Heute ist der Europäische Datenschutztag. Mit zahlreichen Workshops und Konferenzen mitsamt ihrer medialen Aufbereitung soll dieser Datenschutztag vor allem bei den Verbrauchern das Bewusstsein für den Datenschutz stärken. Durch Big Data und dem digitalen Marketing ist Datenschutz im Grunde genommen für alle Unternehmen längst ein zentrales Thema, nicht erst mit der kommenden Cookie-Richtlinie oder der rechtlichen Würdigung des Safe Harbor Abkommens durch das EuGH. Die digitale Werbewirtschaft ringt seit Langem mit dem Datenschutz und eine kurze Leine tut einigen Anbietern und Geschäftsmodellen auch gut. Stefan von Lieven, Vorstand des Dialogmarketing-Unternehmens artegic betrachtet es aus einem völlig anderen Blickwinkel. Er glaubt sogar, dass die digitale Wirtschaft den Datenschutz als Chance verstehen muss.
Adzine: Herr von Lieven, was bedeutet Datenschutz für die digitale Wirtschaft?
Stefan von Lieven: Datenschutz ist sowohl Chance wie auch Barriere. Wichtig ist es aber sich insbesondere der Chance bewusst zu sein. Verbraucher sind grundsätzlich bereit, personenbezogene Daten mit Unternehmen zu teilen, solange sie dem Unternehmen vertrauen können und einen relevanten Mehrwert erhalten. Damit ist Datenschutzt nicht per se ein erfolgskritischer Nachteil. Wer konsequent auf hohe Datenschutzstandards setzt und diese auch transparent kommuniziert, kann gegenüber Verbrauchern punkten. Datenschutz wird damit umgekehrt zum Wettbewerbsvorteil. Dies gilt insbesondere im internationalen Vergleich gegenüber Unternehmen aus Ländern mit weniger strengen Datenschutzgesetzen.
Adzine: Deutsche Verbraucher sind besonders sensibel hinsichtlich des Datenschutzes, was bedeutet das für hiesige Unternehmen?
von Lieven: Deutsche Verbraucher haben eine hohe Sensibilität für Datenschutzfragen, wozu auch Veranstaltungen wie der Europäische Datenschutztag beitragen. Es gibt jedoch auch Unsicherheit und Skepsis gegenüber datengetriebenen Geschäftsmodellen - nicht zuletzt aufgrund von Datenskandalen und zum Teil aufgeregter öffentlicher Debatten. Unternehmen sollten diese Sorgen ernst nehmen. Es liegt in ihrer Verantwortung, Vertrauen in die kommerzielle Nutzung von Daten beim Verbraucher aufzubauen. Vertrauen ist die Grundlage für die kundenzentrierte Digitalisierung und Datenunterstützung aller Geschäftsmodelle, nicht nur im Bereich des Marketings.
” (Stefan von Lieven, artegic)Es liegt in ihrer Verantwortung, Vertrauen in die kommerzielle Nutzung von Daten beim Verbraucher aufzubauen. Vertrauen ist die Grundlage für die kundenzentrierte Digitalisierung und Datenunterstützung aller Geschäftsmodelle, nicht nur im Bereich des Marketings.
Adzine: Was können Unternehmen denn tun, um Datenschutz als Wettbewerbsvorteil für sich zu nutzen?
von Lieven: Grundvoraussetzung ist selbstverständlich, sich mit den rechtlichen Rahmenbedingungen der Nutzung personenbezogener Daten vertraut zu machen und diese korrekt umzusetzen. D.h. insbesondere alle Prozesse rechtssicher zu gestalten und explizite Zustimmungen der Verbraucher zur Nutzung ihrer personenbezogenen Daten einzuholen. Darüber hinaus gilt es das Vertrauen der Verbraucher zu gewinnen, hier sind vor allem zwei Dinge von Bedeutung:
1. Transparent sein: Unternehmen sollten in ihrer Datennutzungserklärung/Datenschutzerklärung genau und unverklauselt beschreiben, welche Daten erhoben, für welchen Zweck diese genutzt, wie lange sie gespeichert und wie sie konkret verarbeitet werden sowie welche Auskunfts- und Löschungsrechte der betroffene Verbraucher hat. Je klarer und transparenter mit dem Thema Datenschutz umgegangen wird, desto besser. Zudem ist zu empfehlen, bereits bei der Datenerhebung Vertrauen zu schaffen mit klaren Statements wie "Ihre Daten werden nicht an Dritte weitergegeben". Weitere vertrauensbildende Maßnahmen, die dem Nutzer prominent kommuniziert werden sollten sind z.B. Datenschutzsiegel, Zertifizierungen, deutsche Serverstandorte, Ansprechpartner für Datenschutzfragen, Compliance Regelwerke oder besondere organisatorische und technische Maßnahmen zur Sicherstellung von Datenschutz und Datensicherheit. Vorbildlich handelt, wer es dem Verbraucher ermöglicht, seine Daten und auch seine Opt-Ins selbst anzupassen.
2. Verständnis für den Mehrwert schaffen: Vertrauensvoll oder nicht, warum sollte ein Verbraucher einem Unternehmen seine Daten zur Verfügung stellen, wenn er selbst nichts davon hat? Dem Verbraucher muss also ein echter Mehrwert geboten werden, etwa personalisierte Angebote, die genau auf seine Interessen abgestimmt sind, ein nutzerfreundlicheres Erlebnis, weil ein Unternehmen, das einen Verbraucher kennt, diesem gewisse Arbeitsschritte abnehmen kann.
Beispielsweise so: "Wenn wir deinen Standort und deine Vorlieben kennen, können wir Dich über die besten Restaurants in deiner Nähere informieren ..." usw. Wichtig ist, dass für den Verbraucher ersichtlich ist, dass seine Daten für die erbrachte Leistung auch notwendig sind. Wer verpflichtend eine Vielzahl an Daten verlangt, die für die Erbringung der gebotenen Leistung überhaupt nicht notwendig sind, schreckt eher ab. Auch die Erklärung, warum Daten Teil der Vereinbarung sind, hilft. Nutzer verstehen, dass manch kostenloses Angebot werbebasiert sein muss und sind nach dem Prinzip der Reziprozität eher bereit diese Gegenleistung einzugehen, wenn Sie ausdrücklich um ihre Mithilfe gebeten werden. So steigerte sich in Untersuchungen die Zustimmung um 26 Prozent mit der Formulierung „Ihre Unterstützung ist gefragt! Unser Angebot ist für Sie kostenfrei - mit zielgenauer Werbung können wir es besser finanzieren!“ im Vergleich zu einer Argumentation über den Kundennutzen besserer Werbung.
Adzine: Vielen Dank für das Gespräch.
Google hat es verstanden
Welches Unternehmen den heutigen Datenschutztag offenbar als Chance verstanden hat, ist Google. In allen EU Ländern lädt der Suchmaschinenanbieter auf der Startseite seine Nutzer dazu ein, die eigenen Datenschutzeinstellungen zu überprüfen und selbst anzupassen, um so die „Kontrolle der persönlichen Daten“ zu behalten. Widersacher Facebook hatte wie viele andere Firmen nichts zum Datenschutztag beizutragen.