Factorized Bidding vs. Line Items – Programmatic Buying auf dem Prüfstand
Jens von Rauchhaupt, 12. Juli 2016Beim Aufsetzen einer Kampagne in einer Demand Site Platform (DSP) wird für jede Buchung – analog zum klassischen Mediaplan – ein sogenannter Line Item definiert. Für jede Zielgruppe, Format, Tageszeit oder sogar Regionen muss dafür jeweils eine neue Programm-Zeile angelegt und die alte angepasst werden. Diese ständige Veränderung der Line Items erhöht die Komplexität und erschwert die Arbeit von Mensch und Maschine. Die Anforderungen an die QPS - Queries per Second, also die Anzahl von Anfragen pro Sekunde, die ein System maximal abarbeiten kann - sind mit der derzeitigen Programmatic-Infrastruktur schwierig zu handhaben. Sind also die derzeitigen Einkaufs- und Adserversysteme mit dem gestiegenen Angebot und der erhöhten Nachfrage überfordert? Dies ist umstritten.
Sacha Berlik, Managing Director EMEA der Einkaufsplattform The Trade Desk, sagt ja und empfiehlt eine Abkehr von den Line-Item-basierten Systemen. Er schreibt in seinem ADZINE Gastbeitrag vom 21. Juni unter anderem: „Die Grundarchitektur unserer schönen neuen Welt ist zutiefst ineffektiv und der Workload der wichtigsten Mitarbeiter im Maschinenraum hat sich im Bereich der einfachen, manuellen Tätigkeiten massiv verschlechtert und nicht, wie erhofft, auf ein höheres, analytischeres Niveau bewegt. Für tiefe, fundierte Analysen ist im täglichen Line-Item-Rausch oft schlichtweg keine Zeit.“
Als Alternative empfiehlt Berlik die Arbeit mit sogenannten „Bidfaktoren“, deren Einsatz auch als Factorized Bidding bezeichnet wird. Dabei werden alle relevanten Targetingkriterien hinzugefügt und diese werden dann einzeln – gemäß ihrer Relevanz – gewichtet. Dieses Vorgehen ersetzt einerseits Dutzende von Line Items und ermöglicht granulare Gebote, die von Line-Item-basierten Technologien nicht beherrscht werden würden. Berlik weiter: „Die Zukunft erfordert ein massives und konsequentes Umdenken der Grundarchitektur des Großteils der am Markt befindlichen DSP-Systeme, um den wachsenden Anforderungen von Kundenseite und Targetingmöglichkeiten gerecht zu werden. Das bloße Integrieren von neuen Targeting- und Inventaroptionen reicht nicht aus.“
Nicht alle Branchenteilnehmer teilen Berliks Meinung. Jochen Schlosser, Senior Vice President Data beim Ad-Tech-Anbieter Adform (DSP, SSP, und DMP), glaubt zwar auch, dass Factorized Bidding die Komplexität deutlich reduziert, weil dadurch zum Beispiel vormals 160 Line Items auf übersichtliche 40 mit im Schnitt vier Bid-Faktoren reduziert werden. Von einer Überforderung der derzeitigen Einkaufssysteme könne aber laut Schlosser in seiner Replik auf Berliks Ausführungen keine Rede sein. „Ob ich nun 160 Zeilen betrachte oder eine einzelne Zeile mit 160 Faktoren, spielt für die Komplexität der Aufgabe absolut gar keine Rolle. Es stellt sich vielmehr unabhängig von der Struktur dieser Kampagnendaten die Frage, wie ich die Komplexität der Entscheidungsfindung reduziere.“
Den Algorithmen sei es laut Schlosser völlig egal, wie eine Kampagne aufgesetzt wird. „Der wahre und einzige Grund zum Einsatz von Bid Factors (oder sollen wir uns auf Bietpreismodifikatoren einigen) sitzt vor dem Computer. Für den Anwender ist es extrem wichtig, komplexe Kampagnen in handhabbare Stücke zu schneiden, dabei helfen uns die Bid Factors. Nur so kann der Marketeer den Überblick behalten und optimieren, an den Stellen, an denen die Systeme heute noch überfordert sind oder sie Starthilfe benötigen, bevor genügend Daten eingesammelt sind.“
Lesen Sie dazu den aktuellen Gastkommentar von Jochen Schlosser auf Adzine.de.
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