Accelerated Mobile Pages (AMPs) sind ein Open-Source-Projekt von Google. Ziel ist es, eine mobile Internetseite zu entwerfen, die wesentlich schnellere Ladezeiten verspricht. Auch wenn das Projekt offen für alle ist, müssen Werbetreibende und Publisher einige Kompromisse eingehen, von denen besonders Google profitieren wird.
Das Problem mit den abspringenden Usern
Das mobile Internet stellt Programmierer vor Schwierigkeiten, die es beim Desktop nicht gibt. Es steht meist keine ausgebaute Breitbandinternetverbindung zur Verfügung. Bedingt durch das mobile Internet und schwächere Smartphoneprozessoren ist die Verbindung meist wesentlich langsamer als am stationären PC. Dieser Unterschied macht sich besonders beim Seitenaufbau im Browser bemerkbar. Auf Inhalte, die am heimischen PC in wenigen Momenten geladen sind, kann man auf dem Smartphone eine gefühlte Ewigkeit warten. Eine Ewigkeit, in der viele User das Interesse an der Seite verlieren und sie wieder verlassen. Nach Studien von Akamai und Gomez.com verlässt ein Viertel der Nutzer eine Internetseite, wenn sie nicht in weniger als vier Sekunden geladen ist. Bei der Verwendung von mobilen Geräten erwarten 89 Prozent der Befragten, dass die Ladezeiten geringfügig länger, gleich oder sogar schneller sind. Lediglich elf Prozent von ihnen stellt sich auf wesentlich längere Ladezeiten auf dem Smartphone ein.
Da insbesondere Rich-Media-Werbebanner nicht selten wesentlich mehr Speicher in Anspruch nehmen als der eigentliche Content, reagieren viele Nutzer nun auch auf den mobilen Endgeräten mit der Installation von Adblockern. Keine Werbung bedeutet für sie schnelleres mobiles Surfen. Apple geht auf das Verlangen der Nutzer ein und bietet zukünftig auf iOS 9 die Möglichkeit, Adblocker zu installieren.
Um dem Problem der abspringenden Nutzer zu begegnen, helfen AMPs durch rigoroses Abspecken. Denn im Gegensatz zu ihren fetten Geschwistern, den mobilen Standardwebseiten (MEWs), sind die kleinen AMPs Leichtgewichte. Der eingesetzte HTML-Code ist wesentlich kürzer und lässt nur eingeschränkte Nutzung von Java-Skripten, iFrames oder Einbettungen zu.
Zudem liegt die oberste Priorität auf dem eigentlichen Seiteninhalt. Werbung wird erst dann geladen, wenn der Inhalt der Website bereits sichtbar ist. An dieser Stelle herrscht noch Uneinigkeit zwischen Google und den Werbetreibenden. Durch das neue Seitenformat zwingt Google auch die Kreativagenturen zum Abspecken. Werbetreibende stehen vor der Frage: „Was bedeutet AMP nun für das Ausspielen der mobilen Werbemittel?“
Wofür braucht Google AMP?
Facebook hat es bereits unter dem Namen Facebook Instant Articles eingeführt und Apple hat es in den Dienst Apple News integriert: die Darstellung des Contents auf schnellladenden Seiten, die über eigene Server laufen. Facebook und Apple gehen nach dem sogenannten Walled-Garden-Prinzip vor. Sie bilden innerhalb ihres jeweiligen Dienstes den Content an, ohne dass der Nutzer dabei die App verlässt. Dagegen bringt Google nun seine AMPs für das offene Internet in Stellung. Bisher vereint Google für sein AMP-Projekt eine beachtliche Schar an Publishern, die sich an dem Projekt beteiligen konnten und die AMP-Seiten schon getestet haben.
Ende Februar will Google mit der umfassenden Verlinkung von AMPs in der Suchmaschine starten. Für den Nutzer bedeutet das, wenn er künftig mit seinem Handy via Google nach einer Seite sucht und diese über eine AMP-Version verfügt, wird ihm diese als gesonderte Alternative zu der MEW angeboten. Im Normalfall wird die AMP-Seite im Cache auf Googles Servern vorgeladen und so den Nutzern für einen schnelleren Zugriff verfügbar gemacht. Nach Aussage eines Google-Sprechers sei es jedem Publisher selbst überlassen, auf welchen Servern er die AMP hostet. Betreibt der Publisher jedoch seine AMP über Google, könnte es für ihn bedeuten, dass Nutzer nicht mehr länger auf die eigenen Webseiten verwiesen werden, sondern in Wirklichkeit auf Google-Servern bleiben, um die Inhalte zu konsumieren. Die Einnahmen der Werbung, die auf der AMP gezeigt wird, gehen zwar zu 100 Prozent an den Publisher, jedoch entfällt dann die Möglichkeit, dass der Nutzer auf der nativen Webseite des Publishers weiterstöbert.
Die Kontrolle über die Werbung und sämtliche Einnahmen bleibt somit bei den Verlagen. Hier unterscheidet sich das Google AMP-Modell von Facebook Instant Articles, wo die Verlage einen Anteil der Werbeeinahmen abgeben müssen. Dort erhalten die Verlage nur 70% der Erlöse, wenn die Werbung aus dem Facebook-Netzwerk kommt.
