Wenn ich Manager großer Mediengruppen treffe, höre ich, dass 15 bis 35 Prozent ihrer Zielgruppen Werbung blocken und sie so um beträchtliche Einnahmen bringen. In der Tat ist die Zahl der Nutzer von Adblockern explosionsartig angestiegen. Laut einem aktuellen Bericht von PageFair* gab es einen Anstieg von über 41 Prozent in den letzten 12 Monaten.
Dieser Trend kann sich allein mit der jüngsten Ankündigung von Apple, Adblocker auf iPhones mit iOS9 zu ermöglichen, beschleunigen. Die Aktienkurse mehrerer Ad-Tech-Stars, darunter Criteo, fielen infolge dieser News. Und behalten wir zudem im Hinterkopf: Der mobile Traffic macht 50 bis 70 Prozent der Reichweite aller großen Medienseiten aus. Trotz geringer Monetarisierung ihrer mobilen Zielgruppen konnten Online-Medienunternehmen in den letzten Monaten ihre Gewinn- und Verlustrechnungen verbessern. Der Grund sind neue Erlösquellen wie Videowerbung und Linkempfehlungen.
Publisher als reine Contenterzeuger?
Der zunehmende Einsatz von Adblockern ist eine ernste Gefahr für die Online-Werbebranche, aber eine unerwartete Entwicklung trübt die Zukunft der Medien noch mehr: Facebooks Instant Articles und das neu vorgestellte Apple-News-Format bieten Internetnutzern die Möglichkeit, Inhalte direkt zu konsumieren, ohne dafür die Medienwebseiten oder -Apps zu besuchen. In Anbetracht der Marktmacht beider Plattformen ist es sehr wahrscheinlich, dass sie einen Großteil der mobilen Konsumenten von den Medienseiten abziehen werden. Wenn das geschieht, werden Medienmarken nicht länger Zielseiten für die Internetnutzer sein, sondern lediglich Contentproduzenten. Das Risiko ist offensichtlich: Medienunternehmen drohen früher oder später die Kontrolle über ihre Werbeeinnahmen zu verlieren.
Alle großen Medienunternehmen sehen sich mit dieser grundlegenden Strukturveränderung konfrontiert, die Meinung darüber ist jedoch gespalten. Einige haben bereits bekundet, dass sie das Spiel von Facebook und Apple mitspielen werden, darunter die New York Times, The Guardian, Der Spiegel und andere. Andere hingegen versichern, dass sie sich niemals daran beteiligen werden.
Als Hauptargument für ihre Content-Distribution-Services führen Facebook oder auch Apple die User Experience an. Es ist bequemer für einen Facebook-Nutzer, einen Artikel des Guardian direkt auf der Social-Media-Plattform zu lesen, anstatt auf einen externen Link zu klicken und zu warten, bis die Nachrichtenwebseite geladen ist. Das gilt insbesondere für die vielen Nachrichtenseiten, die erst einmal große Pop-up-Anzeigen einblenden. Das ist unangenehm und ärgerlich für die Nutzer, wenn sie von Twitter oder Facebook aus auf einen Artikel zugreifen wollen.
Obwohl die Visits von sozialen Netzwerken auch eine Chance sind, neue Nutzer auf die Medieninhalte aufmerksam zu machen und sie zu unterhalten, wird ihnen viel zu oft ein beklagenswertes Ersterlebnis geboten, zum Beispiel, wenn ein Pop-up eingeblendet wird. Der Grund für diesen Fehler ist der Versuch vieler Websites, den Umsatz pro Besuch zu maximieren, statt den wirklich relevanten Umsatz während des gesamten Lebenszyklus des Nutzers im Blick zu haben. Werbetreibende müssen den Nutzer mit ihren Anzeigen respektieren, sonst reagiert er verärgert, was weder dem Publisher noch der Marke hilft.
Mehr Kontrolle für den User
Wenn sich die Medien eine vielversprechende Zukunft sichern wollen, müssen sie eine hochwertige User Experience bieten. Wenn die Bedürfnisse der Nutzer weiter ignoriert werden, schützen sie sich gegen Werbung, die sie als aggressiv empfinden, und installieren noch mehr Adblocker. Tatsache ist: 74 Prozent der Internetnutzer sagen, dass es ihr Surferlebnis ruiniert, wenn sie gezwungen werden, sich Werbung anzusehen. So ein Ergebnis von Censuswide Research.
Marken und Publisher sollten verstehen, dass Anzeigen, die dem Nutzer aufgezwungen werden, keinen Wert haben. Sie irritieren die Nutzer so sehr, dass sie sich die Anzeigen gar nicht erst anschauen. Nach einem Report von TubeMogul für das erste Quartal des Jahres 2015 verlassen 66 Prozent der Nutzer eine Seite in weniger als zwei Sekunden, wenn sie einer nicht überspringbaren Pre-Roll-Video-Werbung ausgesetzt werden, obwohl sie sich eigentlich ein redaktionelles Video ansehen wollten.
Die Zukunft der Medien beruht auf dem Erfolg von Werbung. Letztere kann die Medien aber genauso vernichten. Es ist im besten Interesse von Medienunternehmen und Marken, sich darauf zu konzentrieren, den Respekt der User wieder in den Mittelpunkt zu setzen und ihr Tun danach auszurichten.
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