Es ist schon beeindruckend. Seit sieben Jahren feiert die dmexco jährliche Besucherrekorde: Zu ihrem Start im Jahr 2009 waren es 14.200 Besucher, 2014 empfing die Messe der digitalen Werbewirtschaft knapp 32.000 Menschen. Dieses Jahr stellte die dmexco alles Bisherige noch einmal deutlich in den Schatten: Gut 43.000 Fachbesucher kamen letzte Woche nach Köln und machten die Domstadt – zumindest für zwei Tage – wieder zum europäischen Mekka des digitalen Marketings. Selbst das fragwürdige Ticketmodell konnte daran nichts ändern. Der Triumphzug der dmexco ist ein Spiegelbild für die Entwicklung der gesamten digitalen Werbebranche.
Mit 400-Euro-Tickets baut man keine Brücken
Der Hauptslogan der diesjährigen Messe „Bridging Worlds“ wurde mit den eigenen Ticketpreisen allerdings ein wenig konterkariert. Wer sich nicht frühzeitig um eine kostenlose Eintrittskarte gekümmert hatte, erlebte eine handfeste Überraschung. Erstmalig verlangte die Messe Köln 399 Euro von den Spätentscheidern, die kurzfristig am Mittwoch die dmexco besuchen wollten. Sicher, die Veranstalter hatten das neue Preismodell früh kommuniziert. Richtig ist auch, dass das Organisationsteam Planungssicherheit haben muss. Aber 399 Euro?
Doch die Ticketpreise waren nicht das dicke Ding der dmexco. „Dick“ war einfach die schiere Masse an Ausstellern, Rednern und Fachbesuchern. 881 Aussteller und 500 Speaker, darunter auch WPP-Chef Martin Sorell, der die dmexco vor allem als Bühne für Eigenwerbung nutzte, trafen auf 43.348 Besucher in inzwischen vier Messehallen. Die dmexco 2015 habe den entscheidenden Brückenschlag in die Digiconomy erfolgreich gemeistert, resümiert die dmexco in einer Pressemitteilung selbst. Sie sei ein Riesenerfolg. Und so sehen die dmexco-Macher Christian Muche und Frank Schneider ihre Veranstaltung gar auf Augenhöhe mit den ganz großen Veranstaltungen der Medienindustrie: „In allen Bereichen der globalen Leistungsshow konnten wir unseren Wachstumskurs der letzten sieben Jahre konsequent fortführen und sowohl bei den Ausstellern und Speakern als auch bei den Besucherzahlen erneute Rekordmarken setzen. Und das auf höchstem internationalem Niveau: Neben der CES, dem MWC und den Cannes Lions zählt die dmexco erst Recht nach den vergangenen zwei Tagen zu den weltweit entscheidenden Big Four Events der digitalen Marketing-, Media- und Technologiewirtschaft.“
Places to be: Halle 7 und 8
Fast alles was Rang und Namen in der Branche hat, stellte aus und zeigte seine neuen Lösungen in vier Messehallen für die Bereiche Digitales Marketing, Advertising und Ad Technology. Eigentlich galt immer die Halle 8 als das Prunkstück, in der insbesondere die großen deutschen Vermarkter ihre zum Teil überkandidelten Messestände aufgebaut haben. Die meisten von ihnen waren auch dieses Jahr wieder dort. Allerdings hielten nun auch immer mehr Ad-Tech-Unternehmen wie Adform, OpenX, Sizmek und die Virtual Minds Gruppe mit Adition, Yieldlab und Active Agent hier Einzug. Doch auch die Stände in den anderen Messehallen gewannen deutlich an Attraktivität und Bedeutung. Aus unserer Sicht war es vor allem die Halle 7, die einen Großteil der derzeitigen Innovationstreiber beherbergte. Neben Facebook und Google und den Agency-Lounges waren dort auch Ad-Tech-Anbieter wie Adobe, AppNexus oder Teads.tv und StickyAds.tv zu finden.
Was waren die Themen oder Trends?
Nun, was waren die großen Themen der diesjährigen dmexco? Diese Frage stellte man sich immer wieder, ohne gleichzeitig einen großen Aha-Effekt in Köln zu erwarten. Wie jedes Jahr versuchte der Veranstalter mit einem eigenen Motto einen Schwerpunkt vorzugeben. Mit besagtem „Bridging Worlds“ beschrieb die dmexco einen Lösungsweg, wie Unternehmen regelbasiert alles mit allen und allem zur Digiconomy vernetzen. Nun ja, etwas abstrakt das Ganze, aber nicht falsch. Tatsächlich ist „regelbasiert“ das derzeit zentrale Thema im digitalen Marketing.
Ohne das Wort „Programmatic“ wirklich überstrapazieren zu wollen, die Unternehmen stehen schon vor der Aufgabe, wie sie alle ihre Marketing- und Werbekanäle mit Zuhilfenahme von Daten regelbasiert zur Kundenkommunikation einsetzen. Denn eigentlich verursacht die Digitalisierung ein Luxusproblem für die Werbetreibenden: Noch nie war es möglich, den Konsumenten so umfangreich auf seiner Journey zum Erwerb eines Produktes oder einer Dienstleistung zu begleiten. Nun gilt es aber, aus dieser Fülle der gesammelten Daten die richtigen Informationen für eine erfolgreiche Kundenansprache auszusortieren und überflüssige Datensätze bzw. Überschneidungen herauszuarbeiten. Und so stellen viele Anbieter und Dienstleister auf der dmexco entsprechende Lösungsansätze vor, auch solche, die Offline-Touchpoints und Online-Kontakte miteinander verbinden sollen.
