Programmatic Advertising in der Schweiz
Jens von Rauchhaupt, 18. August 2015Die Schweizer sind insgesamt eher zurückhaltende Zeitgenossen, sie springen nicht gleich auf jeden, erstbesten Trend auf. Das galt lange Zeit auch für den automatisierten Mediahandel, dem Programmatic Advertising. Inzwischen hat sich in der Schweiz einiges getan, nachdem etwa das Verlagshaus tamedia vor einem Jahr den Einstieg in die programmatische Vermarktung bekannt gegeben hatte. Auch die Mediaagenturen wie etwa Omnicom Media haben sich mit eigenen Buying-Lösungen auf Programmatic eingestellt. Wie entwickelt sich also Programmatic Advertising in der Schweiz? Wir sprachen dazu mit Remo Prinz, CEO & Founder des schweizerischen Technologieanbieters Mediahead.
Wer könnte den schweizerischen Programmatic Advertising Markt besser einschätzen als Remo Prinz? Er ist nicht nur Chef von Mediahead, sondern auch Mitgründer und Teilhaber der Werbeagentur Serranetga und dem Premium Marktplatz von Stailamedia. Seine Anteile am ebenfalls mitgegründeten Werbenetzwerk Adwebster veräußerte er 2012 an die NZZ Mediengruppe. Zuvor war er für das schweizerisch-amerikanische IPTV-Unternehmen Zattoo tätig.
Adzine: Herr Prinz, beschreiben Sie kurz den Markt für Programmatic in der Schweiz. Sind schon viele einheimische Lösungen auf dem Markt oder geben ausländische, d. h. amerikanische DSPs den Ton an?
Remo Prinz: Mit unseren Unternehmen Mediahead und Stailamedia, die sich beide im Programmatic Markt bewegen – Mediahead auf der Nachfrageseite und Stailamedia auf der Angebotsseite –, haben wir einen guten Überblick über die Aktivitäten der verschiedenen Player. Stailamedia stellt selber Schweizer Premiuminventar programmatisch zur Verfügung. Wir sehen also, wer einkauft, und stellen fest: In der Schweiz sind Adform, Google und Appnexus sehr aktiv. Daneben greift die ganze Bandbreite internationaler DSP-Player auf das rare Schweizer Inventar zu. Im Verhältnis zu den erstgenannten ist deren Anteil im Moment jedoch verschwindend klein.
Adzine: Wie hoch ist der Anteil des Inventars, der programmatisch verfügbar ist? Wie steht es um die Verteilung zwischen Open RTB und Private Deals?
Prinz: Am besten lässt sich diese Frage mit einem Blick auf unsere Zahlen bei Mediahead beantworten. Mediahead ist ein Prozesstool, das u. a. verschiedene DSPs integriert. Dabei stellen wir fest: Das Verhältnis im Einkauf zwischen Open RTB und Private Deals ist inzwischen beinahe 50 zu 50, wobei der Budgetanteil Private Deals in den letzten Monaten stark gestiegen ist. Klar könnte ich nun behaupten, der hohe Private-Anteil liegt an besonders hohen Qualitätsansprüchen an das Inventar, das von Mediahead eingekauft wird. Das stimmt auch. Der Hauptunterschied zu Deutschland ist aber ein anderer: Aufgrund der kleinen Marktgröße sind die Schweizer Publisher gegenüber Deutschland auf durchschnittlich höhere TKP angewiesen. Demzufolge fördern die Schweizer Anbieter Private Deals in besonderem Maße, um sich auch über den RTB-Kanal möglichst hohe TKPs zu sichern.
Adzine: Wie stehen Brand Advertiser dem Thema Programmatic gegenüber? Auf welche Formate setzen sie?
Prinz: Auch hier kommt die Nachfrage langsam ins Rollen. Schweizer Werbeauftraggeber sind bekannt dafür, dass sie tendenziell eher qualitätsbewusst und etwas weniger preissensitiv agieren. Entsprechend sind Wideboards, Half-page Ads und natürlich die IAB Standardformate bei den Brand Advertisern sehr beliebt. Und natürlich InStream-Formate. Anbieter müssen nun reagieren und zunehmend auf Programmatic Branding setzen.
Adzine: Wie sieht es bei den Premiumvermarktern aus – sind sie eher zurückhaltend oder aktiv? Werden die meisten Deals in PMPs abgewickelt?
Prinz: Der Einstieg in die programmatische Welt erfolgt bei Premiumvermarktern klar über „Private Market Place“- (PMP-)Konzepte. Will heißen: Die Vermarkter setzen einen Floor Price und schränken die Käufergruppe ein. Größere Anbieter setzen ergänzend auf 1-to-1 Private Deals bzw. individuelle Angebotspakete. So machen wir es hierzulande bei Stailamedia und so sehen wir es auch bei den anderen Spielern im Markt, welche über nachgefragtes Inventar verfügen. Open RTB spielt in der „Qualitätsliga“ hingegen eine Nischenrolle.
Adzine: Wird das Thema Data & DMPs in der Schweiz eher von den Mediaagenturen oder von den Advertisern selbst getrieben?
