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ADTECH - Meinungsartikel

Schulterschluss oder Ausverkauf - Adtech-Branche in der Klemme

John Nardone, 5. Mai 2017
Bild: Adobe Stock krefografie

Ein Sprichwort lautet: “Der Gegner meines Gegners ist mein Freund“. So oder ähnlich lässt sich die derzeitige Stimmung in der Adtech-Branche wohl am besten beschreiben: während das Duopol von Facebook und Google weiter Druck ausübt, wächst bei vielen Vermarktern eine Unruhe, in der sie damit beginnen, sich mit Partnern - und trotz der damit einhergehenden Gefahr sogar mit ihren Marktrivalen - zusammenzuschließen, um den Tech-Giganten die Stirn zu bieten.

Facebook und Google kontrollieren mittlerweile 67% des amerikanischen Mobile Ad Marktes und 54% des Digital Ad Marktes. Jeder, der nicht Teil dieser Elite ist, muss mit den restlichen Marktteilnehmern um das übrig gebliebene Stück Kuchen kämpfen.

Investoren ziehen die Konsequenzen aus den sinkenden Adtech-Umsätzen und reduzieren ihre Investitionen drastisch. 2015 wurden nur noch 860 Millionen Dollar in Adtech-Unternehmen investiert, der niedrigste Wert seit 2010. Weitere Prognosen sagen voraus, dass sich die Geldgeber zukünftig noch mehr mit ihren Investitionen in Adtech-Unternehmungen zurückhalten werden, es wird gar von einem Allzeittief gesprochen. Geldgeber verlieren die Hoffnung in die Konkurrenzfähigkeit der kleinen und individuellen Adtech-Player. Denn: die größten Gewinne in der digitalen Welt erzielen Walled Gardens. Hier besteht keine Hoffnung auf ein David-gegen-Goliath-Szenario.

Adtech-Unternehmen schwanken zwischen Hammer und Amboss: mit dem wachsenden Duopol von Facebook und Google auf der einen, und der Dürrezeit der Investitionen auf der anderen Seite, sehen sie sich gezwungen sich zu verbünden. Und genau das tun sie – oder versuchen es zumindest.

Der Fusions- und Akquisitionswahnsinn

Am deutlichsten wird es durch den Anstieg in den Akquisitionen, bei denen Marktanteile durch Unternehmenskäufe zusammengelegt werden. Denn ohne den Zugang von zusätzlichem Kapital müssen Adtech-Firmen neue Wege finden, um liquide und somit unabhängig zu bleiben. Nur einige schaffen das. Seit 2014 steigen die Zahlen der „Mergers“ und „Acquisitions“ (M&A) in der Ad Tech-Szene signifikant. Einen ähnlichen Trend erkennt man unter Publishern und Werbenetzwerken.

Offenheit für Kollaboration und Standardisierung

Ein zweiter, eher unkonventioneller Weg, über den Adtech-Unternehmen starten zu kooperieren, ist ihre Plattformen zusammenarbeiten zu lassen. Der technologische Aufwand dafür ist weitaus größer als so mancher denkt. Doch die, die bei der letzten Investment-Runde leer ausgingen, wissen, dass sie auf ihre Kernkompetenzen setzen müssen, um existenzfähig zu bleiben. Im Klartext: Sie vertrauen ihre entwickelten Services ihren „Partnern“ an und überlassen diese ihnen sogar. Denn um sich auf das zu konzentrieren, was sie am besten können, müssen Adtech-Unternehmen in der Lage sein, ihre Angebote nahtlos in Netzwerke anderer Anbieter integrieren zu können. Das funktioniert, wenn Technologien wie Puzzleteile ineinandergreifen. Daten müssen übertragbar sein, IDs müssen plattformübergreifend zugänglich sein und Creatives müssen für dynamische Cross-Device-Nutzung optimiert werden. Damit brach die Ära der Kooperation an.

Kooperation auf deine oder meine Art?

