Der Machtkampf zwischen Publishern und Werbetreibenden um die zwei Standards in der Online-Videowerbung wütet nun schon seit mehreren Jahren. Eigentlich waren sie dazu entwickelt, sich zu ergänzen, werden jedoch häufig als Konkurrenten gesehen. Seit einem Jahr gibt es eine neue VAST-Version, die besonders mit einer neuen Funktion wirbt, die Werbetreibende bisher nur von VPAID gewohnt waren: Viewability- und Performance-Messung. Kann der neue Standard Werbetreibende davon überzeugen, von VPAID abzulassen oder machen Publisher den Schritt auf VPAID zu?
Zurück zum Ursprung
VAST, also Video Ad Serving Template, wurde 2008 mit dem Ziel entwickelt, ein Standardskript zu etablieren, das ermöglichen sollte, Videowerbung in den unterschiedlichen Videoplayern der Vermarkter abzuspielen. Für Werbetreibende konnte damit gewährleistet werden, dass ihre Ads wirklich abgespielt werden. Einige Jahre später wurde das Verlangen nach interaktiven Videoformaten größer. Da VAST nicht darauf ausgelegt war, diese Funktionen zu erfüllen, wurde 2012 mit der Video Player Ad-Serving Interface Definition (VPAID) ein neuer Werbemittelstandard geschaffen, der die Interaktionen zwischen einem Video-Ad und dem Videoplayer beschreibt. Die Möglichkeit der Interaktion mit dem Werbemittel schaffte auch die Voraussetzung zur besseren Messbarkeit, wodurch VPAID schnell auch an Attraktivität für Werbetreibende gewann. VPAID bot Werbetreibenden nicht nur einen Standard zum Ausspielen interaktiver Werbemittel, sondern auch ein Messinstrument, um die Sichtbarkeit und Performance dieser Werbemittel zu messen.
André Hillebrand, stellvertretender Vorsitzender der Fokusgruppe Bewegtbild im BVDW und Adtech & Programmatic Manager bei IP Deutschland, bedauert diesen Umstand: „VPAID kann als eine spezielle Erweiterung des VAST-Standards angesehen werden. Leider hat sich auch am deutschen Markt die Auffassung verbreitet, VPAID als Vehikel zu benutzen, Skripte in Webseiten einzuschleusen, z. B. für Sichtbarkeitsmessungen. Dabei kommt es nicht selten zu Fehlern, die auch die Webseite negativ beeinflussen können. Dank VAST 4.0 kann VPAID wieder seiner ursprünglichen Rolle gerecht werden, kreative und einmalige Werbeerlebnisse zu schaffen.“
Von Vermarktern wird seit jeher der VAST-Standard bevorzugt, da das Werbemittel direkt vom Adserver des Publishers ausgespielt wird und nicht aus externen Quellen. Bei VPAID verliert der Vermarkter ein wenig seiner Kontrolle über das Werbemittel. Auf rein technischer Ebene hat jedoch die Einspielung über VAST den Vorteil, dass die Auslieferung „seamless“ erfolgt. Es fallen also Ruckeln und die Zeitverzögerung beim Abspielen des Ads weg.
Das grundsätzliche Für und Wider der beiden Standards ist dabei mehr oder weniger geblieben. Mit der neuen VAST-Version von 2016 bestand die Möglichkeit, einen Standard endgültig zu etablieren und sowohl für Publisher als auch Werbetreibende attraktiv zu machen. Aber kann VAST 4.0 auch liefern?
Im Labyrinth der Versionen
VAST 4.0 soll durch die Möglichkeit zur Einbindung von Viewability-Messtools den Befürwortern von VPAID den Wind aus den Segeln nehmen. Jedoch ist es um die Verbreitung von VAST, zumindest global gesehen, nicht gut bestellt.
Stefan Beckmann, Geschäftsführer DACH von SpotX, schätzt den weltweiten Anteil von VAST gegenüber VPAID auf ein Fünftel. In Deutschland herrscht ein anderes Verhältnis vor. Hier liegt der Marktanteil von VAST bei zwei Dritteln. Er meint: „VAST 4.0 ist eine spannende Alternative für die Publisher, da es verbessertes Tracking auf Nachfrageseite ermöglicht, als es bei dem VAST 2.0-Standard der Fall ist. Es lässt sich also mit den Vorteilen vergleichen, die VPAID mit sich bringt. Dazu kommt – insbesondere bezogen auf Programmatic TV und Mobile –, dass VAST 4.0 die serverseitige Einspielung der Werbemittel auf Publisherseite ermöglicht.“
In der Praxis findet der neue Standard hierzulande jedoch noch wenig Anwendung. Tatsächlich wird häufig noch die Version 2.0 verwendet, wie André Hillebrand erklärt: „VAST 4.0 wird von vielen Technologieanbietern bereits angekündigt, aber konkrete Umsetzungen sind noch rar. An vielen Stellen wird noch diskutiert, welche der neuen Features und Empfehlungen tatsächlich sinnvoll sind. Im Falle von VAST geht ein Versionsupdate nicht automatisch mit umfangreichen Verbesserungen für jeden einher. Einige Neuerungen sind für den deutschen Markt kaum relevant. Das ist auch der Grund, warum z. B. VAST 3.0 von vielen Vermarktern in Deutschland übersprungen wurde. An der grundsätzlichen Fähigkeit, Video-Ads auszuspielen, änderte sich nämlich nichts. VAST 2.0 ist daher für viele immer noch der Stand der Dinge. An VAST 4.0 könnte man kritisieren, dass viele Details unklar sind. Es gibt allgemeine Empfehlungen, deren konkrete Ausgestaltung wird aber den einzelnen Marktteilnehmern überlassen."
