Ein jeder wird das Recht haben, vergessen zu werden. Mit der aktuellen Facebook-Kampagne wird es bereits thematisiert: das Recht, seine Identität, Einträge in sozialen Medien, Transaktionen und Spuren verschwinden zu lassen. Mit der neuen europäischen Datenschutzrichtlinie wird dieser Anspruch Realität und jeder Nutzer muss zu jeder Zeit von seinem Recht Gebrauch machen können. Viele Plattformen und Anbieter von mehr oder minder anonymisierten Daten für die Weiterverwendung auf Webseiten großer Publisher, haben zunehmend den Überblick verloren, wo die einst legitim für die eigene Nutzung erhobenen Daten herumschwirren.
Wer ist nun schuld, dass die Spur dieser Daten im Sand verläuft und keiner der Nutzer mehr einen Einfluss darauf nehmen kann, ob diese weiter existieren oder nicht? Der Publisher, der die Daten hat heben lassen? Die DMP, die die Daten für ihn aufbereitet und für die Optimierung der Profile anderer Kunden in die eigene Plattform miteinfließen lassen hat? Publisher Nr. 2, der diese Daten erwirbt, weil er mit seinen First-Party Daten keine hinreichenden Ergebnisse erzielt? Die Antwort ist: Sie alle und keiner von ihnen.
Doch was ist die Lösung dieses Problems, das bereits besteht und in einem Jahr sogar rechtlich anfechtbar wird? Zunächst einmal besteht die Lösung darin, dass sich die Publisher bewusstmachen müssen, dass sie all dies in der Hand haben und dass in ihren eigenen Nutzer-Daten bereits fast alles steckt, was sie für ihre Kampagnen benötigen. Sie sollten sich nun nach Möglichkeit mit einer DMP zusammentun, die lokal arbeitet, d.h. an die gleichen Richtlinien gebunden ist, wie das Unternehmen selbst. Dann kann sichergestellt werden, dass die Daten nur für eben jenen Kunden verwendet und auch nicht anonymisiert für Wettbewerber oder andere Marktteilnehmer bereitgestellt werden. So nimmt man sich selbst aus der Gleichung und kann nicht für die Fehler Dritter belangt werden.
Probabilistische Modellierung als Ritter in weißer Rüstung
Im Unterschied zu deterministischen (Login) Daten – bei denen einzelne Datenpunkte (wie Alter, Geschlecht, Einkommen, etc.) direkt personenbezogen erhoben und gespeichert werden – sind rein probabilistische Daten auf der Grundlage einer großen Menge von vollständig anonymisierten Daten berechnet und speichern keine personenbezogenen Daten (also keine Namen, Adressen, etc.). Ganz ohne deterministische Daten kommt man zumeist allerdings nicht aus, da man eine bestimmte „Lerngrundlage“ benötigt um daraus probabilistische Aussagen für die größere Gesamtheit an Nutzern zu treffen. In Bezug auf Datenschutz bedeutet dies, dass man a) bereits mit einer kleineren Menge an deterministischen und möglicherweise personenbezogenen Daten eine große Wirkung erzielt und b) in der eigenen Data Management Platform keine personenbezogenen Daten abspeichert und dadurch der Verletzung einer Datenschutzrichtlinie vorbeugt.
Die Zukunft des deterministischen Modells ist streitbar
Momentan existieren probabilistische und deterministische Modelle parallel und ergänzen einander. Beide haben sowohl Befürworter als auch Kritiker, da sich der Markt stetig weiterentwickelt und die Anbieter von Daten versuchen, eine rechtskonforme und für Werbekunden zeitgleich effiziente Lösung zu entwickeln. Da die neuen Datenschutzrichtlinien die Möglichkeiten für das Tracking anonymer Nutzerdaten enorm einschränken werden, glaube ich, dass die Tage gezählt sind, an denen Werbekunden allein auf deterministische Daten zählen können. Selbst große Firmen, deren Dienstleistung auf einem Login oder Opt-In Verfahren beruhen, verwenden immer öfter auch probabilistische Daten, um all ihre Nutzer gezielt targeten zu können – auch jene, die sich nicht einloggen. Mit der wachsenden Anzahl an Endgeräten wird es immer unwahrscheinlicher, dass ein Nutzer zu jeder Zeit eingeloggt ist. Es gibt jedoch auch einige Firmen, die fest davon überzeugt sind, dass sie probabilistische Daten nur so lange in Anspruch nehmen müssen bis sie genug Login-Profile gesammelt haben. Diese Unternehmen werden ihre Dienstleistungen oder Produkte so umstrukturieren, dass der Login zur Nutzung unumgänglich ist.
Kontext- und Objekt-Audience-Targeting ohne Nutzerprofile - ein vielversprechender Weg
Es wird bereits darüber diskutiert ob das Targeting auf Basis eines semantischen Umfeldes oder Kontextes in Zukunft wieder größere Bedeutung erlangen wird. Entsprechende Technologien stünden bereits zu Verfügung. Neu ist in diesem Zusammenhang das Objektprofil-bezogene Targeting. Hier werden Interaktion zwischen bekannten Nutzern und Objekten (z.B. einem Artikel, einem Film in einer Mediathek oder einer App) in einem Objektprofil gespeichert. So können Publisher viel über ihre Inhalte und die Zielgruppen für ihre Produkte lernen und diese ebenfalls gezielt für Targeting einsetzen. Ein Beispiel für eine Targeting-Einstellung wäre dann: „zeige eine bestimmte Anzeige in allen Artikeln, deren Leser vorwiegend weiblich und jünger als 35 Jahre sind“ – man würde also alle Artikel targeten, deren Objektprofile diese Eigenschaften aufweisen.
Hier geht es nicht mehr darum einen einzelnen User zu „stalken“, sondern sich auf die eigenen Inhalte und das eigene Angebot zu konzentrieren, ohne dass Wettbewerber indirekt profitieren, indem sie ebenfalls Zugriff auf die hauseigenen Daten bekommen. Damit kann man den neuen Datenschutzrichtlinien und auch den Verbrauchern gerecht werden – was unser aller Ziel für 2018 sein sollte. Publisher sollten sich wieder verstärkt darauf konzentrieren ihr eigenes Angebot zu optimieren und ihren bestehenden und potenziellen Kunden die bestmögliche Experience zu bieten. Indem Unternehmen bereits jetzt reagieren und sich an lokale Datenanbieter wenden, die mit den Richtlinien vertraut sind, können sie trotz aller Veränderungen selbstbewusst und fortschrittlich am Markt agieren.
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