Der Einsatz von Nuzterdaten für eine zielgenaue Werbeansprache ist die eigentliche Stärke des Online-Advertisings. Für Werbetreibende stellt sich zwangsläufig die Frage, welche Daten für die Zielgruppenansprache wohl am wertvollsten sind. Ein Kandidat im Ringen um den Kunden: Intent Data, also intentionsgetriebene Daten. Aber was ist das überhaupt? Woher kommen sie? Und was macht man damit?
„Per Definition erlauben Intent-Daten dem Werbetreibenden mit dem Nutzer zu interagieren, der ein Kaufvorhaben im Internet signalisiert. Dies erlaubt Advertisern, auch im Prospecting eine relevante Zielgruppe zu Werbezwecken zu erreichen und somit neben dem Retargeting weitere Profile aufzubauen“, erklärt Stéphane Lallement von netzeffekt, der Performanceagentur von Jung von Matt.
Der Head of RTA & Display Advertising der neu gegründeten Real-Time Advertising Unit nennt als plastisches Beispiel das Umzugsvorhaben einer beliebigen Person, mit dem verschiedenen Aktivitäten im Internet einhergehen, wie die Suche nach einer geeigneten Spedition, Produkten aus dem Baumarkt oder neuen Möbeln. „Relevante Fingerabdrücke, die der Nutzer über sein Online-Verhalten hinterlässt, werden auf Data-Management-Plattformen zu genau definierten Zielgruppen aggregiert“, so Lallement. „In diesem konkreten Fall können sie später beispielsweise dazu dienen, gezielt Energieprovider auszuspielen, sobald über andere Touchpoints deutlich geworden ist, dass eine Person ein typisches Umzugsverhalten andeutet.“ Armin Doll von Kenshoo, einem Anbieter für Marketingsoftware, bestätigt: „Für Werbetreibende ist es hochgradig interessant, auf diese Signale aufzuspringen, um die Werberelevanz und die Reaktion der Nutzer zu erhöhen.“
Die sprudelnden Quellen der Intent-Daten
Die Herkunft, der die Daten entstammen, ist vielfältig. Eine Variante ist, die Intent-Daten mit für den Werbetreibenden relevanten Themeninhalten direkt vom Publisher zu kaufen. Eine andere sind die sozialen Netzwerke, in erster Linie Facebook, wo gelikte Seiten zu einem bestimmten Sachverhalt oder positiv besetzte Erlebnisse eines Facebook-Nutzers, wie beispielsweise eine Hochzeit, interessante Informationen für gezielte Zielgruppenansprachen liefern. Besonders aber liefern Suchmaschinen wie der Branchenprimus Google für Lallement „sehr gute Targeting-Möglichkeiten vom Keyword- zum Display-Advertising, speziell durch die Nutzung der dort gewonnenen Daten in Kombination mit der googleeigenen Demand-Side-Plattform. Sie ermöglicht es, per Displaywerbung auf bestimmte Nutzer zu bieten, die zum Beispiel eine Wohnungseinrichtung nach besagtem Umzug benötigen könnten oder bereits aktiv suchen. Das ähnelt ein wenig dem Keyword Advertising.“ Hiermit sind allerdings ein AdWords-Konto und bestimmte Kosten verbunden, sodass sich Anbieter auf die Aggregation von Daten, außerhalb von Google, spezialisiert haben.
Aber macht die Datenerfassung außerhalb von Google & Co. überhaupt Sinn? „Das Tracken in der Suchmaschine sollte an erster Stelle stehen. Wer dort auf Intent-Daten verzichtet, verzichtet ebenso auf hochwertiges und zeitnahes Signal für relevante Werbeanzeigen“, sagt Armin Doll, Senior Solutions Consultant CEE, dazu. Kenshoo sammelt seine Intent-Daten dabei über Search und im Social-Bereich. Eine andere Strategie verfolgt Neal Brüwer vom Search-Retargeting-Anbieter Magnetic, der seine such- und kaufabsichtsorientierten Daten abseits von Google erfasst.
„Fast ein Drittel der Suchanfragen geschieht außerhalb der großen Suchmaschinen.“ In einer von Magnetic in Auftrag gegebenen Studie zeigte sich, dass Marketingverantwortliche speziell den Wert von Site Data und demographischen Daten für die Kundenerhaltung und -gewinnung schätzen. Der entscheidende Vorteil für Brüwer, Country Manager DACH: „Wir sind direkt an die großen Publisher-Webseiten wie Preisvergleichs- und Produktbewertungsportale, E-Commerce- und vertikale Webseiten angeschlossen. Dort zeigen Nutzer wesentlich konkretere Kauf- und Suchabsichten.“ Über eine eigene Data-Management-Plattform bildet das Unternehmen anschließend Keyword-Segmente für die personalisierte Zielgruppenansprache, um Kaufentscheidungen mit Displaywerbung zu beeinflussen.
Ähnliche Datenquellen, aber einen anderen Ansatz wählt das Search-Retargeting-Unternehmen Nano Interactive: „Das allgemeine Verständnis von Intent Data ist die Zusammenfassung verschiedener Datenquellen, wie Behavioral- oder Third-Party-Daten, zu einem bestimmten Nutzerprofil. Wir verstehen unter Intent vor allem die Suchhistorie des Nutzers und deren Veränderung im zeitlichen Verlauf bezogen auf das Produkt. Nichts gibt einen deutlicheren Hinweis auf die Absichten des Nutzers und auf dieser Basis erstellen wir das Profil“, so Nano-CEO Christian Geyer. Im Wettbewerb der Datenanbieter um die Gunst ihrer Kunden geht es dabei nicht nur um vorzeigbare Kampagnenverbesserungen, sondern zunächst einmal um den Kampf um Daten. Denn gerade Premium-Publisher samt ihrer hochqualitativen Umfelder können sich aussuchen, wem sie ihre Daten geben und entsprechend schwer ist der Zugang.