Die Entwicklung des VPAID-Standards ist dagegen übersichtlicher. VPAID 1.0 beruht auf JavaScript und Flash-Werbemitteln. Doch da Flash nicht von mobilen Browsern und mittlerweile auch nicht mehr mit Desktop-Browsern kompatibel ist bzw. schon jetzt nicht mehr unterstützt wird, soll die neue Version VPAID 2.0 nun die Möglichkeit der Einbindung von HMTL5-Creatives bieten.
Mobile – The VAST Country
Durch die Abwesenheit von Flash in mobilen Browsern war VPAID bis zu seiner zweiten Version für Tablets und Smartphones keine Option. Doch auch mit der Möglichkeit, interaktive Videowerbemittel auf mobilen Geräten auszuspielen, sieht André Hillebrand noch Bedarf nachzubessern: „VAST ist auch auf mobilen Geräten der zentrale Auslieferungsstandard. Was interaktive Werbeerlebnisse via VPAID auf Mobile betrifft, ist man leider noch nicht so weit. Das hat viele praktische Gründe: Auf einer mobilen Plattform hat man weniger Zeit für die Ansprache, User scrollen schneller weiter, die zur Verfügung stehende Fläche für Interaktionen ist deutlich kleiner als auf dem Desktop und es kann zu Performance-Problemen kommen, wenn mehrere Skripte geladen werden müssen, gerade bei schwankenden Bandbreiten, wenn der User unterwegs ist. Es fehlen noch Konzepte und Produkte, VPAID sinnvoll im mobilen Kontext einzusetzen."
Wie sich der deutsche Markt entwickelt
Weltweit scheint sich die digitale Werbebranche schon fast auf VPAID verständigt zu haben. Der deutsche Markt hingegen fiebert erst einmal VAST 4.0 entgegen. Jedoch sieht Stefan Beckmann auch Chancen für VPAID: „In anderen Märkten, die nicht so Publisher-kontrolliert sind wie Deutschland, hat sich VPAID früher durchgesetzt, was nicht heißen soll, dass es in Deutschland nicht irgendwann der Fall sein wird.“ Er ist optimistisch, dass der Standard auch hierzulande weiter in den Fokus der Vermarkter rücken wird, muss: „Mein Gefühl ist, dass deutsche Publisher in diesem Jahr vermehrt nachgeben und VPAID verwenden werden, da der Druck der Werbetreibenden immer weiter wächst. In Deutschland wird es einen Anstieg von VPAID-Supply geben. Davon bin ich überzeugt. Wir haben schon im vergangenen Jahr einen vorsichtigen Trend in diese Richtung gesehen und er wird sich in diesem Jahr fortsetzen.“
André Hillebrand sieht jedoch noch einige Hürden, die VPAID hierzulande nehmen muss: „Schaut man in die USA, sind interaktive Inszenierungen via VPAID deutlich häufiger zu sehen. In Deutschland werden die Möglichkeiten dieser Werbeform leider viel zu selten ausgeschöpft. Die Individualität jeder einzelnen Kreation erzeugt natürlich höhere konzeptionelle und kreative Aufwände. Außerdem müssen alle Technologien einer Auslieferungskette – sei es von den Kreativagenturen, Richmediadienstleistern, Messdienstleistern, Agenturen, Vermarktern usw. – perfekt ineinandergreifen, damit es nicht zu unbeabsichtigten Effekten, wie Fehlausspielungen oder im schlimmsten Falle sogar zu Playerabstürzen kommt. Daran wird sich wohl auch in Zukunft nichts ändern. Diese Anforderungen sollten aber kein grundsätzliches Hindernis darstellen."
Letztendlich muss es bei VAST und VPAID kein Entweder-oder geben. Die beiden Standards lassen sich auch problemlos kombinieren. Die Frage ist nur, wie lange es noch dauert, bis deutsche Publisher sich komplett auf VPAID einlassen.
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