Nicht nur in den Gerichtssälen der Republik, auch technologisch will die Werbebranche den Adblockern die Stirn bieten. Technologiedienstleister und Adserving-Anbieter entwickeln in ihren Maschinenräumen im Auftrag der Vermarkter und Publisher neue Methoden, um die Adblocker an den Bildschirmen der Nutzer auszuhebeln. Erste Ergebnisse sind zwar sichtbar, aber eine Lösung des Problems sind sie nicht.
Adblocker erschweren zunehmend die Werbevermarktung und minimieren die Werbeeinnahmen der Publisher. Etwa 20 Prozent der werbeführenden Page Impressions werden in Deutschland inzwischen ohne Werbung ausgeliefert, so eine Untersuchung der größten deutschen Online-Vermarkter (OVK) im Branchenverband BVDW.
Kein Wunder also, dass die Publisher und ihre Vermarkter nun auch technologisch dagegenhalten wollen. Beauftragt werden dazu Adtech-Firmen, die den Kampf gegen die Adblocker dort aufnehmen sollen, wo die Werbemittel ausgeliefert werden. So hat der Adserving- und DSP-Anbieter Adform nun seine Zusammenarbeit mit dem Unternehmen AdDefend bekannt gegeben. Die Hamburger werkeln eher im Hintergrund, den Vertrieb und die Außendarstellung übernimmt derzeit die Gruner+Jahr-Tochter Veeseo. „83 Publisher setzen AdDefend bereits gegen das Adblocking ein, darunter auch große AGOF-Mitglieder“, sagt Jan Andresen, Geschäftsführer von Veeseo.
Während die Publisher AdDefend bisher nur bei Performance-Kampagnen einsetzten, hat die neue Zusammenarbeit mit Adform nun das Ziel, klassische Displaykampagnen sichtbar zu machen. „Die Kooperation mit Adform ist für uns ein großer Schritt, weil nun die Publisher in skalierbaren Größen programmatisch gehandelte Displaykampagnen wieder ausliefern können“, so Dominik Reisig, Geschäftsführer von AdDefend.
Werbemittel durchschleusen
Doch wie funktioniert diese Technologie eigentlich? AdDefend identifiziert die Browser, die Adblocker installiert haben und wandelt den Ad-Request so um, dass das Filtersystem der Adblocker-Software den Ad-Request als solchen nicht erkennen kann. „Das System erkennt die Adblocker-Software, der Ad-Request wird aber dann nicht auf den normalen Adserver geleitet, sondern für die Adblocking-Software scheint dieser durch Ressourcen des Publishers selber verarbeitet zu werden. Einfache Display-Ads können damit dem User – gesteuert über die Adform DSP – angezeigt werden“, erläutert Jörg Vogelsang, Vice President Publisher Platforms bei Adform. AdDefend gaukelt dem Adblocker also vor, dass es sich bei dem Werbebanner um Content des Publishers und nicht um ein Werbemittel handelt.
AdDefend ist bei Weitem nicht das einzige Unternehmen, das sich den Adblockern entgegenstellt. Ebenfalls in Hamburg ansässig ist tisoomi. Das Unternehmen arbeitet ebenfalls seit einem Jahr erfolgreich auf diesem Gebiet. „Über 100 Publisher setzen bereits unsere Lösung ein, darunter sind große wie kleine Websites“, sagt tisoomi-Gründer Michael Siegler. Die Technologie scheint ähnlich wie die von AdDefend-Veeseo zu funktionieren. Auch hier wird dem Adblocker vorgespielt, dass es sich bei der Werbung um Content des Publishers handelt. Siegler sieht das Alleinstellungsmerkmal eines guten Adblock-Blockers nicht nur in der Technologie, sondern auch an einer anderen Stelle: „Die Herausforderung ist nicht nur, die Adblocker zu umgehen, die Lösung muss auch möglichst nahe am bestehenden Vermarktungsprozess der Publisher liegen, d. h., es darf zu keinen aufwendigen Veränderungen im Kampagnen-Management kommen. Als Anbieter einer Lösung, wie wir sie haben, muss man in der Lage sein, möglichst viele Informationen, die in einem Adserver-Tag vorliegen, auf der Website der Kunden unterzubringen.“ Besonders kostenintensiv ist ein Adblock-Blocker für den Publisher nicht, sagt Sieger: „Die Kosten sind für die Publisher so gering. Es lohnt sich für jeden Publisher, eine solche Lösung, wie wir sie haben, einzusetzen.“
Lösungen für Video- und Rich-Media-Werbung sind in Sicht
Allerdings sind diese „Verteidigungsmaßnahmen“ noch weit davon entfernt, perfekt zu arbeiten. Bestimme Mechanismen und Werbeformate funktionieren durch diese Methode nicht. „Audience Targeting ist leider nicht möglich, weil die Cookies zur Identifizierung weiterhin geblockt werden. Genauso wenig lassen sich Rich-Media-Formate in Flash oder HTML5 darüber ausspielen“, sagt Vogelsang. Unterm Strich verspricht Adform, dass etwa 20 bis 30 Prozent der Nutzer, die derzeit durch Adblocker im Display-Advertising „verloren“ gingen, mit dieser Methode wieder erreicht werden können.
