Deutsche Nutzer, die auf ausländischen Seiten surfen, sind für viele Werbungtreibende interessant. Oft sind die Grenzgänger sehr gut gebildet oder sie interessieren sich für bestimmte Themen besonders stark. Vor allem wenn es darum geht, Reichweite zu erzielen, wird auf ausländischen Seiten Traffic deutscher Nutzer hinzugekauft. Und dies geschieht bevorzugt programmatisch. Doch wie steht es um die Qualität des Traffics jenseits der Grenze?
Es gibt sie, die Perlen unter den ausländischen Websites. Seiten, auf denen auch deutsche Nutzer gern surfen – Nutzer deren Profile für Werbungtreibende sehr interessant sind. Insbesondere Newsportale großer Medienmarken üben eine Anziehungskraft aus, die grenzüberschreitend ist.
„Beim programmatischen Einkauf macht es Sinn, Crossborder Traffic einzuschließen, da es um den User hinter der Impression geht“, sagt Bülent Cakir, Geschäftsführer von eComCon, einem Beratungs- und Vertriebshaus für Werbetechnologien in Hamburg. In der Regel erfolgen die Crossborder-Buchungen laut Cakir nicht separat, sondern im Rahmen „normaler“ Kampagnen.
Mitunter wünschen einige Werbungtreibende, dass ihre programmatischen Kampagnen nur auf deutschen Umfeldern laufen. Sie fürchten eine schlechte Qualität ausländischen Traffics. Doch diese Furcht ist laut Cakir unbegründet. „Ausländischer Traffic ist qualitativ nicht schlechter als inländischer. Allerdings sollte man beim programmatischen Einkauf stets Sicherheitsvorkehrungen treffen“, so der Experte.
Um seinen Kunden – den Mediaagenturen – bei der Umsetzung programmatischer Kampagnen zu helfen, arbeitet eComCon mit dem Trading- und Analysedienstleister Media IQ zusammen. Der Dienstleister setzt auf verschiedene Maßnahmen und ein mehrstufiges Verfahren, um die Brand Safety sicherzustellen. Dazu zählen
Pre- und Post-Bid-Analysen, Whitelists und eine eigene Taskforce, die Traffic auch händisch überprüft. Den Rahmen bildet eine Fraud Detection, die Websites mit auffällig hohen Klickzahlen von vornherein ausschließt.
Mit Private Deals zu den attraktiven Umfeldern
„Die Conversion Rate ist im Ausland aber stark seitenabhängig“, erläutert Christian Ratsch, ebenfalls Geschäftsführer bei eComCon. Insbesondere über Private Deals erhalte man Zugriff auf sehr interessante Crossborder-Seiten. „Mitunter sind echte Perlen darunter“, sagt Ratsch. Auf Newsportalen wie The Guardian oder auch auf Automobilseiten fänden sich immer wieder wertvolle Zielgruppen.
Aus Sicht von Marktbeobachtern machen Crossborder-Zukäufe sowohl für Audience Placements als auch für Context Placements Sinn. Programmatisch einkaufen können Werbungtreibende Crossborder Impressions ganz klassisch über SSPs und Ad Exchanges. Auch im Rahmen von Private Deals geht viel ausländischer Traffic über die Verkaufstheke. „Man sollte Crossborder Traffic nie ohne Qualitätsfilterung programmatisch einkaufen. Doch das gilt für inländischen Traffic ebenso“, sagt Ratsch.
Nicht Schwarz-Weiß denken
„Grundsätzlich generieren ausländische Inhalte qualitativ keinen schlechteren Traffic als deutsche Seiten“, bestätigt auch Olaf Mahr, Managing Director DACH des Anti-Ad-Fraud-Technologie-Anbieters Integral Ad Science. Die Art des Einkaufes ändere an dieser Tatsache nichts. „Auch in Deutschland gibt es schwarze Schafe“, sagt Mahr. So sei beispielsweise die Ad-Fraud-Rate hierzulande relativ hoch. „In Deutschland sind die TKPs vergleichsweise hoch und stabil. Kriminelle Banden aus Osteuropa und Asien werden daher verstärkt in Deutschland aktiv“, so Mahr. Die Qualität der Werbeauslieferung zu überwachen, wird daher generell immer wichtiger.
Die Technologie von Integral Ad Science ist heutzutage in nahezu allen großen DSPs integriert. Sie kann aber auch separat eingesetzt werden. Der Werbekunde stellt die gewünschten Qualitätskriterien und ihre Intensität ein. Die Anti-Ad-Fraud-Technologie analysiert und reportet dann die Traffic-Qualität beziehungsweise setzt die Gebote sofort aus, wenn der resultierende Traffic nicht den gewählten Kriterien entspricht. Man dürfe laut Mahr aber nicht in Schwarz-Weiß-Dimensionen denken. Vielmehr seien die Grautöne entscheidend. So ist beispielsweise eine 100%ige Anzeigensichtbarkeit für eine komplette Kampagne in der Praxis kaum erreichbar. „Aber wer die Sichtbarkeitsrate bereits um 50 % erhöht, der erhält einen signifikanten Uplift für seine Kampagne“, so Mahr.
