Programmatic ist nicht mehr nur ein Thema des Mediaeinkaufs. Längst zieht Programmatic weitere Kreise und erfasst das gesamte Marketing. Das merkt man schnell wenn man mit Alexander Kiock, geschäftsführender Gesellschafter der Berliner Strategieberatung diffferent spricht. Seine Agentur berät große Marken wie Volkswagen, Beiersdorf, Sennheiser oder Audi. Auch für ihn ist das Thema Programmatic gekommen, um zu bleiben. Denn Programmatic wird zukünftig die gesamte Markenstrategie der Unternehmen beeinflussen.
Adzine: Herr Kiock, mit Ihrer Agentur diffferent beraten Sie große Marken. Was macht eigentlich eine Strategieberatungsagentur genau, inwieweit ist Ihre Arbeit praxisbezogen? Und stehen Sie dem Unternehmen oder seinem Management auch operativ zur Seite?
Alexander Kiock: Einen Praxisbezug zum Kunden gibt es auf jeden Fall immer, operativ sind wir hingegen nicht mehr involviert. Wir sind einen Schritt weiter vorn angesiedelt. Alles was vor dem Creative Briefing geschieht, ist unsere Domäne. D.h. von der strategischen Analyse über die Herleitung von Insights bis zur Entwicklung einer Marken- bzw. Produktstrategie im Markenkontext. Wenn die strategische zur kreativen Idee wurde, und damit zum Bild oder Werbespot, dann ist unsere Arbeit eigentlich getan. So war es jedenfalls in der schönen alten Welt. Heute ist das alles viel komplexer.
Adzine: Inwiefern?
Kiock: Die Umsetzung rückt immer näher an die strategische Konzeptionsphase heran. Ohne Ihre Leser zu sehr mit Buzz-Words quälen zu wollen, aber es ist eben das sogenannte Rapid-Prototyping. Die Technologien von heute sind wahnsinnig schnell und die Auswahl der Marketingkanäle ist groß. Das Ausprobieren von Ideen und die Sicht des Konsumenten auf die unterschiedlichen Medien werden auch für uns immer wichtiger. Somit sind wir auch in den Anfängen der strategischen Umsetzung involviert. Das erfordert die Zusammenarbeit mit Kreativen, Programmierern und Design Thinkern, die uns bei der täglichen Arbeit unterstützen und uns ein agiles Momentum geben.
Adzine: In welchen Zusammenhang stoßen Sie mit diffferent auf das Thema Programmatic?
Kiock: Wir haben es weniger mit dem automatisierten Mediaeinkauf zu tun, sondern eher mit Programmatic Advertising und vor allem mit Programmatic Marketing. Im Moment ist Programmatic noch eine technisch und monetär getriebene Disziplin, die aber sehr bald kreative und strategische Auswirkungen auf die Unternehmen haben wird.
Adzine: Können Ihre Kunden überhaupt etwas mit „Programmatic“ anfangen?
Kiock: Absolut. Wir haben es in unseren Beratungsgesprächen oft mit CMOs und Vertriebsleitern zu tun. Für sie ist Programmatic aufgrund seiner strategischen Potenziale ein wahnsinnig wichtiges Thema.
Adzine: Wie würden Sie Ihren Kunden Programmatic ins Deutsche übersetzen?
” (Alexander Kiock, Diffferent)Eigentlich ist Programmatic vergleichbar mit einem sehr guten Verkäufer, dem alle Informationen über den Adressaten bekannt sind und der damit befähigt ist, beim Konsumenten immer die „richtigen Knöpfe“ zu drücken. Die besondere Stärke von Programmatic ist die Veredelung von Insights über den Adressaten. Beim Programmatic Advertising geht es darum immer die richtigen Botschaften auszusteuern. Beim Programmatic Marketing kommen zusätzlich noch Transaktionsmöglichkeiten hinzu. Das können etwa digitale oder auch nicht digitale Touchpoints sein, über die dann auch die Produkterfahrung des Verbrauchers mit einbezogen wird.
Adzine: Und die Daten sind dann das Bindeglied zwischen Programmatic Advertising und Programmatic Marketing?
Kiock: Exakt.
