher daran, unseren Kunden maximale Transparenz zu bieten. Markenkunden verlangen seit jeher einen Quality Score. Bestimmte Umfelder werden daher kategorisch ausgeschlossen. Man muss allerdings auch so ehrlich gegenüber dem Kunden sein und klar formulieren, was wirklich geht. Planungsansätze, die eine Kombination oder Rotation aus programmatisch bereits gestellten Reichweiten über mehrere Vermarkter und damit Umfelder beinhalten, können wir längst sauber abbilden. Wenn also Kunden unbedingt programmatisch einkaufen oder Vermarkter übergreifend agieren möchten, dann ist Programmatic heutzutage schon gesetzt und Transparenz kann damit bis auf Vermarkterebene gewährleistet werden.
ADZINE: Gibt es also noch immer Kunden, die Ihnen von vornherein sagen, dass Sie im Mediaplan auf Programmatic verzichten sollen?
Diana Degraa: Ja, die gibt es noch. Dabei handelt es sich um Kunden, die noch nie Programmatic eingesetzt haben und erst behutsam herangeführt werden müssen. Die Kunden, für die wir bereits programmatisch eingekauft haben, wollen dies auch weiterhin tun. Die Scheu vor Programmatic kommt grundsätzlich von solchen Unternehmen, die die digitale Hürde insgesamt noch nicht genommen haben. Es werden aber täglich weniger.
ADZINE: Inwieweit arbeitet man bei PlanNet bereits mit TV-Tracking-Tools, wenn man an performance-basierte Kampagnen/Zielsetzungen denkt, wo hat eigentlich die klassische Fernsehwerbung ihren Platz im Marketingmix?
Diana Degraa: TV ist immer noch ein Reichweitenbringer für viele Marken. Zudem stellt TV nach wie vor eine effektive und effiziente Säule des Mix dar, um Verbrauchern eine Marke oder ein Produkt erst einmal näherzubringen.
In diesem Zusammenhang spielt auch der Platz der TV-Werbung eine entscheidende Rolle: schneller Reichweitenaufbau, Markenbildung und Awareness-Generierung. Darauf basierend können kaufbereite Interessenten wunderbar weiterqualifiziert werden. Hier greifen dann andere Kanäle, spitzere Ansprachemöglichkeiten und konkreteres Targeting-/Re-Targeting vor allem im digitalen Bereich.
Es gibt aber auch stärker an Performance-KPIs gebundene TV-Formate, wie DRTV, das inhaltlich eine klare Aufforderung für den Betrachter enthält.
Am Ende ist der richtige Mix auschlaggebend für den Erfolg – abgestimmt auf Zielgruppendemo-/-soziografie, Mediennutzungsverhalten und Neigungen.
Getracked wird ebenfalls mit gängigen Tools. Das Tracking reicht im Grunde von Primärerhebungen bis hin zur Einflechtung von TV-Wirkungswerten in ein umfassendes Business-Intelligence-Programm.
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