DoubleClick, Unicast, Adconion, Madvertise und YuMe, das sind alles berufliche Stationen von Richard Kidd. Der gebürtige Brite aus Southampton kann durchaus als Urgestein der digitalen Werbebranche in Deutschland bezeichnet werden. Jetzt will Kidd nicht nur Unternehmen aus Übersee für den deutschen Werbemarkt fit machen, sondern auch hiesige Start-ups das nötige Rüstzeug im digitalen Marketing mitgeben. Dazu bemängelt er die fehlende Risikobereitschaft deutscher Investoren – „Wir brauchen mehr Unternehmergeist in Deutschland“
Adzine: Herr Kidd, warum sind Ad-Technology und die digitalen Medien eigentlich Ihr Steckenpferd? Wie kam es dazu?
Richard Kidd: Man könnte es als Zufall bezeichnen. 1999 wurde ich von einem US-amerikanischen Unternehmen angesprochen, ob ich Interesse daran hätte, die Firma „Flycast“ aus San Francisco hier in Deutschland aufzubauen. Online Advertising war das Stichwort – als Vertriebler sah ich die Herausforderung und legte los. Erfahrung in der Branche hatte damals kaum jemand.
Adzine: Sie haben bereits für eine Vielzahl von Unternehmen aus dem Bereich Adserving und Adtechnology gearbeitet und wissen wie der hiesige Markt tickt. Nun wollen sie Unternehmen aus Übersee dabei verhelfen in Deutschland Fuß zu fassen. Warum glauben Sie denn, dass solche Firmen ihre Hilfe benötigen könnten?
Kidd: Weil meine langjährige, operative Erfahrung aus der Branche diesen Firmen helfen kann, die richtige Markteintrittsstrategie zu formulieren und sie entsprechend fokussiert umzusetzen. Firmen sollten in der Lage sein, ihre eigene Einstellung zu neuen Märkten zu überprüfen: Nur weil man am eigenen Markt Erfolg hat, heißt das noch lange nicht, dass man gleich überall in Europa punkten kann. Besonders amerikanische Unternehmen, die oft zu Hause in anderen Dimensionen und Größen operieren, verstehen einfach nicht, dass Großbritannien, Frankreich, Deutschland oder Spanien völlig unterschiedliche Länder sind. Das sind nicht sprachliche und kulturelle Unterschiede. Diese Märkte unterscheiden sich grundlegend. Ich habe auf allen Ebenen in Unternehmen gearbeitet und kenne die digitalen Technologien sehr gut. Es macht mir Spaß, mit anderen zusammen konstruktiv am Erfolg zu arbeiten.
Adzine: Gibt es typische Fehler von ausländischen Unternehmen, die begangen werden, wenn sie nach Deutschland kommen?
Kidd: Oft wollen die ausländischen Firmen schnell auf den Markt, schnell verdienen und oft nicht lange genug investieren, weil ein Exit oder Verkauf wichtiger ist als das globale Geschäft. Es trifft ja auch oft nicht nur die europäische Expansion, sondern die weltweite. Sehr oft sind sie nur mit einem oder zwei Sales-Leuten vertreten.
Adzine: …die selbst gar nichts entscheiden dürfen.
Kidd: Völlig richtig. Die falsche Auswahl der Mitarbeiter oder die falsche Vertriebsstruktur ist in vielen Fällen der größte Fehler. Es mag ja stimmen, dass der deutsche Arbeitsmarkt schwierig ist. Meistens werden dann – weil es wie immer schnell gehen muss – junge und unerfahrene Mitarbeiter eingestellt. Damit wird man in Deutschland nicht erfolgreich. Man braucht erfahrene Mitarbeiter mit einem gewissen Netzwerk in der Branche, um das Geschäft hier effektiv aufzubauen. Und diese Mitarbeiter müssten das volle Vertrauen der Muttergesellschaft genießen, damit sie hier agieren können und Entscheidungen treffen können. Ohne Entscheidungsmandat ist der Aufbau schwer.
Adzine: Aber es gibt doch gute Headhunter?
Kidd: Selbstverständlich gibt es gute, einige davon hier in Hamburg und sie sind in der Branche bekannt. Aber viele Headhunter, sowohl deutsche als auch internationale, sind nicht tief genug in der Materie und verstehen den digitalen Werbemarkt nicht. Die internationalen Personalbüros verstehen wiederum die Besonderheiten des deutschen Marktes nicht. Die Firmen, die nach Deutschland kommen, müssten vor der eigentlichen Expansion den Markt genauer anschauen – ein Verständnis dafür gewinnen und basierend auf Marktfakten die Expansionsstrategie vorantreiben. Die Recruitmentstrategie ist hier von hoher Bedeutung.
Adzine: Und so kommt es, dass dieselben Leute immer wieder bei einem anderen Unternehmen aufpoppen und im Prinzip dort dasselbe machen.
Kidd: Ja, das ist wahr. Es gibt eine bestimmte Fluktuation in unserer Branche. Erfahrung sammeln gehört zu einem erfolgreichen Berufsweg – und in der Regel wechselt man den Job, um neue Erfahrungen zu sammeln, neue Verantwortung zu übernehmen und höhere persönliche Ziele zu realisieren. Worin auch eine gewisse Gefahr für diese Personen liegt. Denn wenn Du überall nur im selben Bereich schon einmal gearbeitet hast, bist Du irgendwann nicht mehr glaubwürdig. Man sollte daher auch mal die Aufgabenbereiche wechseln.
Adzine: Wechseln wir einmal die Perspektive, sie wollen ja auch deutsche Start-ups zum internationalen Durchbruch verhelfen. Warum haben deutsche Start-ups es eigentlich wiederum so schwer?
Kidd: Viele Start-ups haben sehr gute technische Entwicklungen und gute technische Mitarbeiter. Um erfolgreich den Start zu überstehen und schnell zu skalieren, benötigt der Start-up nicht nur die notwendigen finanziellen Mitteln, sondern auch die richtige kommerzielle Strategie – und einen Vertriebsplan. Die Aspekte finanzielle Mittel, Vertrieb und Erfolg sind sehr eng verknüpft – hier gibt es in der deutschen Start-up-Szene noch Entwicklungspotenzial.
Adzine: Haben Sie denn bereits einige Projekte, über die Sie berichten wollen?
Kidd: Gemeinsam mit neuen Unternehmen sichern wir die richtigen, unternehmerischen Strukturen, entwickeln die kommerziellen Pläne und arbeiten operativ zusammen, um den Markteintritt zu schaffen. Ich bin gerade dabei, die ersten Projekte zu realisieren. Die Kunden sind aus den Bereichen Ad-Technologien, Citizen Journalism mit einer Plattform für Livestreaming und Vertriebscoaching. Wo Funding benötigt wird, helfe ich auch. Alles Themen, wo ich meine Erfahrung der letzten 20 Jahre sehr gut einbringen kann.
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