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DATA

Trägt Programmatic das Publisher-Targeting zu Grabe?

Frederik Timm, 29. September 2016
Bild: Adobe Stock kevron2001

It's all about the data. Zusammen mit der Automatisierung der Werbeeinkäufe verschiebt Programmatic das Verhältnis der Datenmacht von der Publisher- zur Agenturseite. Im Gegensatz zu den „guten alten Zeiten“, wie sie auf der Vermarkterseite vielleicht aus den Tagen des Direkthandels in Erinnerung geblieben sind, streben Mediaagenturen im programmatischen Handel nach mehr: mehr Datenhoheit. Sorgt Programmatic letztendlich dafür, dass das Publisher-Targeting, wie man es kennt, stirbt? Oder können sich Vermarkter gegenüber den Mediaagenturen behaupten?

Die Sicht der Mediaagenturen

In einer idealen Welt der Mediaagenturen würden alle Publisher ohne Widerworte ihre Nutzerinformationen freigeben und die Datenhoheit läge auf der Seite der Nachfrage. Bereits jetzt gibt es Größen aus dem E-Commerce, die für das Targeting bei eigener Werbung nicht mehr auf fremde Publisher-Daten angewiesen sind. Sie verfügen bereits über ausreichend Informationen über ihre Zielgruppen und lassen die Vermarkter als reine Traffic-Lieferanten zurück.

Bei der Omnicom Media Group versucht Sascha Jansen, Chief Digital Officer, weg vom alten System zu kommen: „Das programmatische Prinzip bringt Informationen über User von der Anbieter- auf die Nachfrageseite. Der erste Gedanke ist also, dass man Publisher-Targeting vermeidet, um sich nicht der Informationstransparenz zu berauben, die man per eigenem Targeting erhält." Und Jansen weiter:

Bild: Omnicom Media Group

Jede Buchung des Publisher-Targetings zementiert zunächst einmal das alte System, statt es aufzubrechen

(Sascha Jansen)

Er sieht jedoch auch ein, dass Vermarkter sich durch ihre Daten finanzieren und diesen „Schatz“ nicht so einfach aufgeben können und wollen. Eine Alternative sieht er in Pretargeted Ad Impressions. Wenn die Ad Impressions (AI) per SSP zur Abnahme zur Verfügung gestellt werden, bedeutet pretargeted, dass diese AI bereits auf ein oder mehrere definierte Attribute vorselektiert sind. Agenturen fordern jedoch die Gewähr, den Werbetreibenden zuerst einen Blick auf die Profildaten des Publishers zu erhalten, um nicht „die Katze im Sack“ zu kaufen. Dafür kann dann auch der TKP ein wenig höher ausfallen.

Auf der anderen Seite sieht Jansen die Vermarkter nicht mehr in der starken Verhandlungsposition, wie sie es zu Zeiten des Direkthandels noch waren: „In der Vergangenheit war es allein die Publisher-Seite, die über Userinformationen verfügte. Das hat sich bereits geändert und der Trend geht weiter. Publisher müssen daher für sich prüfen, was für sie der richtige Weg zwischen Öffnung und Abkapseln von Userdaten ist. Das ist stark von der Marktposition des jeweiligen Players abhängig.“

Der Consultant sieht es differenzierter

Christian Hildebrandt, Online Marketing Technologie und Strategie Consultant, sieht das Publisher-Targeting in naher Zukunft nicht in Gefahr. Er ist der Meinung, Targeting bleibt: „Targetingfunktionalitäten sind in jedem Adserver integriert. Es hat eher etwas mit Marktmacht zu tun und solange es große, reichweitenstarke Publisher auch mit Direktgeschäft gibt, wird es auch Publisher-Targeting geben.“ Auf der anderen Seite können zu mächtige Mediaagenturen dazu führen, dass kleine Publisher an Potential einbüßen und in neuen Formen von Ad-Netzwerken aufgehen werden. Er gibt jedoch auch zu bedenken:

Bild: Christian Hildebrandt

Es gibt keinen Zweifel daran, dass Publisher das Targeting in den programmatischen Bereich übertragen haben und dass sich Targeting, so wie wir es kennen, weiter entwickeln wird, ohne dass die Vermarkter ihre Datenhoheit aufgeben müssen

