Programmatic gegen Fragmentierung
Frank Puscher, 27. April 2015Am 21. April fand in Berlin der erste Mobile Advertising Summit statt. 250 interessierte Zuschauer fanden den Weg in das spannende Ambiente der Kulturbrauerei, um 12 hochkarätigen Vorträgen zu lauschen, die sich mit der Gegenwart und Zukunft mobiler Werbung beschäftigen. Angesichts der noch recht jungen Disziplin überraschte nicht, dass mitunter sehr unterschiedliche Meinungen zur Zukunft mobiler Werbung aufeinanderprallten. Trotz des angesagten Trendthemas zeigte sich der erste Mobile Advertising Summit angenehm hypefrei. Die Veranstaltung wurde beherrscht von pragmatischen und seriösen Diskussionen zum Stand mobiler Werbung und zu deren Zukunft.
Den Auftakt machte Florian Renz von der GFK. Er skizzierte das veränderte Nutzungsverhalten und die damit einhergehende zunehmende Bedeutung der Smartphones im Alltag. Die Nutzung konzentriert sich dabei deutlich auf Transaktions- und Kommunikationssituationen mit nur einigen wenigen populären Apps, allen voran Facebook und E-Mail. Whatsapp hat heute unter den Smartphonebesitzern bereits eine Reichweite von 81 Prozent.
Ingo Schwab von Crossmedia wendete den Blick dann der Werbebranche zu. Aktuell ist die Landschaft von einer starken Fragmentierung gekennzeichnet. Nur Facebook und mit Abstrichen auch Google gelingt es, signifikant Reichweite anzubieten und dabei mit einfachen Standardformaten zu punkten. Schwab hält die werbliche Anknüpfung an den jeweiligen Standort des Nutzers für ein gutes Mittel, um auf Dauer mehr Budgets für Mobile zu requirieren.
Dritter im Bunde war Patrick Fagerlund, der Geschäftsführer von Widespace. Seine Plattform konzentriert sich auf Brand Advertising und sammelt und vermarktet Inventare, die eine markensichere Umgebung abbilden. Aus Fagerlunds Sicht gelingt Mobile Advertising der Durchbruch erst durch Automatisierungstechniken und Machine Learning.
In der anschließenden Podiumsdiskussion wurde schnell deutlich, dass es nicht nur an Standardisierung und passenden Formaten mangelt, sondern dass auch viele Werber und Agenturen noch nicht in der Lage sind, Mobile in passenden Prozessen abzubilden. „Das läuft noch bei vielen einfach so nebenher“, sagte ein Teilnehmer.
Handywerbung braucht Kreativität
Der zweite Block des Tages widmete sich der Praxis. Gerhard Günter von Digital Sunray präsentierte ein Füllhorn kreativer Beispiele, wie etwa eine Patex-Werbung, die den Bildschirm des Nutzers beim Scrollen festklebt. Findet man ein solch spannendes Format, so ist dem Werber eine sehr hohe Aufmerksamkeit sicher.
Auch Jan Gräwen von Yoc zeigte eine Reihe spannender Beispiele, etwa die Platzierung hinter dem Content, sodass der Nutzer das Banner freiscrollt, wenn er möchte. Gräwen warnte eindringlich davor, dass zu aggressive Werbeformate auch auf dem Smartphone den Ruf nach Ad-Blockern laut werden lassen könnten.
In der folgenden Diskussion, die den Vormittag beschloss, pointierte Florian Gmeinwieser von Plan.Net, dass es eben nicht um Technik geht, sondern um gut gemachte Werbung. Oliver von Wersch von Gruner und Jahr gab zu, dass die Publisher in diesem Segment noch Nachholbedarf haben, um den Vorsprung von Facebook aufzuholen. Gleichzeitig verlangte er gleiche Rahmenbedingungen für alle Publisher, vor allem in Sachen Datenschutz.
