Die Idee, eine Einkaufsplattform (DSP) direkt beim Publisher zu integrieren, ist nicht neu. In den Niederlanden hat sich der Telegraaf bereits vor zwei Jahren für diese Variante entschieden. Der Telegraaf erzielt durch den Einsatz einer eigenen Publisher DSP inzwischen 30% mehr Revenue im Vergleich zum traditionellen programmatischen Vermarktungskonzept. Weitere Publisher sind in Holland nun dem Beispiel des Telegraaf gefolgt, in Deutschland ist dieses Konzept bisher weitgehend unbekannt.
Noch immer wird die Publisher-Webpage primär durch das Sales Team des Publishers vermarktet, die Kampagnen werden in den Adserver eingebucht und nur das Restplatzinventar geht in die SSP, die wiederum die verbleibenden Plätze an mehrere DSPs verauktioniert. „Dieses Modell ist in Deutschland nach wie vor das Standardmodell, Real-Time Advertising (RTA) wird zumeist für die Restplatzvermarktung eingesetzt, da die eingesetzten technischen Systeme sich nicht untereinander verständigen“, meint Adtech-Experte Andreas Schwibbe, Gründer von Adnologies und nunmehr Managing Director vom DSP-Anbieter Platform 161.
Da über die DSP hochpreisige Bids platziert werden und auch im Adserver in einer graduellen Verteilung Kampagnen erhalten sind, die auf einen Restplatz-TKP verkauft wurden, kommt es vor, dass die DSP eigentlich ein höheres Gebot für eine einzelne Impression hätte, der Adserver aber aufgrund starrer Regelungen und nicht vorhandener maschineller Kommunikation seine günstiger verkaufte Kampagne vorzieht. Diese fehlende Kommunikation zwischen SSP, DSP und Adserver kann zur Folge haben, dass die Ad Impression aus Sicht des Publishers nicht optimal monetarisiert wird. Das neue Header-Bidding-Modell kann genau dieses Problem lösen, indem es über ein Skript das höchste Gebot der DSP mit den Preisen der Kampagnen im Adserver noch vor der tatsächlichen Auktion vergleicht.
Dieser Ansatz ist sehr vielversprechend, hat aber laut Schwibbe auch eine Schwäche. „Da das RTA-Preismodell auf CPM basiert, ist der Vergleich der Kampagnenwerte beim Header Bidding auch auf CPM beschränkt. Zudem wird lediglich das jeweils höchste theoretische Gebot der partizipierenden DSPs an den Publisher-Adserver weitergeleitet, der dann eine Überprüfung gegen seine eigenen Kampagnen durchführt und basierend darauf entweder die DSP- oder die Adserver-Kampagne zur Auslieferung auswählt. Für diese jeweils einzelne Entscheidung macht das auch Sinn, ein nachhaltiges Konzept ist dies aber noch nicht.“
Alternative: Publisher DSP
Schwibbe empfiehlt daher einen anderen Weg zu gehen und eine DSP direkt beim Publisher zu integrieren. Bei diesem Modell wird auf den Adserver größtenteils verzichtet, da alle regulären Kampagnen des Publishers nicht in den Adserver, sondern in die eigene Publisher DSP eingebucht werden. „Dadurch laufen die durch den regulären Anzeigenvertrieb verkauften Kampagnen nun gegen den Demand aus der offenen Auktion, der durch alle anderen DSPs und deren Kampagnen entsteht. Dies hat den Effekt, dass das Sales Team ein direktes, echtes Marktfeedback erhält. Restplatzkampagnen zu bspw. 0.50€ TKP liefern nun ggf. nicht mehr (vollständig), weil der grundsätzliche Demand auf einen avg. TKP i. H. v. 0,80€ TKP hinausläuft. Das Sales Team erhält so ein marktgerechtes Feedback zum Pricing und kann nun direkt nachverhandeln!“
Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass das gesamte Inventar des Publishers zunächst der SSP zur Verfügung gestellt wird und alle Werbeflächen verauktioniert werden und sich selbstständig, durch Angebot und Nachfrage, ein Preisgradient über die gesamten Kampagnen bildet. Da nun alle Kampagnen in direkter Konkurrenz (in Gegensatz zu nur dem jeweilig höchsten Gebot beim Header Bidding) miteinander stehen, nutzt der Publisher ausschließlich den Demand, um einen Floor-Preis abzubilden.
„Es werden keine willkürlichen Floors gesetzt, der Markt kann sich frei entwickeln. Dieses Modell stellt zudem die Vergleichbarkeit von CPM-, CPC- und CPA-Kampagnen zur Verfügung, so dass der Publisher-Anzeigenvertrieb nun risikoarm auch andere Preismodelle anbieten und neue Kunden erschlossen werden können“, erläutert Schwibbe.
Des Weiteren kann der Publisher auch direkt seine 1st-Party-Daten an seine DSP-Line-Items oder eine andere dedizierte Publisher-Agency-DSP-Instanz binden, die wiederum an den Agency Trading Desk angebunden wird. Für den Telegraaf und die anderen Publisher sollen sich die Ad Revenues sehr positiv entwickelt haben, weil das Modell nachhaltiger und vor allem kompetitiver sei. „Die Sales-Mitarbeiter sind nun auch viel kompetitiver unterwegs, weil Sie eine Orientierung vom Markt erhalten, so dass die Kampagnen nicht mehr ‚wie immer‘ einfach durchgewunken werden können.“
Was heißt das nun für eine DSP, sie sich als Publisher DSP eignen soll? Für sie ist die Herausforderung nicht so trivial, wie man glaubt, meint Schwibbe. „Zum einen muss sie in der Lage sein, 100% des in der SSP verfügbaren Inventars des Publishers auch anzunehmen und entsprechend mit Bid Responses reagieren können. Zum anderen kommt nur eine solche DSP in Betracht, die vollständige Preistransparenz bieten kann, da der Publisher in diesem Modell sowohl SSP als auch DSP einsehen und diese Daten abgleichen kann.“
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