(Christian Hildebrandt)

Einen weiteren klaren Vorteil für Publisher sieht Hildebrandt in ihrem Multichannel-Inventar. So sei ein großer Publisher, der die Möglichkeit hat, Display, Video, IPTV, TV und weitere Kanäle zu bedienen, gegenüber vielen Plattformen auf der Demand Side im Vorteil, da er eine dedizierte kanalübergreifende Einsicht in die Inventarräume und seine Audiences hat. Hildebrandt geht davon aus, dass das Targeting an dieser Stelle weiterhin von Publisher-Seite aus bestehen bleiben muss: „Die Werbung wird sich verändern. Interaktive Formate aus Display und Video werden über einen Multichannel- und Multidevice-Ansatz in praktisch jedes On- und Offline-Angebot hineinreichen. Große Publisher haben dadurch einen riesigen Vorteil. Wenn sie der Inhaber der On- sowie Offline-Medien sind, behalten sie die endgültige Hoheit über die Daten und werden in Zukunft Bestand haben. “

Nach Christian Hildebrandt könnten geschlossene Systeme oder Walled Gardens jedoch eine Gefahr für das übergreifende Publisher-Targeting werden. „Große geschlossene Plattformen können durch ihre Marktmacht einen hohen Anteil an Targeting-Informationen auf sich vereinen. Und verfügen diese Systeme noch über eigene Ad-Technologie und DMPs, können sie ihren Kunden speziell auf der Buy- und auch auf der Sell-Side präferiert Zugänge zu ihren geschlossenen User- und Datenräumen anbieten", so der Technologie- und Strategieberater.

Der Vermarkter

Auf Vermarkterseite sieht Michael Baum, Managing Director des Schweizer Multiscreen-Vermarkters und Marktplatzanbieters Stailamedia, besonders durch das Targeting spitzer Zielgruppen mehr Datenmacht auf Seite der Vermarkter: „Jede DSP hat schon Standardsegmente wie Alter und Geschlecht in ihr Angebot integriert. Sobald es jedoch um individuelle Kunden- und Kampagnensegmente geht, sei es mit 1st-Party- oder aggregierten Interest-Daten von einer Data Exchange, sind Sell-Side-Anbieter gefragt. Immer wichtiger ist dabei die Bereitschaft, seine Daten den Agenturen und Advertisern auch mediaunabhängig zur Verfügung zu stellen.“

Publisher haben besonders im Bereitstellen von Rohdaten einen Vorteil. Hier spielt der E-Commerce eine große Rolle. Baum sieht allerdings auch einen Wandel, der sich durch Programmatic vollzogen hat: „Natürlich hat sich das Thema Daten durch den programmatischen Handel auf die Demand Side verschoben. In der Theorie findet die Selektion und Segmentierung der User komplett auf der Einkaufsseite statt und der Publisher stellt lediglich noch die Reichweite zur Verfügung. In der Praxis ist das aber nicht der Fall. Wer sich mit Datenprodukten beschäftigt und in Know-how rund um das Datengeschäft investiert, wird profitieren.

Bild: Stailamedia

Publisher werden nicht überflüssig im Bereich Targeting, jedoch wird sich ihre Funktion im Datengeschäft verändern.

(Michael Baum)

Welche Veränderung das sind, zeigen die Cross-Device-Kampagnen, denn mit ihnen wird von der Angebotsseite immer mehr verlangt. „Publisher, die mit dem Ad Call keine Device-IDs übergeben können, sind bei diesen Kampagnen außen vor.“

In Zukunft brauchen sich vermutlich nur große Publisher, die über viele Kanäle und Devices hinweg Audience-Daten aggregieren, keine Gedanken um die Datenvormacht im Programmatic Advertising zu machen. Kleine, spezialisierte Vermarkter drohen in diesem Umfeld jedoch das Datengeschäft zu verlieren. Wie Christian Hildebrandt anmerkt, kann ihnen der Zusammenschluss zu Ad-Netzwerken zu mehr Relevanz verhelfen.

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