Programmatic für die ganze Gruppe
Jens von Rauchhaupt, 29. Oktober 2015Seit Mai dieses Jahres hat sich die GroupM mit Connect eine eigene Service Unit verpasst, die international unter Führung von Ruud Wanck die eigenen Agenturen Medicom, Mindshare, Mediaedge und Maxus im Bereich Programmatic Buying technologisch und mit Manpower unterstützen soll. Für Deutschland hält CEO Bernd Hoffmann die Fäden von GroupM Connect in den Händen. Wir sprachen mit ihm über Programmatic Advertising und Data Driven Advertising und wie die Technologie die Arbeit der Mediaagenturen verändern wird. Bernd Hoffmann wird am TRACKS Cross Channel Advertising Summit am Panel „Die besten Silos aller Zeiten! Sind die größten Werbeplattformen Daten-Einbahnstraßen für Advertiser?“ teilnehmen.
Adzine: Herr Hoffmann, warum wurde es eigentlich nötig, GroupM Connect ins Leben zu rufen?
Bernd Hoffmann: GroupM Connect ist ein Service-Layer zwischen den GroupM Agenturen. Wenn es um biddable Media bzw. programmatische Aktivitäten geht, sollen die vier Agenturen in unserem Netzwerk das nicht selbstständig tun und dafür eigene Ressourcen aufbauen. Stattdessen erhalten sie von uns aus der Zentrale Unterstützung. Das führt zu einem einheitlichen Approach mit den besten Technologien und den besten Leuten.
Adzine: Wo ist Xaxis dort zu verorten?
Bernd Hoffmann: Xaxis gehört nach wie vor zur GroupM, deckt aber den Teil des Geschäfts ab, bei dem unsere Kunden unsere Bedingungen mit einem Opt-in akzeptieren, also dort, wo anders als im volltransparenten Geschäft eine Marge gemacht wird. Xaxis wird ja gerade in Deutschland deshalb viel diskutiert. Wir wollen aber das programmatische Geschäft vollständig transparent machen. Daher kann man den Connect-Ansatz als diametrales Gegenmodell zu Xaxis verstehen.
Adzine: Wird also die GroupM ihre Aktivitäten mit Xaxis begrenzen?
Bernd Hoffmann: Nein. Kunden für die Xaxis ein Erfolgsmodell ist, sollen auch weiterhin Xaxis nutzen können. Es gibt keinen Wettstreit zwischen Connect und Xaxis. Xaxis ist ja im Bereich Programmatic schon sehr weit. Und eines ist klar: Wenn es um technologische Themen geht, werden wir versuchen, Überschneidungen zu vermeiden.
Adzine: Welche Demand-Side-Plattformen setzen Sie eigentlich bei Connect ein, nur AppNexus?
Bernd Hoffmann: Durch die Beteiligung von WPP nutzen natürlich auch wir AppNexus. Der Kunde wählt aber immer das Setup. Wenn die Deutsche Telekom Adform einsetzt, dann nutzen wir eben auch Adform. Wir sind auf diesem Gebiet vollständig agnostisch. Connect hat im Bereich Programmatic auch eine unternehmensberatende Dimension. Wir schlagen dem Kunden Lösungswege vor, darunter auch solche, die seine Technologien berücksichtigen.
Adzine: Da Connect nunmehr seit Mai seine Tätigkeit aufgenommen hat, können Sie uns sicherlich auch einen Eindruck geben, wie sich der programmatische Mediaeinkauf gerade in Deutschland entwickelt.
Bernd Hoffmann: In Deutschland wird das Thema Programmatic weiterhin verhalten angenommen. Wenn ich das mit UK vergleiche, liegen wir um den Faktor 4 dahinter. Es ist noch immer eine Frage der Aufklärung der Kunden. Das ist nicht trivial, weil der Kunde die verschiedenen Taktiken und Vorteile der unterschiedlichen Aussteuerungsmöglichkeiten erst einmal verstehen muss. Dazu braucht man gute Leute, die den Kunden neutral beraten und das zudem auch noch umsetzen können. Es ist doch wie im Search-Bereich vor 15 Jahren: Sie brauchen die richtigen Leute und die müssen sie erst einmal am Markt bekommen. Das sind wir gerade dabei. Wir haben ein Team von 15 Leuten und wir werden das Team auch weiter aufbauen.