Diese Limitierung könnte bald aufgebrochen werden. Überall arbeitet man fieberhaft daran, diese Beschränkungen zu reduzieren. So soll 2016 beispielsweise die Nutzung von HTML5-Formaten über bald AdDefend möglich sein. Auch Verbesserungen im Targeting sind geplant. Auch tisoomie hat bald eine Lösung parat. „Videowerbung und Rich-Media- bzw. HTML5-Werbung sind insgesamt eine größere technische Herausforderung als einfache Display-Ads; wir werden aber schon ab Q1 2016 dafür eine Lösung anbieten können“, stellt Siegler in Aussicht.
Einige andere Spezialdienstleister wie das französische Unternehmen Secret Media arbeiten an einem Anti-Adblocker für Videowerbung. Gemeinsam mit dem Videovermarkter und SSP-Anbieter Teads entwickelte Secret Media zum Beispiel eine Lösung, die es den Adblockern praktisch unmöglich machen soll, die Outstream-Videoanzeigen von Teads zu erkennen.
Doch insbesondere bei der klassischen Instream-Werbung ist das Umgehen der Adblocker eine recht komplexe Herausforderung, die über Ad-Stitching-Methoden bewerkstelligt werden kann. Der Werbespot wird dabei mit dem Videocontent zu einem Stream verwoben, das jedenfalls wird dem Adblocker so vorgegaukelt. Das sei „Rocket Science“ und nur eine der möglichen Varianten, so ein Sprecher eines Lösungsanbieters, der nicht genannt werden möchte, um den Adblocker-Anbietern nicht in die Karten zu spielen.
Ein ewiger Kampf
Das Wettrüsten zwischen Adblocker- und Anti-Adblock-Lösungen ist derzeit voll im Gang. Wer eine Gruner+Jahr-Seite mit verschiedenen Adblockern ansteuert, wird schnell feststellen, wie unterschiedlich gut der Adblockkiller tatsächlich funktioniert. Längst ist eine neue Generation von Adblockern im Umlauf, die auf User-Skripten basieren und wieder alles aushebeln können und so keinerlei Werbung durchlassen. Daher bleibt zu fragen, ob die Branche über Technologien überhaupt das Übel Adblocking bei der Wurzel packen kann. Interessant ist in diesem Zusammenhang das fehlende Commitment der Advertiser und ihrer Agenturen. Sollten sie nicht dafür Sorge tragen, dass die Werbung besser und interessanter wird? Michael Siegler von tisoomi ist überzeugt, dass das Adblocking langfristig auch für die Werbetreibenden zu einem Problem wird. „Die Adblocker-Quote steigt von Jahr zu Jahr zweistellig. Insofern werden auch die Advertiser langfristig durch das Adblocking Probleme bekommen, weil sie ihre werblichen Effekte gar nicht mehr über ihre Kampagnen erzielen können. Schon heute ist die die Zielgruppenerreichung stark eingeschränkt.“
Nicht alle Adblock-Nutzer scheinen per se gegen Werbung zu sein. Laut einer internen Auswertung von Veeseo klicken Adblocker-Nutzer im Durchschnitt fast genauso häufig auf die Werbebanner, die trotz Adblock-Blocker ausgeliefert wurden, wie Nutzer, die überhaupt keinen Adblocker installiert haben. „Das deutet doch darauf hin, dass viele Adblock-User gar nicht grundsätzlich etwas gegen Werbung haben. Wahrscheinlich gab es ein einmaliges Schlüsselerlebnis, das sie dazu bewegte, einen Adblocker zu installieren“, analysiert Reisig von AdDefend. Dann sollte man sowohl als Publisher als auch als Advertiser dafür Sorge tragen, solche negativen Schlüsselerlebnisse zu vermeiden.
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