Und genau diese Ära führte vermehrt zu öffentlichkeitswirksamen Forderungen nach der Standardisierung von Formaten, Technologien und Arbeitsprozessen. Fast verleiht die gegenwärtige Atmosphäre in der Branche das Gefühl von Verbrüderung, in der man sich zusammenschließt, um gegen dunkle Mächte zu rebellieren. Die Realität sieht allerdings weniger wie „Star Wars“ aus, sondern erinnert eher an Zustände im mittleren Osten. Nur weil Unternehmenslenker erkennen, dass Kompromissbereitschaft gefragt ist, heißt dies nicht, dass sie ihre Waffen hemmungslos niederlegen und alte Kriegsbeile begraben werden können. Einsicht ist halt doch nicht immer der erste Schritt zur Besserung.

Diese Art des Manövrierens ist nichts Neues. Standardisierung war in der Tech-Branche immer ein chaotischer Prozess, der sowohl durch die Kräfte des Marktes, als auch durch die Kooperation von Firmen beeinflusst wird. VHS schlug Betamax, weil Ersteres in der Lage war, einen 2-Stunden-Film auf einer einzelnen Videokassette zu speichern, während die Betamax gerade mal die Hälfte der Kapazität bot. Blu-Ray besiegte HD-DVD, weil es den Support großer Hollywood Studios erhielt.

In der Adtechnologie ist der Kampf fast immer der um die Daten: Wie man sie bestmöglich verbindet, ob man sie teilt oder Besitzansprüche darauf stellt. Beispielsweise versuchte das DigiTrusts Consortium, einen universalen Cookie zu entwickeln, um es Publishern zu erleichtern, effektiver mit Google und Facebook am Markt zu bestehen. Als ein Non-Profit-Organ der US-Industrie liegt es im Interesse des DigiTrusts Consortiums, die gesamte Industrie anstatt eines individuellen Unternehmens zu fördern. Die Erfolgschancen solcher Initiativen steigen und fallen mit der Bereitschaft der Unternehmen, freiwillig an Veränderungen teilzunehmen, und nicht mit einem abstrakten Standardapparat, der willkürlich die Technologie eines Anbieters vor die eines anderen stellt.

Können wir uns nicht einfach alle vertragen?

Adtech-Unternehmen müssen zusammenarbeiten, um sich am Markt bestehen zu können. Letztendlich bestimmen Bereitschaft und Wille zur Kooperation, ob Adtech-Firmen die Erwartungen ihrer Kunden erfüllen können. Um die geforderte Datentransparenz und zugeschnittene Technologielösungen zu liefern, braucht es die Grundlage technologischer Kollaboration, die ein effektiveres und datengetriebenes Umfeld für alle schaffen kann. Dabei sollte man nicht vergessen, dass es sich hierbei um harte Arbeit handelt, wo kein „Plug&Play“-Prinzip greift, bei dem man verschiedene Teile wie austauschbare Legosteine ineinandersteckt.

Bedauerlicherweise herrscht bei den Verhandlungen zwischen Adtech-Unternehmen, die innerhalb von Gemeinschaften agieren, und damit eigentlich der Zusammenarbeit dienen sollte, noch immer ein „Ich zuerst“-Denken.

Dabei sollten alle Beteiligten sich nochmal vor Augen führen, dass ehrlicher Wettbewerb nicht in eine Schlacht um Standards, Formate oder Protokolle verfallen sollte. Wenn das Gerangel um die Gunst des Kunden zu heimlichen Versuchen übergeht, mit eigens angefertigten Standards gegen andere Marktteilnehmer zu gewinnen, verliert jeder – außer eben Facebook und Google. Das Ziel der Branche sollte es gerade nicht sein, Standards zum Leid anderer und für den eigenen Erfolg zu definieren, sondern dafür, sich den Spielregeln der Walled Gardens anzupassen. Denn am Ende des Tages sind sie die wahre Konkurrenz.

John Nardone spricht auf der Adtrader 2017!

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Bild John Nardone Über den Autor/die Autorin:

John Nardone ist CEO von Flashtalking und einer der Mitgründer des Internet Advertising Bureaus (IAB). Er hat die Entwicklung von neuen Marketingansätzen und -technologien bei Pepsi, Modem Media und Marketing Management Analytics (MMA) vorangetrieben. Bei MMA hat er Marketing Mix Modelling als datengetriebene Planungsbasis im Marketing maßgeblich mit weiterentwickelt. Als CEO baute er [x+1] zu einer der führenden Data Management Plattformen auf, die 2004 durch RocketFuel übernommen wurde.

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