Programmatische Ausspielung kann Kosten senken
Nach der Mittagspause widmete sich der erste Block dem Thema Programmatic und Mobile. Heiko Genzlinger von Trademob machte deutlich, dass nur sehr effiziente Prozesse dazu in der Lage sind, die Kosten des granularen Marketingansatzes zu dämpfen. Auch er erkannte noch Defizite im Know-how bei Werbekunden und Agenturen, stellte aber auch fest, dass alle an diesem Thema arbeiten.
Carsten Frien präsentierte im Anschluss daran die technische Lösung von Roq.ad, die es erlaubt, einem Nutzer die unterschiedlichen Endgeräte zuzuordnen und demzufolge Kampagnen über die Endgeräte hinweg zu koordinieren. Wenig überraschend ist ein erster Anwendungsbereich das deviceübergreifende Retargeting.
Danach trat Daniel Rieber auf die Bühne. Der Director Marketing von AdSquare präsentierte eine Fallstudie von Germanwings. Dort kombinierte man Plakatwerbung mit Mobile, in dem man die User erkennt, die nahe eines Plakatstandorts waren. Diesen Nutzern wurde das gleiche Motiv wie auf dem Plakat auch auf dem Smartphone ausgespielt. Germanwings berichtet sehr hohe Erinnerungs- und Sympathiewerte.
Die folgende Diskussion zeigte, dass sich der Markt für Programmatic Mobile noch im Anfangsstadium befindet. Allerdings äußerten die Teilnehmer, dass man die deutschen Qualitäten in Sachen Privacy und Datenschutz durchaus offensiv als Wettbewerbsvorteil ins Feld führen könne.
Den Auftakt zum letzten Block bildete Mark Stohlmann. Der Senior Media Manager von Telefonica präsentierte die SMS als mobiles Werbeformat, das vor allem auch ortsgebunden ausgespielt werden kann. Telefonica verfügt nach seinen Angaben über zwei Millionen Werbe-Opt-ins, auch von Nutzern, die gar kein Smartphone haben.
Mathias Hemmerling, der Verkaufsdirektor von Dailyme, legte den Finger in die Wunde, als er deutlich machte, dass die Netzabdeckung in Deutschland keinesfalls ideal sei und dass vor allem Rich-Media-Werbung scheitert, wenn der Nutzer kein Netz hat. Seine App cachet Werbung, während der Nutzer Videoinhalte auf sein Smartphone lädt. Folglich ist DailyMe auch in der Lage, im Zug, Flugzeug oder schlecht vernetzten ländlichen Regionen Werbung auszuspielen. Freilich schlägt in einem solchen Fall auch ein Klick auf eine Werbung fehl. Aus diesem Grund schickt DailyMe kleine Landeseiten gleich mit.
Die Zukunft mobiler Werbung
Der letzte Einzel-Speaker war Tom Rauhe, der Gründer von Mobalo. Er zeigte auf, dass Geo-Targeting, also die Identifizierung des Standorts eines Nutzers, durchaus ein diffiziles Geschäft ist und viele Unternehmen hier mit ungenauen Durchschnittswerten arbeiten. Geo-Targeting scheitert auch, wenn sehr belebte Orte bespielt werden, wie der Münchner Marienplatz. Zwar deuten die Mieten in der Statistik auf ein sehr exklusives Umfeld hin, doch die Touristen vor Ort sehen das eben nicht ganz so.
Zum Abschluss gab es noch eine kleine Diskussionsrunde zur Zukunft mobiler Werbung. Unter anderem widmete sich das Panel dem Thema Wearables und Smartwatches und man stellte fest, dass diese Kontaktpunkte noch enger an aktive Nutzerhandlungen gebunden sind. Daher bedarf es sehr kluger Werbeformate, um den Usern hier nicht auf die Nerven zu gehen.
Insgesamt zeigt sich der erste Mobile Advertising Summit als gelungene Veranstaltung. Das Publikum war sehr konzentriert und ließ sich auch von den sommerlichen Temperaturen im Biergarten der Kulturbrauerei nicht abhalten. Eine Mehrzahl der Teilnehmer wünschte sich eine Wiederholung. Es bleibt zu hoffen, dass der Veranstalter das genauso sieht.
Mehr Fotos vom ersten Mobile Advertising Summit finden Sie hier.
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