Im Wettbewerb um den Kunden versuchen Unternehmen alles, um mit ihren Marken und Produkten aus dem allgemeinen Werberauschen der Anbieter hervorzustechen. Das Online Advertising bietet für clevere hierzu hervorragende Möglichkeiten, maßgeschneiderte Werbeanzeigen mit Hilfe von Audience Daten zu erstellen und auszuliefern. Wie weit sollte dabei die Nutzung der Daten gehen und wie weit ist die Branche bei der Umsetzung?
Personal Advertising ist breitflächig im Markt angekommen. Unbestritten scheint das Potenzial zur Steigerung der Effizienz von Werbekampagnen. Auch Marken wollen davon profitieren. Um zu verstehen warum, muss man einen Schritt zurückgehen. „Nehmen wir als Beispiel einen Anbieter für Konsumgüter“, erläutert Sotir Hristev. „Früher kannte dieser Anbieter durch Marktforschungsdaten aus Befragungen oder Kassendaten von Nielsen vielleicht den Markt, aber nicht wirklich seine Kunden.“ Speziell durch die Entwicklung des E-Commerce hat sich dies geändert: „Jetzt geht es nicht mehr darum, wie der Markt reagiert, sondern wie der einzelne Kunde reagiert“, ergänzt Hristev, Senior Data Scientist bei Havas Media.
Datenherkunft und Datensicherheit
Um aber seine Kunden zu kennen, bedarf es in erster Linie relevanter Daten. Woher diese kommen, erklärt Ulrich Heimann von der Agentur Annalect Group innerhalb der Omnicon Media Group: „Für zielgruppenspezifische Ansprachen nutzen wir verschiedene nicht personenbezogene, pseudonymisierte Daten, die wir in unserem Data Management nutzbar machen. Dies geht von First-Party-Daten unserer Kunden über Second-Party-Daten im Rahmen von Partnerschaften mit Publishern bis zu Third-Party-Datenanbietern. Je nach Kampagnenziel können diese Datenarten auch mit Marktforschungsdaten kombiniert werden.“
Eine heikle Sache hinsichtlich der gewonnenen Daten ist der Umgang mit ihnen. Personalisierung existiert nicht in einem Vakuum, sondern funktioniert auf Basis eines bestehenden Vertrauens, das zum Wohl aller auch eingehalten werden sollte. Schenkt man den Schlagzeilen glauben, ist dies nicht immer der Fall. Doch Hristev entkräftet: „Bei personenbezogenen Daten hört es auf, die bekommen wir nicht und wollen es auch gar nicht. Unsere Daten entsprechen dem deutschen Datenschutzrecht und liegen alle auf deutschen Servern. Bei uns gibt es keine Cloud-Lösung.“ Dies ist aber längst nicht immer die Regel, sodass Datenprovider ihre Daten häufig auf eben jenen Clouds ablegen. Ein erhöhtes Sicherheitsrisiko, bei dem sich Marken immer fragen sollten, wer Zugang zu potenziell sensiblen Daten hat und wem ich meine Daten anvertraue.
Bewusste Grenzen der persönlichen Ansprache
Allerdings hat der Datengebrauch nicht nur rein datenschutzrechtliche Hintergründe, sondern auch mit der Wirksamkeit einer personalisierten Werbekampagne zu tun. Wenn die Daten nicht dafür genutzt werden, dem Konsumenten zu einer dezidierteren Kaufentscheidung zu verhelfen, dann sind sie wenig hilfreich und können statt der verstärkten Werbeeffizienz in das genaue Gegenteil umschlagen. Gerade zu persönliche Ansprachen, bei denen sich der Kunde fragt, woher die Informationen über ihn stammen, führen zu Irritation und Frustration. Der Datenexperte von Havas Media: „Der Kunde soll sich nicht fühlen, als schüttele man ihm persönlich die Hand, vielmehr geht es für uns darum, Zielgruppensegmente zu bilden, in denen die meiste Effizienz steckt.“ Und dabei geht es weniger um den Kern einer Zielgruppe als vielmehr deren Ränder, wo die Effizienz am größten ist. Hristev erklärt: „Es geht nicht darum, die Werbebotschaft für einen Mittelwert zu bilden. Ein Beispiel: Würde ein Autobauer einen nicht verstellbaren Sitz angepasst an die Durchschnittsmaße aller Menschen bauen, würde er scheitern. Der Sitz würde schlichtweg nicht passen, weil er den Durchschnitt repräsentiert. Also müssen wir die Zielgruppen danach absuchen, wo es Ränder gibt, und dort Botschaften so bauen, dass es nicht zu Irritationen kommt.“
Es gilt, sich die Kundendaten zunutze zu machen, es aber keineswegs ausufern zu lassen. Ansprachen sollten so persönlich wie notwendig gestaltet sein, um die Aufmerksamkeit des Kunden zu erlangen, aber nicht ohne den Sinn und Zweck der Ansprache im Auge zu behalten. „Gerade bei der Nutzungsverschiebung von Desktop zu mobilen Endgeräten mit quantitativ eingeschränkteren Werbemöglichkeiten ist es wichtig, die verfügbaren Werbeplätze mit einem bestmöglichen Nutzen für den Konsumenten zu versehen. Die Ergebnisse aus A/B-Tests zeigen uns, dass wir mit passgenauer Werbung deutlich bessere Leistungs- und Akzeptanzwerte erzielen“, berichtet der Head of Data Strategy Ulrich Heimann. „Gegenüber dem klassischen Mediaeinkauf bietet gerade das Programmatic Buying auf Basis von Zielgruppeninformationen wesentliche Vorteile, um Datenwissen und Mediaeffizienz zu bündeln. Das reicht von der Transparenz und Laufzeitoptimierung von Kampagnen bis zur vermarkterübergreifenden Regulierung der Häufigkeit von Werbeeinblendungen.“
Deutsche Ingenieurskunst mit Treibstoffbedarf
In der praktischen Umsetzung des personalisierten Advertisings sieht Hristev Deutschland dabei im internationalen Vergleich vorne mit dabei: „Ich halte es für einen Mythos, dass die USA weiter sind.“ Gerade technologisch befindet man sich auf Augenhöhe. „Es ist richtig, dass viele Innovationen aus den USA stammen, wir in Deutschland verstehen uns aber mehr als Ingenieure, wo Technologien perfektioniert werden.“ Unzweifelhaft ist jedoch, dass speziell der amerikanische Markt durch lockerere Datenschutzbestimmungen wesentlich mehr Datenpunkte und einen größeren Datenpool besitzt. Hier gilt es für Datenstratege Heimann aufzuholen: „Aktuell besteht immer noch die Herausforderung, ausreichend qualitativ hochwertige Zielgruppensegmente nutzbar zu machen. Aber viele Publisher fangen an, diese Nachfrage als Möglichkeit zusätzlicher Umsätze zu verstehen, und entwickeln Strategien, diese datenschutzkonform zu vermarkten.“
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