Am Native Advertising scheiden sich die Geister. Für die einen ist es eine bloße Modeerscheinung, bei der Online-Werbung einfach ein neues Etikett bekommt, für andere ist Native Advertising die einzig sinnvolle Art, um mit der eigenen Zielgruppe auf authentische Weise in Kontakt zu kommen. Für Coskun Tuna, Geschäftsführer von Seeding Alliance, ist Native Advertising die Chance für einen Neustart im Online-Marketing. Seeding Alliance ist ein Blogvermarkter, der mit Native Ads sein Geld verdient. Was ist seiner Meinung nach dran, am Native Advertising?
Adzine: Herr Tuna, letzte Woche hat Ihr Unternehmen mit dem Native Ads Camp in Köln erstmalig eine eigene Veranstaltung zum Thema Native Advertising veranstaltet. Wie lief die erste Ausgabe Ihres Native Ads Camps? Welche Themen wurden besonders heiß diskutiert? Was sind Ihre eigenen Eindrücke?
Coskun Tuna: Anfänglich rechneten wir mit einer Teilnehmerzahl von 150 Personen und waren dann aber mit knapp 300 Besuchern zum Ende hin positiv überrascht. Besser kann man sich eine Auftaktveranstaltung nicht wünschen. Das Thema Native Advertising verzeichnet eine schnellere Dynamik, als sie oberflächlich vermuten lässt. Cases, KPIs und Varianten von Native Advertising waren die gefragtesten Themen. Wir haben unter den Teilnehmern eine Expertenbefragung durchgeführt, deren Ergebnisse wir in Kürze bekannt geben werden.
Adzine: Yahoo prognostiziert, dass 2020 Native Ads mit einem Anteil von 52% die dominierende digitale Werbeform sein werden – Hand aufs Herz: Wird um Native Advertising nicht etwas zu viel „Hype“ gemacht? Online Advertorials hat bspw. Plan.Net für BMW auf Spiegel Online und Welt.de schon vor sieben Jahren realisiert und Google-Ad-Sense-Anzeigen im Style des Publishers gibt es auch schon seit Jahren …
Tuna: Das altbekannte Advertorial ist nichts Neues, denn es ist nur heute besser und harmonischer eingebettet. Aber dies ist nur eines der nativen Werbeformate und in seiner Wirkungsweise nur auf das Medium begrenzt, in dem die Veröffentlichung stattfindet. Bei Native Advertising spielt ja insbesondere datengetriebene Skalierung eine große Rolle. Endlich sind wir in der Lage, sprichwörtlich das Wort skalierbar zu machen. Eine Native Ad lässt sich im natürlichen Informationsfluss der Zielgruppe über mehrere hundert Medien hinweg ausliefern. Das ist auf technischer Ebene neu und war in der Form für Werbetreibende, Vermarkter und Publisher bisher verschlossen. Ich sehe also keinen Hype, sondern die Chance für einen Neustart im Online-Marketing.
Adzine: Warum stürzen sich die Vermarkter so auf das Thema Native Ads? Verdienen sie einfach mehr damit?
Tuna: Ich persönlich vergleiche Display-Advertising gerne mit dem Handwerk des Fischers. Wir werfen Netze und Köder aus und warten auf den Fang. Dafür wenden wir alle möglichen Kniffe wie Targeting und Retargeting an. Beißt dabei ein Fisch an, wird er sofort aus dem Wasser gerissen – und man hofft auf den nächsten Fang. Der Ansatz im Native Advertising geht jedoch weiter. Wir müssen keinen Kunden mehr mit flackernden Ködern aus seiner vertrauten Umgebung reißen, sondern tauchen zu ihnen in ihr Element hinab. So lässt sich auf Dauer ein Informationskreislauf zwischen Werbetreibenden und Nutzer erschaffen, in dem wir alle zusammen nicht nur dauerhaft miteinander verbunden bleiben, sondern auch gegenseitigen wirtschaftlichen Nutzen erzielen können. So profitieren alle auf einer viel angenehmeren Art und Weise von Werbung: Kunden, Publisher, Werbende und natürlich die Vermarkter. Ein neues, gesundes Ökosystem entsteht im Reich der Werbung, in dem alle durch den Content in einer Umgebung zusammenleben, die von Übereinstimmung geprägt sein kann.
Adzine: Werbetreibende wollen vor allem eines: dass ihre Spendings in der Zielgruppe ihre Wirkung haben. Mit welchen KPIs lässt sich der Erfolg von Native Ads eigentlich belegen und gibt es bereits unabhängige Werbewirkungsstudien dazu?
Tuna: Hierzu hat Newcast einen sehr spannenden und transparenten Einblick auf dem Native Ads Camp gegeben. Die vorgestellte Berechnungsformel eines Return on Invest im Native Advertising war sehr gut durchdacht. Diesen Ansatz hier darzulegen würde etwas den Rahmen sprengen, aber am Ende waren sich alle Zuhörer einig, dass Native Advertising mehr als erfolgreiche Ergebnisse liefert im Vergleich zu Display.
Adzine: Sind Native Ads planbar und effizient? – Native Ads bedeuten ja eigentlich ein Mehraufwand für den Advertiser, der mehr Content bereitstellen muss. – Kann Native Advertising für den Werbetreibenden überhaupt effizient sein und eignen sich Native Ads auch für den programmatischen Mediahandel?
Tuna: Bei Programmatic Native Advertising handelt es sich ausschließlich um Text-Bild-Formate! Diese Unterscheidung ist wirklich sehr wichtig. Das native Advertorial oder das True Native Advertising ist derzeit noch nicht programmatisch aussteuerbar, weil es hier um vollumfänglichen Content geht. Hingegen eignen sich die Text-Bild-Anzeigen, die schon seit vielen Jahren standardisiert sind, oft für performancegetriebene Kampagnen. Aller Anfang ist bekanntlich schwer und man wird sich daran gewöhnen müssen, nicht rein marktschreierische Display-Banner zu entwickeln, sondern spannenden und leidenschaftlichen Content zu erstellen. Die Branche ist lernfähig und irgendwann wird sich dies sicherlich eingespielt haben, wenn immer mehr Werbetreibende diese Inhalte einfordern. Die positiven Ergebnisse der ersten Kampagnen sprechen für sich und zeigen auch, dass Native Ads planbar ist.
Adzine: Denken wir an mobile Werbeformen für das Smartphone: Glauben Sie, dass Native Ads hier in der Markenkommunikation (Brand Advertising) sinnvoll eingesetzt werden können? Warum könnten sich gerade Mobile und Native Advertising gut ergänzen?
Tuna: Meiner Erfahrung nach kann True Native Advertising, also die skalierbare Distribution eines Contents über mehrere Medien und alle Devices hinweg, die einzige und wirkungsvollste Werbeform für Mobile Advertising darstellen. Alles andere, was bei einem Klick aus dem Umfeld der Publikation herausführt oder beim Schließen der Anzeige zu fälschlichen Klicks führt, ist für Werbetreibende als Kampagne auf mobilen Endgeräten ungeeignet. Hier ist ein Wechselbruch auf dem Smartphone genauso wenig willkommen wie es bei Display der Fall ist.
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