Nach einigen Jahren der Euphorie sollten wir nicht gleich den Abgesang starten
Oliver Hülse, 5. Mai 2015Man konnte in letzter Zeit so manche Prognosen und Einschätzungen hören und lesen, die große Umwälzungen auf dem Markt der Demand Side Platforms (DSPs) vorhersagten. Die Marktkonsolidierung stehe kurz bevor oder sie habe bereits begonnen. Das zeige unter anderem das Beispiel Infectious Media, die sich kürzlich vom deutschen Markt zurückgezogen haben. Eines ist sicher richtig: Der Markt verändert sich gerade. Diese Entwicklung muss man aber weitaus differenzierter betrachten.
Zum Beispiel werden häufig originäre DSPs und Trading Desks in einen Topf geworfen. Trading Desks sind Unternehmen, die unter Lizenz von verschiedenen DSPs deren Technologie verwenden und daraus ein eigenes Angebot erstellen. Hiervon zu unterscheiden sind Unternehmen, die ihre eigene, proprietäre Technologie verwenden, um programmatischen Mediaeinkauf umzusetzen. Bei den Trading Desks, die unterschiedliche DSP-Technologien bündeln, ist tatsächlich gerade eine gewisse Marktbereinigung im Gange und das ist auch nicht verwunderlich, denn ohne ein eigenes technologisches Fundament muss man es in einer so dynamischen Branche zwangsläufig schwer haben.
Richtig und wichtig ist: Eine DSP-Technologie auf dem neuesten Stand zu entwickeln und weiterzuentwickeln kostet Geld und erfordert hohe Investitionen. Da sollte man sich keine Illusionen machen. Um es einmal etwas plakativ auszudrücken: Im Maschinenraum einer originären DSP steckt Hochtechnologie – und die programmiert man nicht nebenbei nach Feierabend.
Ein weiteres Thema ist die Diskussion über Managed Service und Self Service im DSP-Bereich. Vielfach wurde ein Trend zum Self Service unterstellt oder das Dienstleistungsmodell komplett in Frage gestellt. Auch hier sollte man differenzieren: Von welcher Branche reden wir? Wir sehen nicht nur bei den DSPs, sondern auch in anderen Bereichen schon seit langem, dass verschiedene Branchen unterschiedlich affin zu der einen oder anderen Variante sind.
Ich kenne keinen Konzern aus dem Bereich Automotive oder FMCG, der sagt: Ich möchte nur die Technologie, stelle fünf bis zehn Leute ein und manage meine Programmatic-Kampagnen jetzt lieber selbst. Diese Industrien setzen traditionell eher auf Agenturen, während Unternehmen beispielsweise aus dem Bereich Gaming, Dating, Travel vielleicht genau andersherum denken.
Diese Werbetreibenden sind möglicherweise eher auf Abverkauf ausgerichtet und legen Wert darauf, dass ihre Technologie zum Beispiel direkt an ihr Warenwirtschaftssystem angebunden werden kann. Nicht zuletzt spielt vielleicht auch die Mentalität des jeweiligen Marktes eine gewisse Rolle. Um es einmal überspitzt zu formulieren: Der detailverliebte Deutsche ist möglicherweise eher ein Self-Service-Kunde als Unternehmen aus einem Dienstleistungsland wie Großbritannien.
Was aus Sicht des DSP-Marktes zudem immer wieder bemängelt wird, hat mit der Einkaufsmacht der großen Agenturnetzwerke zu tun. Tatsächlich wäre es wünschenswert, dass sich die Supply Side noch viel stärker für RTB öffnet und so die Potenziale des programmatischen Mediaeinkaufs wirklich ausgeschöpft werden könnten. In der Zwischenzeit kann ich aber auch sagen: Wenn man als DSP über eine hochentwickelte Technologie verfügt und zeigen kann, dass man mit Programmatic schon heute aus den bereits vorhanden Mediavolumen noch viel herausholen kann, dann wird das die Entwicklung der Branche beständig weiter vorantreiben und deshalb sollten wir diesen Weg weitergehen.
Letztlich sollten wir daher nach Jahren der DSP-Euphorie jetzt nicht den Abgesang starten, sondern sagen: Ja, hier findet jetzt eine Konsolidierung statt, denn letztlich setzt sich eben (technologische) Qualität durch gegen Copy Cats, die gar nicht gewillt sind, die notwendigen Investitionen für die Weiterentwicklung von programmatischen Technologien zu tätigen.
Anmerkung der Redaktion: Dieser Gastbeitrag ist eine Replik auf den Adzine Beitrag: „DSPs: Beginnt bald das große Sterben?“
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