Adzine: Handelt es sich bei den meisten Werbekampagnen, die Connect betreut, um Performance-Kampagnen oder wollen Advertiser vermehrt ihre Branding-Kampagnen programmatisch realisieren?
Bernd Hoffmann: Es geht definitiv immer mehr in Richtung Branding- und Video-Kampagnen, die wir für unsere Kunden nun auch über Programmatic Buying einkaufen.
Adzine: Aber ist die Zeit für Programmatic nicht noch zu früh, soweit es nicht genug Content dafür gibt?
Bernd Hoffmann: Nein. Das sehe ich gar nicht so. Programmatic Video gewinnt derzeit stark an Dynamik. Das Videoinventar ist auch nicht mehr so limitiert, wie es bisher war. Außerdem kommen neue Flächen bzw. Formate hinzu. Das Thema Programmatic Video ist einfach zu lukrativ.
Adzine: Ist damit nicht insgesamt das klassische Direktgeschäft bedroht?
Bernd Hoffmann: Innerhalb der nächsten fünf Jahre haben wir es durchaus mit einer disruptiven Veränderung zu tun, was das Mediaagenturgeschäft auf der Planungsseite angeht. Wenn wir die derzeitige Dynamik betrachten, mit der die programmatischen Einkaufsmöglichkeiten voranschreiten, und in dem Zusammenhang beobachten, wie über Algorithmen und den Zukauf von externen Daten ganze Customer Journeys abgebildet werden können, sind die Aussichten im Bereich Programmatic exorbitant spannend, zum Vorteil unserer Kunden. Deshalb glaube ich in der Tat, dass in den nächsten drei bis fünf Jahren ein Großteil der klassischen Buchungen im Bereich Display durch Programmatic Buying abgelöst wird. Und das macht auch Sinn.
Adzine: Sinn für eine Mediaagentur oder auch Sinn für den Werbetreibenden?
Bernd Hoffmann: Sinn macht es vor allem für unsere Kunden, indem sie durch Erfassen und den Einsatz von Daten ihre Kampagnen viel präziser aussteuern können. Für eine Agentur, und nun spreche ich als Kaufmann, muss das erst einmal abgebildet werden. Das alles verlangt nach mehr Technologie, die wir als Agentur einkaufen müssen, und natürlich nach neuen Spezialisten, die wir so vorher nicht hatten. Wir brauchen Mathematiker, Statistiker etc. Damit bekommen Mediaagenturen ein völlig anderes Profil.
Adzine: Die Konsumenten nutzen während des Kaufentscheidungsprozesses immer mehr digitale Endgeräte. Um dieser Cross-Device Nutzung in der Kampagnensteuerung Herr zu werden, gibt es die unterschiedlichsten Lösungen, wie beispielsweise Atlas mit der Facebook ID oder auch probabilistische Ansätze. Ist Cross Device auch ein Thema für GroupM Connect?
Bernd Hoffmann: Dieser Bereich wird nicht von Connect, sondern vom GroupM Chief Product Officer Werner aus den Erlen betreut. Hier gibt es viele Lösungswege und Anbieter. Bisher gibt es aber keine optimale Lösung. Atlas erscheint zwar vielversprechend, aber hier muss man sich als Mediaagentur die Frage stellen: Will ich einen fremden Algorithmus nutzen, den Atlas mir dort präsentiert, oder wäre nicht eine neutrale Lösung wünschenswert?
