Zum fünften Mal fand am Dienstag, dem 2. Juni die Adtrader-Konferenz in Berlin statt. Im Rahmen der hochrangig besetzten Technologieveranstaltung wurde deutlich, dass die Technik für softwaregesteuerten An- und Verkauf von Werbeplätzen zwar da ist und gut funktioniert und die Werbeausgaben im Programtic Buying kontinuierlich steigen, doch fehlt es zuweilen an den passenden Prozessen, Strukturen und in manchen Fällen auch an der nötigen Risikobereitschaft.
Schon zum fünften Mal traf sich die Online-Marketinggemeinde – zumindest der Teil davon, der sich mit programmatischem Mediahandel beschäftigt – auf der Adtrader-Konferenz in Berlin. Die hochkarätig besetzte Veranstaltung im Berliner Kosmos Forum lockte wieder knapp 500 internationale Speaker und Besucher an. Und tatsächlich ließ sich am Dienstag nach einigen Regentagen wieder die Sonne an der Karl-Marx-Allee blicken.
Mats Persson, der COO von Adform, eröffnete die Veranstaltung mit ein paar mahnenden Worten. Zwar seien die Technologie und Software für eine dynamische Entwicklung des automatischen Handels von Werbeflächen vorhanden, doch fehlt es an Strukturen. Persson richtete den Blick vor allem auf die Verlagshäuser, die einen wertvollen Datenschatz besitzen, diesen aber kaum zu monetarisieren verstehen. Als leuchtendes Beispiel nannte er die Premium Publisher Alliance, in der sich einige britische Verlage zusammenschließen, um ihre Daten und Inventar gemeinsam über einen Private Marketplace zu vermarkten und so Google und Facebook ein Gegengewicht zu bieten.
Wolfgang Bscheid, der Geschäftsführer von MediaScale, stieg dann in die konkrete Praxis ein und zeigte das Beispiel einer BMW-Kampagne, bei der MediaScale eine neue Form des Targetings testete, nämlich die Aussteuerung spezifischer Werbebotschaften je nach psychologischer Grundmotivation. Der „Angeber“ sieht einen BMW-Spot mit einer hübschen Frau auf dem Nebensitz, die „Kontrollierende“ sieht eine ganze andere Werbung mit Daten und Fakten, zum Beispiel zum Verbrauch.
In der anschließenden Paneldiskussion kam die Sprache auf die Position des Chief Marketing Officers in Unternehmen. Die Rolle verlangt eine sehr universelle Ausrichtung mit technischen, kreativen und strategischen Fähigkeiten. Christoph Schallenberg, Vice President Sales bei der Telekom, machte deutlich, dass die Organisation schon sehr stark unter dem schnellen digitalen Wandel ächzt und dass er noch allerhand Hausaufgaben zu bewältigen habe, zum Beispiel die Vereinheitlichung der Wirkungsmessung.
Nach der Pause eröffnete Cameron Harmon von LiveRail den zweiten Block. Er zeigte auf, dass Facebook/LiveRail gemeinsam versuchen, den Verlagen Werkzeuge an die Hand zu geben, um das Werbeinventar besser vermarkten zu können. Natürlich stellte Harmon das Thema Multiscreen in den Mittelpunkt, denn hier kann Facebook mit seinem Reichweitenvorsprung glänzen.
Thomas Mendrina, Head of Media Publishing bei Google/DoubleClick, weitete dann den Blick über das Thema Programmatic hinaus. Der softwaregesteuerte Einkauf von Werbeflächen sei kein Selbstzweck. Wenn Reichweiten mit Streuverlusten günstiger zu haben sind, können Sie mitunter das bessere Preis-Leistungs-Verhältnis erwirtschaften. Gleiches gilt für Pauschaldeals zwischen Publisher und Werbungtreibenden. Um bewerten zu können, was sich wann lohnt, bedarf es einer einheitlichen zentralen Plattform, die Kampagnen auch über unterschiedliche Systeme hinweg optimieren kann.
Die anschließende Diskussionsrunde unternahm den Versuch, eine Bestandsaufnahme der Publisher-Seite zu liefern. Es hakt – da waren sich die Teilnehmer einig – noch ein wenig. Im mobilen Segment gibt es kaum gutes Targeting. Die Publisher haben zwar gute Daten, können diese aber noch nicht instrumentalisieren. Und der Bereich Video hängt im programmatischen Verkauf noch komplett hinterher, weil einige Publisher und Vermarkter hier nach wie vor die Werbeplätze für den Direktverkauf reservieren. Allerdings wurde im Panel auch klar, dass Programmatic Advertising bei den deutschen Premiumvermarktern Einzug hält, zwischen 10 und 20 Prozent des Inventars wird vorzugsweise über Private Marketplaces programmatisch abgewickelt.
Zum Abschluss des Vormittags wählte auch Thomas Servatius von Iponweb einen eher kritischen Ansatz. In der Praxis werde der programmatische Einkauf vorwiegend für Retargeting genutzt. Das ist zu wenig. Servatius verlangte mehr Kreativität und Mut von den Advertisern und redete den Dienstleistern ins Gewissen, ihre Kunden auf diesem Weg besser mitzunehmen.
