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PROGRAMMATIC

Vermarktungs-Allianzen: Publisher ziehen nicht an einem Strang

Jens von Rauchhaupt, 23. November 2016
Adobe Stock Bild: freshidea

Publisher geraten durch Google und Facebook zunehmend in die Bredouille. So sollen in Großbritannien und USA bereits über 70% der Display-Werbespendings auf Google und Facebook entfallen. In Deutschland wird es kaum anders sein. Um sich dagegen zu wehren, gehen die Publisher Bündnisse miteinander ein. Wir haben Frankreich, Großbritannien und Deutschland dahingehend untersucht, wie sich die Publisher und ihre Vermarkter dort gegen die Übermacht aus Übersee stemmen.

Der Begriff Frenemy – ein Kunstwort aus Friend und Enemy – fällt in letzter Zeit immer häufiger. Er beschreibt die Beziehung der Publisher zu Google und Facebook. Einerseits helfen die beiden US-Riesen den Werbeträgern dabei, Traffic durch Suchanzeigen und Verlinkungen aus Social Media zu generieren, auf der anderen Seite machen sie den Publishern die Werbeerlöse streitig. Bei Facebook gilt das vor allem für Mobile und Mobile Video und dem Audience-Netzwerk, denn wenn es ums Targeting geht, ist Facebook unschlagbar gut. Google hängt in der gesamten Wertschöpfungskette der Publisher: Neben Adserving (DoubleClick), dem Programmatic Stack (Google Ad Exchange) und Web Analytics (Google Analytics) ist es auch Googles eigenes Display-Netzwerk (GDN). Ob bei der Vermittlung der Werbeplätze oder selbst als Vermarkter: Mountain View verdient in der Online-Werbung überall mit.

Frankreich: La Place Media und Audience Square

Das wollte man sich zu allererst in Frankreich nicht mehr gefallen lassen. Zentralistische Ansätze haben bei unserem westlichen Nachbarn Tradition und recht früh dachten die Medienhäuser und TV-Sender Frankreichs an einen Gegenentwurf zu Google. Dazu gründeten die größten französischen Medienmarken bereits im Jahr 2013 La Place Media. Damals hieß Programmatic noch Real-Time Advertising und im Zentrum des Gründungsgedankens stand vor allem die Datenhoheit der Publisher. Über die Data-Management-Plattformen (DMP) nuggAd mit seinem Predictive-Targeting-Modell und Krux werden die an La Place angeschlossenen DSPs mit Zielgruppendaten versorgt; dazu gehören auch Lookalikes, Intent Data und Affinitätsdaten. Den programmatischen Adtech-Stack bildet der SSP- und Marktplatzanbieter Rubicon Project. Zum Portfolio von La Place Media gehören neben Desktop und Mobile auch Videoinventar, das programmatisch vermarktet wird.

Was viele in Deutschland nicht wissen, La Place Media ist nicht wirklich allein auf dem französischen Markt. Fast zeitgleich zu La Place Media initiierte Le Monde mit den Publikationen Les Echos, Prisma Média, M6, L'Express und Libération die Media-Einkaufsplattform Audience Square, über die Mediaagenturen Zugriff auf das Premiuminventar der beteiligten Publisher haben. Audience Square ist an 100 französische Websites mit einer Reichweite von 31 Mio. Unique Usern angeschlossen. Als Data Provider dient die französische DMP Ezakus. Wie La Place hat Audience Square auch eine Mobile-Lösung entwickelt, über die Advertiser automatisiert Zugriff auf App- und Mobile-Webinventar der Publisher erhalten. Im Hintergrund sorgt AppNexus für die gesamte programmatische Abwicklung. Da sich Audience Square als Premiumlösung versteht, legt man hier besonderen Wert auf Brand Safety.

Großbritannien: Pangaea oder Symmachia?

Auch in UK, dem mit Abstand größten digitalen Werbemarkt Europas, liebäugeln die Publisher bereits seit einigen Jahren mit der Gründung von Vermarktungsallianzen für eine gemeinsame programmatische Vermarktung, ohne dabei wirklich mit einer Stimme zu sprechen. Im April 2015 ging „Pangaea“ in die Betaphase. An dieser Allianz beteiligen sich unter Federführung des Guardians noch CNN International, The Financial Times, Reuters und The Economist. Das technische Backend wird von der Adtech-Plattform Rubicon Project gestellt.

