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MEDIA - Adblocker-Debatte

ZAW zur Adblocker-Debatte

Jens von Rauchhaupt, 9. November 2015

Nutzer von Adblockern erhalten seit einigen Wochen gezielte Gegenwehr großer Medien. Wird nach Aufforderung der Blocker nicht deaktiviert, bleibt die Seite leer, soweit jedenfalls die Theorie. Es gibt technische Lösungen, diese Contentsperren zu umgehen. Wer Anleitungen zu dieser Umgehung im Web veröffentlicht, riskiert allerdings Abmahnungen, so erfolgt im Fall Bild.de. Welche Position nimmt der Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft (ZAW) in der der Adblocker-Thematik ein? Zu den Mitgliedern des ZAW zählen ja sowohl Medien wie auch Werbeindustrie, daher höchste Zeit für eine Einschätzung zum Adblocking-Dilemma von Dr. Bernd Nauen, dem Geschäftsführer des ZAW.

Adzine: Herr Dr. Nauen, nachdem den Adblockern juristisch kaum mehr beizukommen ist, haben einige Verlage eine Adblocker Sperre installiert und scheuern auch nicht davor zurück, Nutzer, die diese Sperre umgehen wollen, abzumahnen. Welche Position nimmt der ZAW hier ein? Befürwortet der ZAW das Vorgehen Springers und anderer Verlage kompromisslos?

Bernd Nauen

Bernd Nauen: Ob das geltende Recht keine Handhabe bietet, bleibt abzuwarten. Lassen Sie uns schauen, was der Instanzenzug zu Tage fördert. Das aktuelle Vorgehen von Axel Springer und anderen Verlagen ist aber gut nachvollziehbar. Kein User ist gezwungen, werbefinanzierten Content zu nutzen. Kündigen User den Deal, Inhalte entgeltlos, weil werbefinanziert, zu nutzen, ist es verständlich, dass die Seite, die die journalistische Leistung und die hierfür erforderliche Infrastruktur refinanzieren muss, Ihren Teil der Vereinbarung gleichfalls zurückzieht. Dies erfolgt in transparenter Weise und mit Wahlmöglichkeiten für die User.

Adzine: Das heißt, Sie sehen die Medien nicht in der Pflicht, Qualität und Quantität der Werbung auf den Webseiten besser auszusteuern?

Bernd Nauen: Sicherlich, die digitale Werbewirtschaft muss sich auch selbstkritisch fragen, ob Menge und Formate digitaler Werbung jeweils passen. Dies geschieht aber auch. Die entscheidenden Fragen dürfen darüber aber nicht in Vergessenheit geraten: Darf die mit klar kommerziellen Interessen vertriebene Adblocker-Technologie legitime Geschäftsmodelle des freien Internets aushöhlen und die damit verbundenen gesamtgesellschaftlich positiven Effekte spürbar gefährden? Welchen Stellenwert messen Gesellschaft und auch die Politik der Refinanzierungsfreiheit der Medien noch zu, wenn es – egal auf welcher Ebene – akzeptiert würde, die dafür zentralen Geschäftsmodelle durch Dritte diktieren zu lassen? Dabei muss berücksichtigt werden, dass diese Dritten geschäftliche Interessen verfolgen, aber keinen inhaltlich-redaktionellen Beitrag leisten und auch keine unternehmerische Verantwortung hierfür übernehmen.

Adzine: Wie steht der ZAW zu den Abmahnungen gegen Nutzer, die Filtereinstellungen einsetzen? Fördert ein solches Vorgehen nicht die Eskalation zwischen Nutzer und Verlage? Mit welchen Folge für die Werbewirtschaft?

Bernd Nauen: Die juristischen Schritte, sich gegen die Umgehung ihrer Angebotspolitik zur Wehr zu setzen, sind Entscheidungen der einzelnen Unternehmen; der ZAW kann diese weder verallgemeinern noch bewerten. Aber es ist festzuhalten, dass die Ausgangsentscheidung, User transparent und offen entscheiden zu lassen, welche Form der Content-Distribution sie wünschen, nachvollziehbar und ausgewogen ist.

Adzine: Offenbar sollen die Adblocker-Sperren auch den Vertrieb von Paid Content vorantreiben, um die Einbußen der Werbeeinnahmen zu kompensieren. Auf der anderen Seite sollen Advertorials und Native Advertising Formate dennoch den Weg zum Verbraucher finden. Paid Content mit Werbung - aus Sicht des ZAW eine gute Idee?

Bernd Nauen: Ohne Zweifel spielt Paid Content für viele Anbieter redaktioneller Inhalte eine wichtige Rolle. Aber jedes Medienunternehmen entscheidet selbst aufgrund seiner konkreten Marktsituation, auf welche Einnahmequellen es operativ und strategisch setzt. Werbung ist dabei sicherlich weiterhin eine zentrale Refinanzierungsquelle für redaktionelle Inhalte. Neuere, nicht standardisierte Werbeformen wie Native Advertising, werden im Markt zunehmend Bedeutung erlangen. Zentral bei all dem ist aber, dass die Refinanzierungsfreiheit – darin eingeschlossen der Mix der jeweiligen Mittel – nicht durch Dritte diktiert werden darf.

Adzine: Aber es geht bei den Reaktionen der Verlage offenbar nicht nur um das Adblocking, sondern auch um die Etablierung von Paid Content oder?

Bernd Nauen: Paid Content ist doch das klassische Erlösmodell der Verlage und älter als die Adblocking Debatte. Im Übrigen: Wer in Bezug auf Adblocking ehrlich argumentiert, wird erkennen, dass es – branchenweit betrachtet – um ein Bündel von Maßnahmen geht. Dazu gehören u.a. gute und zielgruppenrelevante Werbung, Information und Kommunikation mit den Usern über werbefinanzierte Angebote, deren Nutzen und Bedeutung, über Paid Content und schließlich auch technische Maßnahmen und entsprechende "Nudges" in die eine oder andere Richtung.

Und es sind auch regulatorische Maßnahmen notwendig, um die kommunikative Leistungen in ihrer Gesamtheit gegen Herausfiltern und Überblendungen schützen. Hier ist die Politik gefordert. Jeder Parlamentarier würde doch auch die Sitzungsleitung des Bundestags anrufen, wenn das Mikrofon am Redepult ungefragt abgestellt und erst wieder freigegeben würde, wenn die Botschaft aus der Sicht desjenigen, der den Finger am Knopf hat, stimmt. Oder?

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