Die Zeit in der Telekommunikationsunternehmen (Telkos) durch neue Neukundenverträge große Umsätze eingefahren haben sind vorbei. Der Mobilfunkmarkt ist gesättigt und Telkos müssen sich nach neuen Monetarisierungsmöglichkeiten umsehen. Und was läge da näher, als den riesigen Haufen Daten, auf dem sie sitzen, zu nutzen? Was bei vielen anderen Unternehmen selbstverständlich und gängige Praxis ist, stellt sich für die datenschwangeren Telkos jedoch als nicht gerade einfach heraus.
Die unterschiedlichen Datenschutzbestimmungen und eine emotional aufgeheizte Stimmung in einigen Märkten stehen den Unternehmen häufig im Weg, ihre Daten weiterzuverkaufen. Hier kommen einige wenige Unternehmen ins Spiel, die sich genau darauf konzentrieren. Sie übernehmen für die Telkos die Aggregierung und den Verkauf der Daten an Werbetreibende. Wie viele Informationen von Nutzern tatsächlich freigegeben werden, hängt jedoch immer stark von den Regulierungen des Marktes und der Nachfrage ab.
Telko-Daten: Ein heißes Thema
In der Theorie sind Telko-Daten das Mekka für jeden Werbetreibenden. Die großen Mobilfunkunternehmen haben nicht nur demographische Daten über ihre Kunden wie Alter, Geschlecht und geschätztes Einkommen, sie verfügen auch über die Adressdaten, können die Standorte der Nutzer tracken und die Surfgewohnheiten registrieren. Qualitativ gesehen dürften nur 1st-Party-Daten an eine solche Exaktheit heranreichen.
Jedoch ist die Qualität der Daten Fluch und Segen zugleich. Wenn Stand- und sogar Wohnorte von Nutzern und darüber Identitäten ermittelt werden, braucht es nicht lange, um Datenschützer zu alarmieren. Dies ist gerade in Europa und insbesondere Deutschland ein wichtiges Thema für die Datenriesen. Hierzulande sind die Auflagen wesentlich strikter als beispielsweise in den USA, wo besonders die Standortdaten heiß begehrt sind. Telkos stehen damit vor der Aufgabe, auf jedem Markt gesondert mit den jeweiligen Regulatoren zusammenzuarbeiten und die Daten geschickt zu vermarkten. Aus diesem Grund kann es sich für die Unternehmen schwierig gestalten, selbstständig auf den Märkten als Datenanbieter Fuß zu fassen. Doch die Monetarisierung von Daten verspricht hohen Gewinn. Was im Moment auf einen 24 Milliarden US-Dollar-Markt geschätzt wird, soll sich laut einer Studie von '451 Research' bis 2020 auf 79 Milliarden US-Dollar erhöhen.
Um an diesem Markt teilzunehmen, bieten Unternehmen wie das Startup Zeotap ihre Dienste an. Sie aggregieren die Daten von Telkos, vermarkten sie und sorgen dafür, dass die Datenschutzrechte der verschiedenen Märkte eingehalten werden.
Noch keine Standortmessung in Echtzeit
Bei Zeotap konzentriert man sich derzeit hauptsächlich auf Daten, die durch Mobilfunkverträge gewonnen werden. So lassen sich zum Beispiel aus der Höhe des jeweiligen Vertrags Einkommensschätzungen ableiten. Erst kürzlich hat das Unternehmen so die relevanten Daten für eine gezielte Mercedes-Kampagne in Spanien geliefert. Die in Echtzeit gemessenen Standortdaten hält Daniel Heer, Geschäftsführer von Zeotap, besonders bei großen Brand-Kampagnen für überschätzt: „Es kommt auf der einen Seite darauf an, was der Kunde will und auf der anderen Seite, was regulatorisch möglich ist. In den USA wird im Moment viel über Real-Time Location Data gesprochen. Wir glauben, dass diese Art von Targeting zwar sexy klingt, jedoch nicht so viel bietet, wie manche sich davon versprechen. Man kann vielleicht 10.000 Kunden zum nahegelegenen Einzelhändler schicken. Es stellt sich die Frage, ob ein großer Brand das überhaupt will. Demographische Daten hingegen skalieren ziemlich gut. Sie sind datenschutzrechtlich nicht so sensitiv, wie Standortdaten. Wenn die Stichprobe hinreichend groß ist, können dadurch keine Identitäten abgeleitet werden.“
Doch die vermeintlichen Vorlieben von großen Brands ist nur ein Argument, das gegen Lokationsdaten spricht. Ein weit größeres Problem sind meist die Datenschutzbestimmungen der verschiedenen Märkte. Meist schiebt der Datenschutz dem reichhaltigen Quell an Informationen häufig einen Riegel vor. In einigen Ländern wird hier nicht nur seitens der Politik, sondern auch seitens der Presse sehr sensibel auf Vorstöße in diese Richtung reagiert. Deutschland ist eins davon.
Deutschland, auf verlorenem Posten?
Derzeit ist Zeotap in Märkten aus Europa, Nordamerika und Indien aktiv. Deutschland gehört nicht dazu. Obwohl das Unternehmen aus Deutschland stammt, hat man sich dagegen entschieden. „Deutschland gehört aktuell nicht zu unseren Fokusmärkten. Ob wir zukünftig auch in Deutschland aktiv werden, hängt von mehreren Faktoren ab, unter anderem der Abstimmung mit dem Regulierer“, erklärt Daniel Heer. Die Regulierer sind jedoch nur eine Hürde, die lokale Telkos und ihre Datenvermarkter nehmen müssen. Denn selbst wenn entsprechende Datenschutzbestimmungen eingehalten werden, ist man in Deutschland sehr sensibel, wenn es um die eigenen Daten. Das musste auch die Telekom schmerzhaft am eigenen Leib erfahren. In einem Pilotprojekt in Zusammenarbeit mit dem VAG Nürnberg sollten aggregierte Lokationsdaten genutzt werden, um genauere Fahrgastzahlen und Pendlerzahlen zu messen. Das Projekt wurde jedoch nach kurzer Zeit eingestellt, da es Probleme mit dem Datenschutzgab. Das Presseecho war entsprechend.
Daniel Heer bricht die Lanze für den Gebrauch der Daten in Deutschland: „Das Thema ist in Deutschland so stark emotional vorbelastet, dass noch viel Arbeit an unterschiedlichen Stellen erforderlich ist. Zum einen auf der Nutzerseite: Die Vor- und Nachteile müssen klar, einfach und transparent diskutiert werden, ohne zu viel Emotion. Wir sind der Meinung, dass die Nutzung von Telko-Daten Sinn macht, wenn alle davon profitieren: der Nutzer, das Telko und die jeweilige Industrie, die aufgrund der Daten bessere Entscheidungen treffen kann. Das sollte perspektivisch auch in Deutschland möglich sein."
Denn auch wenn man die Lokationsdaten aus der Gleichung nimmt, könnten die Telko-Daten zumindest für große Unternehmen, die vom Fernsehen demographische Daten gewohnt sind, eine vertrauenswürdige Alternative darstellen und ihnen den Einstieg in Mobile erleichtern.
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