Offenbar haben die Initiatoren von Pangaea die Rechnung ohne den Wirt, in diesem Fall ohne die AOP – Association of Online Publishers – gemacht. Denn die Online-Interessenvertretung britischer Medienhäuser hat daraufhin ihr eigenes Bündnis „Symmachia“ ins Leben gerufen, der altgriechische Name für Kampfgemeinschaft. Zu den Gründungsmitgliedern gehören Auto Trader, Dennis Publishing, Telegraph Media Group, Time Inc. und auch Bauer Media UK. Insgesamt vereinigt Symmachia, das inzwischen auch einfach „Alliance“ genannt wird, 54 Mio. britische Unique User. Wiederum ist es die AppNexus-Plattform, die den technischen Unterbau für den automatisierten Mediahandel dieser Allianz bildet. Es ist schon auffallend, wie die beiden US-Plattformanbieter Rubicon und AppNexus untereinander wetteifern und sich bei den Allianzen gegenseitig ausstechen. Da die AOP als Verbandsorganisation kein kommerzieller Anbieter sein wollte, hat sie im Juli dieses Jahres die zur Allianz gegründete Symmachia Limited für eine unbekannte Summe an das Programmatic-Unternehmen Intrinsic Europe verkauft, das Symmachia operativ auf die Erfolgsspur bringen soll. Die Technologiepartnerschaft mit AppNexus hat aber weiterhin Bestand.

Allerdings wird der Erfolg von Symmachia und auch Pangaea schon jetzt in den britischen Medien angezweifelt. Pangaea habe aufgrund der limitierten Mitgliederzahl keine Traktion für die großen Trading Desks und generell fragt man sich in UK, ob durch die Möglichkeit der Publisher eigene Private Marketplaces (PMPs) aufzubauen, die Idee großer Anti-Google-Allianzen nicht generell überholt sei. Eine Fehlannahme, denn nur eine ernstzunehmende Publisher-Allianz würde die Werbegelder wieder dahin spülen, wo sie hingehören. Nämlich dort, wo der Nutzertraffic generiert wird. Voraussetzung dafür wäre freilich ein unabhängiger Datenanbieter, der von allen Publishern die Profile sammelt und dem Mediaeinkauf als DMP bereitstellt.

„Deutsche Publisher haben keine Eier in der Hose“

Profile zu teilen und anderen Publishern zur Verfügung zu stellen, davor haben deutsche Publisher offenbar Angst. Ein früherer leitender Angestellter der Telegraaf Media Group, dessen Namen wir hier nicht nennen wollen, brachte es uns gegenüber wie folgt auf den Punkt: „Die deutschen Publisher haben keine Eier in der Hose.“ Der Niederländer wundert sich – wie viele andere Marktbeobachter übrigens auch –, warum die Deutschen in puncto Publisher-Allianzen reichlich wenig auf die Strecke bringen.

Dabei war man scheinbar schon einmal so viel weiter. Denn in Deutschland gab es mehrmals die Versuche, vermarkterunabhängige Allianzen zu schmieden, übrig geblieben ist davon Ad Audience, ein Joint Venture der Vermarkter G+J Electronic Media Sales (G+J EMS), ForwardAdGroup, IP Deutschland, iq digital media marketing, Media Impact und SevenOne Media. Klingt beeindruckend, ist aber ohne Ströer und United Internet Media (UIM) und vielen anderen leider deutlich weniger als die halbe Miete.

Zudem hört man, dass die Publisher nicht unbedingt ihre besten Werbeplätze über Ad Audience freigeben, sondern das Joint Venture eher als Zusatzvermarkter für ihr Premiuminventar erachten. Schade eigentlich, denn technologisch setzt Ad Audience auf den deutschen SSP- und Marktplatzanbieter Yieldlab, als DMP werkelt Krux an den Profilen und vor allem die Partnerschaft mit dem vielversprechenden Data Provider Emetriq, eine Tochter der Deutschen Telekom, bietet die besten Voraussetzungen für eine Anti-Google- und -Facebook-Allianz. Das würde aber nur dann wirklich Sinn machen, wenn man als Vermarkter nicht parallel zur Ad Audience auf Google setzt – und wie im Fall von Axel Springer sogar ganz offiziell mit Google im Bereich Programmatic paktiert.

Im Nachhinein bleibt für Deutschland festzuhalten: Es gibt keine echte Allianz, bei der die Publisher mit Herz und Willen bei der Sache sind. Aber vielleicht ändert sich das noch und Ströer und UIM klinken sich bei Ad Audience ein. Auf jeden Fall wären die Karten schon einmal neu gemischt, wenn Axel Springer vom Google-Pakt Abstand nähme. Der entsprechende Kooperationsvertrag soll ja bald auslaufen...

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