Prinz: Weder noch. Hierzulande wird das Thema Daten eher von Vermarktern und Publishern forciert. Dazu gehören z. B. Stailamedia, Swisscom oder die Scout Gruppe. Mediaagenturen kaufen die Data Packages dann natürlich gerne ein. Aber klar, wir beobachten schon, dass Data Management bei Mediaagenturen zum heißen Thema wird. Nach den Netzwerkagenturen ziehen nun auch inhabergeführte Agenturen wie Mediaschneider nach und bauen mittels einer DMP ihre eigene Datenbasis auf. Aus diesem Grund lancieren wir mit Mediahead in den kommenden Monaten ein umfassendes Datenangebot, das in mehreren DSPs verfügbar sein wird. Ich denke das Timing ist ideal, um mit programmatisch zugänglichen Daten – also Zielgruppen – auf eine Nachfrage seitens der Werbetreibenden zu stoßen.
Adzine: Sind Viewability und Ad Fraud auch in der Schweiz ein Thema?
Prinz: Selbstverständlich. Zwar wird das Thema Ad Fraud von vielen Dienstleistern noch mangelhaft bedient und viele Endkunden sind unzureichend aufgeklärt. Doch die SSPs scheinen das Problem nun aktiv anzugehen. Das halte ich für den richtigen Ansatz – denn auf diese Weise wird das Problem sprichwörtlich an der Wurzel gepackt. Viewability gewinnt parallel mit dem zunehmenden Interesse von Branding-Kunden an Bedeutung. Auch das macht Sinn, denn für diese Kunden ist die Sichtbarkeit eine Währung, für die sie bereit sind zu zahlen – insbesondere im für die Marke vorteilhaften Kontext. Von Fortschritten in beiden Bereichen wird schließlich die ganze Wertschöpfungskette profitieren. Sie machen Werbung besser. Das wird Budget anziehen.
Adzine: Und wie steht es um die Preise?
Prinz: Mit Mediahead haben wir im letzten Monat eine interne Analyse publiziert – also unsere Einkaufskonditionen offengelegt: Das Ergebnis zeigt: Die Preise sind tendenziell im Steigen begriffen. Dafür gibt es zwei Hauptursachen: Bei Private Deals einerseits nimmt das Angebot an großformatigen – und somit teureren – Werbemitteln aus den bereits erwähnten Gründen zu. Bei Open RTB andererseits spielt neben der steigenden Nachfrage die Verknappung des Angebots durch den zunehmenden Ausschluss von Ad Fraud eine Rolle.
Adzine: Erleben Video und Mobile die gleiche Entwicklung wie hier bei uns in Deutschland?
Prinz: Bei Video herrscht in der Schweiz ein klassischer Anbietermarkt. Die wenigen dominanten Player haben gar keinen Anreiz, ihr ohnehin knappes Inventar programmatisch anzubieten – sie können es auch so teuer verkaufen. Bei Mobile hingegen herrscht im Moment ein länderübergreifender Status quo: viel Traffic, wenig Budget.
Adzine: Welche Konferenzen und Events haben für Euch Priorität, ist die dmexco für Euch zum Beispiel relevant?
Prinz: Die Dmexco hat als größter Branchenanlass im DACH-Raum natürlich ihre Relevanz für uns – man trifft viele Leute und spürt schnell, was den Markt gerade bewegt. Darüber hinaus besuchen wir die üblichen Programmatic-Anlässe wie die Adtrader oder d3con. Am relevantesten war für uns aber die letzte Appnexus-Konferenz in London. Das Unternehmen hat dort nämlich eine Ankündigung gemacht, welche für die Entwicklung der ganzen Branche wegweisend sein wird. Es ist ja bekannt, dass in kleineren Märkten die Logik, wie Inventar eingekauft wird, eine andere ist als in den USA oder UK. Die Konsequenz daraus wäre also, die Entwicklung von Algorithmen, welche den Einkauf regeln, lokalen Akteuren zu überlassen. Und genau das macht Appnexus jetzt, indem sie ihren Partnern die Türen zum Inventar öffnet und gleichzeitig die Einkaufsalgorithmen in die Hand ihrer Partner bzw. Kunden legt. Der Winner-takes-it-all-Markt schafft hier Fakten. Und sorgt dafür, dass Investitionen in eine eigene Bidding-Infrastruktur, wie sie momentan von unzähligen Programmatic-Firmen getätigt werden, überflüssig werden – im technischen Sinn. Dafür ergeben sich für neue und kleine Programmatic-Spieler Chancen – im logischen Sinn.
Adzine: Mediaheads Wachstumschancen sind in der Schweiz sicherlich begrenzt, plant Ihr mittelfristig auch in Deutschland Eure Technologie anzubieten?
Prinz: Ja, das ist der Plan. Übrigens hat Stailamedia seit knapp einem Jahr auch ein Büro in München. Von dort aus werden Deutschland und Österreich betreut. Stailamedia positioniert sich in allen drei DACH-Ländern als Media und Data Exchange.
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