Hoher Detailgrad, aber Herausforderungen bei der Nutzung
Wo liegt aber unabhängig von der eigentlichen Quelle der Vorteil von Intent-Daten im Vergleich zum klassischen Retargeting? „Im klassischen Retargeting geht es um die erneute Ansprache der gleichen User. War er bereits auf der Seite des Werbetreibenden? Hat er sich schon einmal ein Produkt angeschaut oder gekauft? Unser intentionsgetriebener Ansatz verfolgt hingegen das Ziel, neue Kunden hinzuzufügen, sie gezielt über ihre Suche oder ihr Interesse für Mitbewerber von Werbetreibenden zu erreichen“, erklärt Nano-Interactive-CEO Geyer. Für Lallement haben „Intent-Daten, sofern sie nicht modelliert sind, aufgrund der Aktualität ihrer Erhebung den Vorteil, dass sie realen und relevanten Personen entstammen, die als User im Internet aktiv sind.“ Gerade die Aktualität der Profile hat für Werbetreibende besonderes Gewicht bei der Gewinnung von Neukunden, was sich für Marketingverantwortliche gemeinhin herausfordernder darstellt als deren Erhalt.
„Der Einblick in das, was Menschen beabsichtigen zu kaufen, bevor sie ihren Kauf wirklich tätigen, stärkt die Kundengewinnungsstrategie beträchtlich. Erst mit dem richtigen Datensatz, haben Such- und Kaufabsichten ein enormes Potenzial, um Geschäftsentscheidungen und Kundenbeziehungen positiv zu beeinflussen“, ergänzt Neal Brüwer von Magnetic. Quantitativ klingt das aus Kenshoo-Sicht wie folgt: „Durch die Nutzung der Intent-Signale können wir den Return-on-Investment von Werbekampagnen auf Facebook erhöhen und durch deren Rückkopplung auch die Relevanz beim Suchmaschinenmarketing. Durchschnittlich erzielen wir über Social, Search und die Rückkopplung der Kanäle ein Plus von 38 Prozent bei den Bestellwerten der Kampagne.“
Mit Blick auf die Studie weiß Brüwer jedoch auch einzuschätzen, dass speziell für „Marketingverantwortliche große Herausforderungen beim Einsatz von Intent-Daten bestehen und diese längst nicht so verwendet werden, dass am Ende der höchstmögliche Ertrag unterm Strich steht.“ Der Großteil der Befragten weiß zwar die Qualität von Such- und Kaufabsichten zu schätzen, verwendet die gleichen Datenquellen aber sowohl für die Kundenakquise als auch -erhaltung. Ein deutlicher Indikator dafür, dass sie die Daten entweder zu wenig oder überbeanspruchen. Auch weiß mehr als die Hälfte der Marketingverantwortlichen nicht, wie sie die Intent-Daten in ihre Targeting-Prozesse integrieren sollen.
Die Aktualität der Daten ist dabei Segen und Fluch zugleich. So schnell und so viele Daten auch gespeichert werden, so schnell verlieren sie auch ihre Wertigkeit für die relevanten Nutzerprofile und dementsprechend auch den maßgeschneiderten Targeting-Prozess. Lallement nennt das die „14-Tage-Lupe“. Auch die Messung der Conversion Rate fällt mitunter schwer und ist stark vom jeweiligen Produkt abhängig.
Die gesammelte Intent-Daten werden den Einkaufsplattformen für den programmatischen Mediaeinkauf im Real-Time Bidding Verfahren zur Verfügung gestellt. Doch wie kann der Advertiser sicher sein, dass die eigene Werbung auch auf markensichere Umfelder ausgespielt wird? Für Lallement von netzeffekt ist das kein Problem: „Oft ist es auch die Frage des Inventares, wobei es darauf ankommt, die richtigen Publisher mit eigenen, intelligent verknüpften Daten für die relevanten Werbezwecke zu wählen. Aus meiner Sicht erlaubt Programmatic eine verbesserte, da userbasierte Ausspielung. Im Umgang mit dem Nutzer muss aber darauf geachtet werden, die Werbebotschaften so zu formulieren, dass sie den User durch das Targeting nicht irritieren und eine positive Markenwahrnehmung erhalten.“
Auch für Geyer betreffen Herausforderungen programmatischer Märkte Intent-Daten nicht im speziellen, sondern generell das Real-Time Bidding: „Entscheidend sind die Technologien, die man für Inventar in markensicherer Umgebung nutzt. Wir setzen dabei auf White- und Blacklisting sowie auf 1-zu-1-Beziehungen, wenn Kampagnen nur auf einer bestimmen Webseiten laufen sollen. Das entspricht dann klassischen Deals auf privaten Marktplätzen, die über RTB abgewickelt werden.“
Für Doll geht der menschliche Einfluss in Zeiten des Programmatic Advertising nicht verloren:„Schließlich sind digitale Werbekunden in der Lage, Kampagnen und maßgeschneiderte Anzeigen für ganz bestimmte Themen und Interessensgebiete zu entwerfen. Doch innerhalb der Online-Auktion bestimmen die Algorithmen von Publishern wie Facebook und Google letztlich die Platzierung und Rankings dieser Anzeigen.“
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