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LG Hamburg Linkhaftung-Urteil und seine (Nicht-)Folgen

14. Dezember 2016
Adobe Stock alice_photo

Anfang der Woche hat das Landgericht Hamburg mit einem Beschluss (Aktenzeichen: 310 0 402/16) in der Branche für viel Wirbel gesorgt. Das Gericht fordert bei der Verlinkung auf andere Websites eine Prüfungspflicht für kommerzielle Website-Betreiber. Diesen sei es zuzumuten, vor einer Verlinkung die Inhalte der Zielseite auf mögliche Urheberrechtsverletzungen zu prüfen. Was bedeutet dieser konkrete Beschluss nun für die Website-Betreiber?

Das Hamburger Landgericht (LG) hat einem Website-Betreiber unter Androhung eines Ordnungsgelds verboten, von seiner Website auf eine bestimmte URL zu verlinken, weil dort ein Foto des Antragstellers eingebunden war, das im Nachhinein bearbeitet wurde. Der Antragsteller, ein Fotograf, rügte, dass er zwar sein Foto unter „Creative Commons“-Lizenz (CC-Lizenz) gestellt hatte, die Bearbeitung seines Fotos aber nicht in geeigneter Form kenntlich gemacht wurde. Die Veröffentlichung des Fotos auf einer Webseite stellt damit einen Verstoß gegen das Urheberrecht dar.

In der Verlinkung auf dieses bearbeitete Foto sehen die Richter eine eigenständige öffentliche Wiedergabe des Bilds, die so ohne die Erlaubnis des Fotografen erfolgte. Mit dem gesetzten Link würde der Website-Betreiber einen Zugriff für ein neues Publikum eröffnen. Daher haftet der Website-Betreiber für die Verlinkung dann, wenn "die Linksetzung schuldhaft in dem Sinne erfolgt, dass der Linksetzer um die Rechtswidrigkeit der verlinkten Zugänglichmachung wusste oder hätte wissen müssen".

Wann liegt eine Gewinnerzielungsabsicht des Websitebetreibers vor?

Für das LG Hamburg ist der gesetzte Link zum Foto durch den Website-Betreiber rechtswidrig. Es beruft sich dabei auch auf das „Playboy-Urteil“ des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Es scheint, die Hamburger Richter sind überhaupt die ersten deutschen Richter, die sich im Anschluss an ein EuGH-Urteil aus dem Sommer mit der Frage der Linkhaftung befasst haben. „Das EuGH-Urteil ist das eigentliche Problem. Schon dort ist gesagt worden, dass der Verlinkende haftet, wenn er die Möglichkeit hat, die Rechtswidrigkeit des Inhalts zu erkennen und mit Gewinnerzielungsabsicht handelt“, sagt Martin Schirmbacher, Rechtsanwalt und Fachanwalt für IT-Recht von Härting Rechtsanwälte.

Und das ist der eigentliche Knackpunkt des Beschlusses des LG Hamburg. Denn die Hamburger Richter legen das EuGH-Urteil hinsichtlich der Gewinnerzielungsabsicht besonders eng aus. Kurzgefasst: Jeder Website-Betreiber, der über eine Website Geld verdient, handelt mit Gewinnabsicht. Ihm ist daher eine besondere Prüfungspflicht bei der Verlinkung auf fremde Websites zuzumuten.

Im Hamburger Beschluss heißt es in typischen Juristendeutsch unter anderem: „Die Kammer versteht die EuGH­Rechtsprechung jedoch nicht in einem engen Sinne dahin, dass die einzelne Linksetzung unmittelbar darauf abzielen müsste, (höhere) Gewinne zu erzielen (etwa durch Klick-Honorierungen). Denn der EuGH benutzt das Kriterium der Gewinnerzielungsabzielungsabsicht lediglich zur Abgrenzung, ob dem Linksetzer Nachforschungen über die Rechtesituation bzgl. der verlinkten Seite zumutbar sind. Diese Zumutbarkeit hängt aber nicht allein davon ab, ob mit der Linksetzung unmittelbar Gewinne erzielt werden sollen, sondern nur davon, ob die Linksetzung im Rahmen eines Internetauftritts erfolgt, der insgesamt zumindest auch einer Gewinnerzielungsabsicht dient.“ Die Gewinnerzielungsabsicht hat das LG Hamburg im vorliegenden Fall bejaht, weil der Website-Betreiber mit seinem Internetauftritt Lehrmaterial vertreibt.

Martin Schirmbacher

Die Hamburger Richter nehmen also eine Gewinnerzielungsabsicht schon deshalb an, weil es sich bei dem Verlinkenden um ein Medienhaus handelt. „Auf den konkreten Link kommt es nicht an. Eine solche Auslegung lässt das EuGH-Urteil auch zu, sie ist aber nicht zwingend. Möglich wäre auch, dass man auf den konkreten Link abstellt und nur dann zu einer Haftung des Linksetzenden kommt, wenn dieser gerade mit dem Link Geld verdienen möchte. Dann mag man es für gerechtfertigt halten, dass er sich um die Zielseite kümmert und sich vergewissert, dass dort keine Rechtsverletzungen begangen werden“, sagt Schirmbacher. Wäre das ursprüngliche EuGH Urteil zur Linkhaftung also nicht schon schlimm, machen es die Hamburger Richter noch schlimmer.

Schirmbacher findet zudem, dass der Beschluss sehr seltsam zustande gekommen ist. „Die Kanzlei, die die Entscheidung erstritten hat, bezeichnet das Verfahren selbst als Musterprozess und kritisiert, was da herausgekommen ist. Der Antragsgegner ist im Gerichtsverfahren offenbar nicht anwaltlich vertreten gewesen und hat sich auch nicht besonders schlau verteidigt. Was das Ganze soll, bleibt im Dunkeln“, so Schirmbacher.

Folgenloser Beschluss

Die neue Entscheidung aus Hamburg ist zunächst einmal ein Einzelfall und betrifft nur die beteiligten Unternehmen bzw. Streitparteien. „Es betrifft ein Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz. Ein Vorgehen gegen den Beschluss ist deshalb nicht möglich, weil die Gegenseite den Beschluss als endgültig anerkannt hat", so Schirmbacher. Und was folgt konkret aus der Entscheidung? „Nichts!“, sagt Schirmbacher. „Die Wirkung entfaltet der Richterspruch nur zwischen den beteiligten Parteien. Es ist ein Einzelfall und wahrscheinlich, dass andere Gerichte mehr Augenmaß walten lassen.“

Daher sollten Website-Betreiber den Beschluss des LG Hamburg weniger Beachtung schenken und weiterhin die wichtigsten Lehren aus dem EuGH-Urteil ziehen, die Rechtsanwalt Martin Schirmbacher hier noch einmal kurz zusammenfasst:

  • Unproblematisch sind Links von privaten Seiten
  • Unproblematisch sind Links auf Inhalte, die mit Zustimmung des Urhebers im Netz sind
  • Ob generell alle Links von gewerblichen Seiten kritisch sind, steht derzeit nicht fest
  • Offen ist auch, was der Verlinkende tun muss, um sich zu vergewissern, dass die Inhalte nicht rechtswidrig sind. Hier sollte es im Einzelfall genügen nachzufragen
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