Mit Googles AMP Framework können bald weitere Analysefunktionen umgesetzt werden. Mit AMP-Analytics wird nach Aussage von Matthias Mörstedt, Technology Director von MRM McCann Düsseldorf, Tracking stark vereinfacht. Tracking per JavaScript ist auf AMP derzeit nicht möglich. Auf den abgespeckten Seiten würden Tracker die Darstellung zu sehr verlangsamen. Der Suchmaschinenkonzern bietet allerdings eine Alternative, die über die vorhandene Möglichkeit per Zählpixel hinausgeht. „Measure once, report to many“, ein Ansatz, dem Mörstedt positiv gegenübersteht: „Das Nachladen von einem oder gar mehreren Trackern in einer Website wird nicht mehr nötig sein. Mit AMP-Analytics wird ein zentrales Messen von Ereignissen im Browser des Nutzers möglich. Der Browser übermittelt dann im Hintergrund die Daten. Man kann nach wie vor mehrere Tracker auf der Seite installieren und so bei verschiedenen Anbietern Daten auswerten.“ Da die Informationen bei dieser Form des Trackings über Google laufen, ist die Frage berechtigt, bei wem in Zukunft die Datenhoheit liegen wird.
Der positive Effekt auf das Suchmaschinen-Ranking
Bisher konnte Google bereits eine signifikante Anzahl bekannter Publisher gewinnen, die ihre Inhalte auch als AMP anbieten werden, darunter befinden sich Big Player wie New York Times, FAZ.net, Zeit Online oder Vox Media. Es gibt jedoch auch eine Gruppe von über 100 europäischen und US-amerikanischen Publishern, die sich bisher gegen eine Teilnahme an dem Projekt ausgesprochen haben. Bei allen Unsicherheiten bezüglich Datenhoheit und Werbemöglichkeiten ist es verständlich, dass noch nicht alle Publisher auf den Zug aufgesprungen sind, jedoch bietet Google einen Anreiz, dem letztendlich kaum ein Publisher widerstehen kann: ein höherer Rang unter den Suchergebnissen. Der Olymp für jeden SEOler ist erklommen, wenn die bearbeitete Seite ganz oben bei den Suchergebnissen von Google steht. Dafür müssen jedoch ein paar Bedingungen erfüllt sein. Eine davon ist eine schnelle Ladegeschwindigkeit der Seite, die durch AMP enorm zunimmt. Es ist also anzunehmen, dass AMPs besser im organischen Google-Suchmaschinenranking abschneiden werden.
Werbefrage immer noch nicht geklärt – Google liebt‘s nativ, Werber wollen Glitzer
Es ist bisher noch nicht klar, welche Werbeformate auf den AMP-Seiten angeboten werden. Nur so viel scheint sicher: Google macht kein Geheimnis daraus, was sie im Hinblick auf AMP von aufwendigen Werbeformaten halten. Sie möchten die AMPs so aufgeräumt wie möglich haben und favorisieren eher Native Ads. Wo Werbetreibende ein auffälliges Mittel sehen, um möglichst viel Engagement zu erhalten, sieht Google eine Verlangsamung der Seite und argumentiert, dass durch den schnelleren Aufbau der Seite mit einfacheren Ads die Anzahl der User zunimmt, die sich die Seite und die Ads ansehen, und weniger von ihnen zu Adblockern greifen.
Noch in diesem Monat wird die Google-Gruppe zum Thema Ads ihre Ergebnisse auf AMP vorstellen. Matthias Mörstedt sieht den Ergebnissen mit Spannung entgegen: „Es wird interessant, wie Google vorgehen wird. Ob sie, so wie bei Adblockern, einige Ads durchlassen, die akzeptabel sind, oder ob sie ein Stück weit in die Steinzeit zurückgehen und sagen, Werbung darf nur eine definierte Anzahl Kilobytes groß sein. Das würde zwar einen schnellen Seitenaufbau gewährleisten, aber das wäre ja nicht die Lösung.“
Laut Mörstedt sei das Ziel der Werbetreibenden, beim priorisierten Laden der AMP-Ads die Werbemittel möglichst zeitgleich mit dem Inhalt erscheinen zu lassen. Bei Video-Ads „arbeiten derzeit viele daran, mobile Videos als animierte GIF-Vorschau online zu stellen. Erst nach dem Klick auf das GIF bekommt man das eigentliche Video zu sehen. Das wäre auch für AMP-Seiten vorstellbar.“ Eine solche Lösung wird im E-Mail-Marketing bereits seit Jahren praktiziert.
Ob die AMP-Ads von Google tatsächlich die gewünschte Verkürzung der Ladezeit bringt, wird sich erst zeigen, wenn die mobilen Seiten großflächig angeboten werden. „Die AMP-Seiten sind bisher noch sehr schlicht. Es wird sich erst noch beweisen müssen, ob man eine komplexe, optisch schöne Seite darstellen und schnell laden kann“, gibt Matthias Mörstedt zu bedenken.
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