Eine integrierte Multi- bzw. Omnichannel-Kommunikation ist daher die Chance und Herausforderung zugleich. Brian Boland, VP Ad-Tech von Facebook, diskutierte das zum Beispiel in der dmexco Debate Hall mit Arnd Benninghoff, CEO von Modern Times Groupx und Yann Gabay, Managing Director der Performanceagentur Netbooster. Boland sprach von einem Cross-Device-Dilemma, dem Targeting-und Tracking-„Broke“, den es noch immer zu überwinden gilt. Während die Nutzer das Gros der Mediennutzungszeit auf digitalen und insbesondere mobilen Endgeräten verbrächten, finden noch immer 90 Prozent aller Sales offline, in der realen Welt statt. Dies wird laut seiner Ansicht auch so bleiben, aber es gelte, die Nutzer über die digitalen Kanäle mit den für sie relevanten Content zu versorgen. Denn schon jetzt würden 13 Prozent aller Offline-Instore-Sales durch Maßnahmen in den digitalen Werbe- und Marketingkanälen beeinflusst.
Esome erscheint awesome
Bei der Kommunikation über Social-Media-Kanäle setzen die Unternehmen zunehmend auf Paid Media, weil organisch kaum mehr Reichweite generiert werden kann. Und so ist es nicht überraschend, dass einige Anbieter sich ganz speziell dem Thema Social Media Advertising verschrieben haben. Auf der dmexco stolperten Fachbesucher leicht über den Stand von esome, schon weil er gleich neben Facebook positioniert war. Esome ist einer der Aufsteiger im Jahr 2015. Über Schnittstellen ist das Targeting- und Kampagnenbuchungssystem an alle etablierten Social-Media-Kanäle und Social-Netzwerke (Facebook, Instagram, Tumblr, Twitter, Xing oder LinkedIn) für die Ausspielung von Online-Werbung angeschlossen. Das Unternehmen versteht sich weniger als Agentur, sondern eher als Technologieanabieter, wie uns Hansjörg Blase, Geschäftsführer von esome, sagte. Esome nutzt bereits den Adserver Atlas zur Auslieferung von Werbung außerhalb von Facebook und ist so in der Lage, ganz granular Zielgruppen zu bestimmen und kanalübergreifend auf Mobile und Desktop anzusprechen.
Ist IntelliAd schon verkauft?
Ein sehr hartnäckiges dmexco-Gerücht rankte sich um IntelliAd, den Ad-Tech- und Plattformanbieter für Performance Advertising. Die Deutsche-Post-Tochter sei angeblich schon verkauft oder ein Verkauf stünde unmittelbar bevor. Ein israelisches Unternehmen habe sich für IntelliAd entschieden. Unser Verdacht richtete sich sofort in Richtung Kenshoo. Die Israelis wiegelten allerdings auf Nachfrage von Adzine ab, wussten aber auch davon, dass IntelliAd zum Verkauf stünde. Zu IntelliAd und der Deutschen Post wird wohl in den nächsten Tagen noch mehr in der Fachpresse zu lesen sein.
Wo war eigentlich Ströer?
Für weiteren Gesprächsstoff sorgte Ströer. Es war schon etwas überraschend, dass die Kölner sich nicht mit ihrem Vermarkter Ströer Digital in Halle 8 mit einem Messestand auf der dmexco präsentierten. Schließlich ist Ströer Digital nach den Übernahmen von T-Online.de, InteractiveMedia und OMS das inzwischen größte Online-Vermarktungshaus Deutschlands. Haben sich die Kölner vielleicht verhoben oder wartet man einfach noch auf das Go des Bundeskartellamtes? Zu Ströer hörte man Widersprüchliches. So würden viele Mitarbeiter freiwillig vor dem Absprung stehen. Andere behaupteten wiederum, eine Entlassungswelle stünde bei Ströer bevor. Freilich alles Gerüchte. Sicher ist nur, dass Ströer Digital nach den ganzen Zukäufen die bestehenden Verträge mit den Technologieanbietern überprüfen wird. Es kann angenommen werden, dass zumindest auf der Technologieseite eine große Konsolidierung bei Ströer stattfinden wird. Besonders im Bereich Programmatic Advertising ist noch unklar, welchen Weg die Kölner einschlagen wollen. Wird Ströer eine zentrale Supply Side Platform für das gesamte Inventar selbst entwickeln oder hier einen großen US-Partner ins Boot holen oder soll der eigene Marktplatz adscale den gesamten Bereich Programmatic Selling abdecken?
Die großen Mediaagenturen sind jedenfalls voll auf Programmatic Buying eingestellt. „Wenn wir wollen, kaufen wir schon jetzt zu 100 % programmatisch ein“, berichtet Hossein Houssaini, Global Head of Programmatic Solutions von Havas Media, in unserem Adzine-Talk zusammen mit Jörg Manthey, Managing Director von Havas Media/Digital, in der Havas Lounge. Für Manthey ist weniger der programmatische Mediaeinkauf die Herausforderung der Stunde. Dafür habe man mit dem Aufbau einer Meta-DSP alles Erforderliche auf den Weg gebracht, vielmehr sucht man den Schulterschluss mit den Kreativagenturen. Die Kreation muss entkoppelt und Kampagnen mit bestehenden Daten-Insights konzipiert werden. Hier seien insbesondere die Kreativagenturen in der Pflicht. Das Konzept der Kreativagenturen müsse sich letztlich komplett ändern, glaubt Manthey.
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