Adzine: Verschlafen deutsche Unternehmen den Einsatz von Programmatic Marketing? Das hört man ja immer wieder.
Kiock: Soweit würde ich nicht gehen, es dauert aber länger als in anderen Märkten. Vor allem das Problem der isolierten Datensilos ist noch ein großes Thema. Deutsche Unternehmen haben häufig ihre Daten noch in unterschiedlichen Systemen strukturiert. Außerdem spielt der Datenschutz hierzulande eine besondere Rolle. Insofern sind die Unternehmen in der Nutzung ihrer Daten für das Marketing stärker limitiert.
Adzine: Ist es aber nicht auch die Trennung zwischen Marketing und Vertrieb, die eine effiziente Datennutzung und damit eine Automatisierung des Marketings erschwert?
Kiock: Absolut. Das ist ein Teil der Datensilo-Problematik. Hier gibt es bei vielen Unternehmen einen Bruch zwischen Marketing und Vertrieb. Diese Lücke muss geschlossen werden, weil das klassische Konzept der Sales-Funnel-Stufen so nicht mehr stimmt. Die Kundenansprache kann mithilfe der Daten inzwischen viel granularer erfolgen. Das ist ja das Grundprinzip von Programmatic: Es geht weniger um ein kurzfristiges Targeting, sondern um das Zusammenbringen unterschiedlicher Informationen über eine Person, die selbst darüber entscheidet, wie sie angesprochen werden möchte. Marken sollten also nicht nur analog zum Kaufentscheidungsprozess die richtige Botschaft an den Adressaten aussenden, sondern dabei auch die passende Tonalität und eine auf die Person zugeschnittene Bilderwelt finden.
Adzine: Werbeprofile und CRM-Daten liegen doch noch oft in unterschiedlichen Silos. Welche Rolle können nun die CRM-Daten der Unternehmen für das eigene Programmatic Advertising spielen?
Kiock: Das sind in der Tat in den meisten Fällen noch zwei unterschiedliche Silos. Die CRM-Daten kommen aus dem Aftersales-Kontext und werden bisher nur unzureichend „nach vorne“ zur Werbung gegeben. Der Schlüssel ist die Identifizierung der Person. Hier wird Owned Media eine besonders wichtige Rolle spielen. Sie wird zum Leitwolf im Programmatic Marketing. Sei es über Apps oder Websites. Es geht darum, einen Mehrwert zu bieten, über den man es schafft, dass sich der Nutzer einloggt.Dann können Kundendaten aus dem CRM Kontext für die Werbebotschaft eingesetzt werden.
Adzine: Wie kann ein Unternehmen solche Mehrwerte generieren, damit sich die Menschen zum Beispiel irgendwo auf einer Unternehmensseite einloggen?
Kiock: Die Kunden müssen weit über ihre Marke und das eigentliche Produkt in Richtung Services hinausdenken. Und hier gibt es bei deutschen Marken häufig noch Nachholbedarf. Über gute Services lassen sich Kundenbeziehungen erst intensivieren und dafür geben die Verbaucher auch am ehesten ihre Daten preis.
Adzine: Mehr Services als Werbung? Wird Werbung damit nicht immer unwichtiger?
Kiock: Nein, genau das denke ich nicht. Denn die Werbung soll ja weiterhin Anstöße zu neuen Produkten und Services geben. Im Zeitalter von Programmatic geht es nur weg von plakativen Werbemaßnahmen mit schierer Mediapower, hin zu zielgenauen, personalisierten Botschaften, die den Nutzungskontext des Adressaten aufgreifen. Umso mehr zählt dann eine gute kreative Idee.
Adzine: Für viele Medialeute ist das Smartphone das Massenmedium der Zukunft. Welche Rolle spielt dann in diesem Zusammenhang der mobile Kanal für das Programmatic Marketing?
Kiock: Mobile wird zukünftig ein ganz zentraler Baustein in der Werbe- und Vertriebsstrategie der Marken sein. Es gibt kein persönlicheres und individuelles Instrument. Mobile ist so gesehen der zukünftige Dreh- und Angelpunkt, um die 1:1-Beziehung mit Konsumenten aufzunehmen.
Adzine: Herr Kiock, vielen Dank für das Gespräch!
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