Adzine: Fernab von der Cross-Device-Problematik. Wäre es nicht auch wünschenswert, wenn sich alle Nutzerbewegungsdaten für die Kampagnenaussteuerung und somit für den Mediaeinkauf gemeinsam nutzen ließen? Aber Google, Facebook und die Vermarkter schotten sich ja untereinander ab und bilden damit ihre eigenen Datensilos, die immer größer werden.
Bernd Hoffmann: Ja, und ich glaube auch nicht, dass sich dieser Walled-Garden-Ansatz auf dieser Ebene auflösen lässt. Es ist unsere Aufgabe als Mediaagentur, diese Herausforderung programmatisch aufzulösen und diese Daten zum Beispiel über eine Meta-DSP zusammenzuführen. Wir haben da sehr konkret einen eigenen Ansatz, den wir Anfang nächsten Jahres präsentieren werden. Aber so etwas kann man nicht aus dem eigenen Haus heraus entwickeln, dazu muss man Technologien dazukaufen.
Adzine: Inzwischen kaufen auch Direktmarketingagenturen über Programmatic Buying Media ein und nutzen dazu auch die CRM-Daten ihrer Kunden. Kommt mit diesen Dialogmarketingagenturen nicht ein neuer Wettbewerber auf die etablierten Mediaagenturen im Bereich Programmatic Buying zu, dem Sie sich stellen müssen?
Bernd Hoffmann: Der Wettbewerb im programmatischen Bereich nimmt insgesamt dramatisch zu. Es werden aber auch nicht viele überleben. Viele DSPs werden wieder vom Markt verschwinden, weil nicht immer ein sauberes Businessmodell dahintersteckt. Ich bin da aber relativ entspannt, weil wir mit einer Mediaholding alle Themen auf internationaler Basis abdecken können.
Adzine: Warum kann dieser internationale Ansatz hierbei von Vorteil sein?
Bernd Hoffmann: Der Mediaeinkauf wird auf internationaler Ebene in den kommenden Jahren eine größere Rolle spielen, als es jetzt der Fall ist. Jetzt wird Media noch zu 95 Prozent lokal eingekauft. Der Einkauf wird sich aber internationalisieren und dann auch in Deutschland 50 Prozent einnehmen.
Adzine: Ist das denn unbedingt erstrebenswert, wenn die Marken gar nicht mehr über lokale Mediaagenturen einkaufen?
Bernd Hoffmann: Vielleicht nicht erstrebenswert, aber das ist die Entwicklung, der wir uns alle stellen müssen. Wir wissen, dass es kommt. Wir bereiten uns genau zu diesem Thema mit unseren einzelnen Einkaufshubs vor. Das wird ein großes Problem für die nationalen Mediaagenturen, die den großen Kunden weiterhin gute Konditionen bieten müssen. Denn die Unilevers und VWs dieser Welt werden ihre Kampagnen zukünftig international aufsetzen.
Adzine: Lassen Sie uns kurz am Ende noch über Adblocking sprechen, hat die Online-Werbung ein Imageproblem?
Bernd Hoffmann: Ein Imageproblem nicht, aber das Adblocking hat eine Dimension erreicht, bei dem wir uns alle – also nicht nur die Publisher, sondern auch wir Agenturen und unsere Kunden – fragen müssen, wie wir darauf reagieren. Wenn der Nutzer mit einem Werbeoverkill konfrontiert wird und erst nach dem dritten Werbevideo Zugang zum gewünschten Content erhält, dann verstehe ich den Konsumenten, der einen Adblocker nutzt. Da müssen wir uns sehr genau aufstellen. Verbote oder juristische Methoden sind aber nicht der richtige Weg. Natürlich verstehe ich die Publisher, die nun Adblocker-Nutzer aussperren. User, die dies über Filtereinstellungen umgehen wollen, muss man aber deshalb nicht gleich abmahnen.
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Welche Agentur gehört nicht zum GroupM-Netzwerk?
- Mediacom
- Mindshare
- Mediaplus
Senden Sie bitte Ihre Antwort bis Mittwoch, den 04.11.2015 per E-Mail an sj@adzine.de. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
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