Den Nachmittag eröffnete der Vice President Sales von AppNexus, JC Conti. Er fokussierte auf das Thema Yield Management und zeigte auf, dass gerade in der digitalen Werbung die Voraussetzungen dafür geschaffen sind. Um die richtige Budgetentscheidung zu treffen, sei es unabdingbar, mit präzisen Vorhersagen zu arbeiten, die auch das Verhalten der User so detailliert antizipieren, dass der potenzielle Return on Marketingspend schon im Vorfeld kalkuliert werden kann.
Felix Badura von Meetrics griff danach das Thema KPI aus einer neuen Perspektive auf. Er illustrierte, dass die Messgröße „Sichtbarkeit“ nicht nur für Branding-Kampagnen wichtig ist, sondern auch eine Aussagekraft für Performance-Kampagnen bietet. Im gesamten Bereich Real-Time Advertising geht Badura von einer Sichtbarkeitsquote von nur 30 Prozent aus.
Das leitete direkt zum Thema von Dimo Velev über. Der OpenX-Geschäftsführer sieht eine wachsende Dynamik im Bereich der betrügerischen Manipulation der Werbemaßzahlen. Es sei inzwischen so viel Geld im Markt, dass eine Zunahme von Betrugsversuchen unvermeidlich ist. Velev stützt sich unter anderem auf eine Umfrage, die man gemeinsam mit ExchangeWire durchgeführt hat. Fast die Hälfte der Befragten verlangt heute schon eine gesetzliche Regelung zur Überprüfung der Marktplatzqualität, damit die Werber im Zweifel ein Instrument in der Hand haben, um sich zur Wehr setzen zu können, wenn Betrug festgestellt wird.
Das anschließende Panel musste feststellen, dass es der Branche bislang kaum gelingt, die Veränderung der Nutzungsgewohnheiten der User in Richtung Mobile auch durch entsprechende Werbeauslieferung abzubilden. Hier sei dringend Nachbesserung geboten, sonst steigt der bereits vorhandene Vorsprung von Facebook in diesem Segment weiter an.
Den letzten Block eröffnete Rob Perdue, der COO von TheTradeDesk. Er entwarf ein Zukunftsszenario über die langfristige Bedeutung des softwaregesteuerten Einkaufs auch für bislang unberührte Themenfelder wie die TV-Werbung. Er deutete an, dass die treibenden Kräfte wie Google, Amazon, Netflix oder Apple in den nächsten Jahren genug Druck entfalten, um ein Umdenken auch bei den klassischen Fernsehsendern zu erzwingen.
Ein Sonderthema hat sich Neal Brüwer zur Brust genommen. Er möchte mehr Intelligenz ins Targeting bringen, indem man zum Beispiel eine Kaufabsicht erkennt und mit Werbung begleitet. Dabei muss die Werbung die Customer Journey mitgehen und in jedem Segment werden andere Botschaften ausgespielt. Die Erkenntnis über die Absichten des Nutzers liest Brüwer, der Country Manager von Magnetic, aus der OnSite-Suche. Und damit die Publisher ihm diese Daten geben, operiert er hier mit einem Profit-Sharing-Modell.
Der letzte Einzelauftritt gehörte der einzigen Frau, die sich auf die Bühne wagte. Cadi Jones von Yahoo spannte den Bogen zum ersten Vortrag und erläuterte erneut, dass softwaregestützter Einkauf durchaus auch gut für Markenwerte funktionieren kann. Als Beispiel brachte Cadi Jones eine Kampagne für ein Videospiel mit. Testweise wich Yahoo vom einfachen Geschlecht/Alter-Targeting, das der Kunde gefordert hatte, ab und injizierte weitere Zielgruppenmerkmale, die darauf hindeuten, dass der jeweilige Nutzer ein Interesse an Videospielen hat. Die Klickrate der Kampagne verdoppelte sich durch diesen Versuch.
Zum Ende der Veranstaltung gab es eine kleine Diskussionsrunde zu notwendigen Veränderungen innerhalb der digitalen Industrie. Das Thema Video kam hier erneut zur Sprache. Es wird aktuell von vielen Marktteilnehmern unterschätzt. Außerdem scheint es, als bräuchten die Werbungtreibenden dringend Hilfe in Sachen strategischer Kampagnenplanung. Langfristig ist eine Konsolidierung der Technologiemärkte unvermeidbar.
Einzelne Agenturen arbeiten inzwischen mit bis zu fünf DSPs (Demand Side Platfoms). Das sei ein Übergangsphänomen und kein haltbarer Dauerzustand. Eventuell könne es sogar ein Szenario mit nur einem Gewinner geben, einer zentralen Plattform, von der nicht nur alle Werbeformen, sondern auch unterschiedliche Länder bedient werden können. Datengestützt, versteht sich.
Nach knapp acht Stunden endete die Adtrader-Konferenz 2015 mit einem Get-Together unter der Sonne Berlins. Mitunter hitzig wurde das Gesehene diskutiert und Pläne für die nächsten Monate geschmiedet. Dass in der Branche des programmatischen Werbens die wirkliche Arbeit jetzt erst beginnt, war allen Beteiligten sogar schon vor der Konferenz klar.
Über den folgenden Linkgeht es zu einigen Impressionen von der Adtrader 2015.
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