Crossborder – für Schweizer sehr wichtig
Während Crossborder Traffic für deutsche Werbungtreibende etwas Zusatzreichweite oder Frequenz bedeutet, ist dies bei unseren deutschsprachigen Nachbarländern anders. Für Schweizer Firmen sind aufgrund der drei Landessprachen auch Schweizer Besucher auf französischen, italienischen und deutschen Seiten von zentralem Interesse bei der Planung und Umsetzung digitaler Kampagnen.
„Einen Qualitätsunterschied zwischen Schweizer Traffic und Traffic aus den Nachbarländern können wir im programmatischen Bereich nicht feststellen“, sagt Remo Prinz, CEO von Mediahead in Zürich. Mediahead ist ein Schweizer Softwaredienstleister, der die Komplexität des Programmatic Buying für Werbetreibende reduziert. Dazu kombinieren die Schweizer „Best in class“-Ad-Technologien mit eigenen Softwarelösungen. Unter anderem arbeitet Mediahead an einer Plattform, mit der die KPIs für programmatische Branding-Kampagnen in Echtzeit prognostizierbar sind.
Andere Länder, andere Preise
Während es bei der Traffic-Qualität keine Unterschiede zu den Nachbarländern gibt, ist das bei den Preisen anders. „Die Nachfrage von inländischen Werbetreibenden nach Schweizer Inventar ist größer, wodurch auch die Preise deutlich höher sind“, erläutert Prinz. Der Grund: Schweizer Marken möchten in jedem Fall auch in den Schweizer Premiumumfeldern präsent sein. Und Schweizer Premiumtitel sind knapp und begehrt. „Auch die Klickraten auf Schweizer Inventar sind höher als im Crossborder-Umfeld“, sagt Prinz. Der Grund dafür könnte dem Experten zufolge in der hohen Verbundenheit der User zu den lokalen Medienmarken und dem entsprechend hohen Involvement auf Nutzerseite liegen.
Private Deals schaffen Vertrauen
In jedem Fall halten es Marktbeobachter für notwendig, im programmatischen Bereich auf die Herkunft des Traffics genau zu achten. So vermeidet man bei Mediahead beispielsweise Crossborder Traffic von osteuropäischen Seiten.
Um den hohen Ansprüchen Schweizer Werbekunden gerecht zu werden, setzt der Dienstleister beim Programmatic Buying auf Private Deals. Dabei handelt es sich um eindeutige IDs, mit denen Käufer und Verkäufer gematcht werden. Eine solche ID basiert auf einer Reihe von Kriterien, die zuvor zwischen den Parteien ausgehandelt wurden – vom Floorpreis über Seitenregionen bis hin zu den möglichen Werbeformaten.
„Um eine hohe Qualität von Crossborder Traffic sicherzustellen, empfehlen wir, einen hohen Anteil an Private Deals abzuschließen“, sagt Prinz. Ein erster persönlicher Kontakt sei die beste Voraussetzung für erfolgreiche programmatische Kampagnen. Der persönliche Kontakt bleibt, die Buchung und Optimierung wird in der Folge aber weitgehend automatisiert abgewickelt.
Mehrstufiger Qualitätscheck empfohlen
Bis dato hat Mediahead über 1000 Deals ausgehandelt. „Auf diese greifen wir allerdings sehr selektiv zu. So waren beispielsweise im letzten Monat nur rund 170 Deals aktiv, denn auch hier gibt es Qualitätsunterschiede", so Prinz. Außerdem reiche das Abschließen von Private Deals noch nicht aus, um die Qualität hochzuhalten. Um die Nachfrage nach Inventar zu befriedigen, muss Inventar aus Open RTB zugekauft werden.
Deshalb empfiehlt Prinz einen 3-Punkte-Qualitätscheck. Erstens sollte zur Domainerkennung, Qualitätsbewertung und dem Blockieren der verdächtigen Werbeeinblendung vor dem Kauf mit einem externen Dienstleister für Verification & Fraud Protection zusammengearbeitet werden. Zweitens rät der Experte, den Traffic regelmäßig durch eigene Mitarbeiter prüfen zu lassen. So werden bei Mediahead Webseiten, Urheber, Inhaltsrechte sowie Inhaltsqualität einem kontinuierlichen internen Audit unterzogen. Außerdem wird die Herkunft des Inventars – im technischen und kommerziellen Sinn – zweifelsfrei identifiziert, um eine Domain bei Missbrauch sofort blockieren zu können. Die Folge dieser Prozedur ist eine Blacklist auf URL-Level, die stets topaktuell ist.
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